Graphic Novel – Grafische Reportage


Graphic Novel – Die Geschichte und das Bild


Am Sonntag bin ich im Gnadenthal und werde mit 20 Zeichnern eine graphische Reportage anfertigen. Wenn die graphische Reportage zum Buch wird oder eine ganze Geschichte erzählt, dann nennt man sie Graphic Novel.

Sequenz von Bildern, die ein Gefühl oder einen Ort vermitteln.

Das Prinzip der grafischen Novelle ist uns allen aus dem Comic bekannt. Comics kennt man ja noch aus der Jugend. Meine Mutter war immer höchst erzürnt, wenn Sie uns mit einer Mickymaus fand und dann donnerte sie:

“Lies lieber ein richtiges Buch!“


Grafic Novel mehr als ein Comis


Obwohl ich aus einer kulturellen Familie stamme in der uns auch die römischen oder griechischen Sagen vorgelesen wurden, habe ich sehr viel durch die Graphic Novel in der Mickymaus gelernt. Marco Polo und seine gesamte spannende Reise sind mir zuerst in einer Micky Maus begegnet.
Die grafische Reportage oder Graphic Novel hat also eine lange Tradition, doch im deutschsprachigen Raum wird sie jedoch ein wenig kümmerlich behandelt, denn in Zeitungen wird die grafische Reportage seit Jahrzehnten immer nur für den Witz des Tages eingesetzt und Comics sind für Kinder da.

Graphic Novel ist mehr als eine seichte Geschichte

Dabei kann man selbst mit kleinen Zeichnungen die Identität eines Ortes viel besser zeigen als nur mit ein paar Worten. Heute möchte ich euch die großartige Kunst eines Bekannten zeigen. Toni Santiago zeichnet mit wenigen Strichen seine Heimat. Seine Heimat ist wundervoll, Barcelona ist eine großartige Stadt, dennoch zeichnet Toni nicht das Bombastische sondern das Alltägliche, das Leben der Menschen. In seinen grafischen Reportagen findet man Kaffeetassen genauso wie Müllfahrzeuge, den Nachbarn und die Wäsche auf der Leine, gerade das macht es lebendig.

Toni Santiago,Anthonio Santiago Barcelona

This wonderful reportages are made by Toni Santiago http://tonisantiago.com

Im deutschsprachigen Raum haben viele Künstler und Journalisten noch überhaupt nicht begriffen, welch tiefes Potenzial in dieser Darstellungsform liegt.
Anders als ein Foto kann die grafische Novelle ganz weit greifen, sie kann Fiktion und Non Fiktion, Geschichte, Gegenwart und Fantasie sowie alles dazwischen sichtbar machen.
Das ist so viel mehr als nur eine Kindergeschichte.
Kulturell wird die Graphic Novel in unterschiedlichen Kulturen völlig anders genutzt. Weltweit merkt man die Macht dieser Geschichten, weil viele der Comics mittlerweile zu unseren modernen Märchen geworden sind. In der westlichen Welt gibt es wohl keinen mehr, der nicht die Marvel Universe (Thor, Avenger, Iron Man, …)  kennt.

Würde man eine Umfrage starten, so wäre Supermann wahrscheinlich deutlich bekannter als die deutsche Bundeskanzlerin oder der amerikanische Präsident.

Dieser Fakt macht ja wohl eindeutig klar, welche Macht Graphic Novel´s entwickeln können.
Tatsächlich ist dies aber nur ein kleiner Teil der Evolution des Comics, andere Kulturen haben sehr schnell begriffen, dass man über diese grafischen Reportagen viel besser Gefühle übertragen kann als mit Fotos.

Der entscheidende Unterschied zwischen einem Foto und einem gemalten Bild ist, das der Zeichner das Bild ganz deutlich aus seiner eigenen Perspektive zeigt.

Man wirft also den neutralen Standpunkt über Bord zu Gunsten einer sehr persönlichen Sicht.

Toni Santiago zeigt und dokumentiert schlicht seine Heimat:

Made by Toni Santiago

Wer schon mal in Barcelona war findet diese Zeichnungen köstlich, weil sie so unglaublich lebensecht sind.


Die stärke der Novel ist das Gefühl


Die Japaner zum Beispiel haben die Mangas dafür entdeckt viel schweinischere Fantasien auszuleben, fotografiert würden solche Fantasien sehr schnell abgrundtief würdelos.
Was die Japaner begriffen haben, ist das man durch den subjektiven Standpunkt Fantasie völlig grenzenlos ausleben kann ohne jemand anders zu schädigen.

Der Kern der grafischen Reportage ist und bleibt die ganz persönliche Sicht der Dinge.

Denn anders als im deutschsprachigen Raum, wo das Comic immer noch belächelt wird, hat man begriffen, dass man über grafische Reportagen persönliche Gefühle viel besser übertragen kann als durch neutrale oder reale Fotos.


Doch nur Märchen erzählen?


Doch die Graphic Novel hat sich insofern verändert, dass sie heute nicht mehr nur Märchen erzählt.

Die Bildergeschichte ist erwachsen geworden, den die Graphic Novel kann einfach alles erzählen.

Diese Geschichten sind nicht auf Fotos angewiesen, sie können alle Ebenen miteinander verbinden und auch Gedanken erzählen.
Gerade für richtig schwierige Themen ist dies unsagbar wichtig, Themen, die man sonst überhaupt nicht mit Bildern beschreiben kann oder die über die nicht gesprochen wird. Sei es in der Sexualität, sei es über Gewalt oder über traumatisierte Erfahrungen wie Kriminalität. Durch die grafische Reportage kann man ganz subjektive Standpunkte zeigen, man kann zeigen wie sich ein Opfer fühlt, man kann zeigen was einen Täter getrieben hat.

Gerade das Subjektive macht es möglich ganz neue und ganz andere Bilder zu erzeugen. Man findet nun immer mehr grafische Reportagen mit ernsthaften Inhalt und auch Klassiker der Weltliteratur, die als grafische Reportage umgesetzt werden. So wird das Kopfkino nicht nur durch das Wort angeregt, sondern auch durch das Bild.


Die Graphic Novel ist gutes und böses Kopf- Kino


Wer hätte sich denn schon vorstellen können, dass man in einem Comic über den Krieg berichtet?
Ich möchte euch nun mal an zwei Beispielen zeigen, wie ich über meine dunklen Gefühle mit Zeichnungen berichte. Vor ca. 15 Jahren ist ein Freund von mir, der Entwicklungshelfer, war mit einem Jeep über eine Tellermine gefahren. Meine Gefühle dazu habe ich unter dem Thema „Es ist angerichtet“ gezeichnet:

Tine Klein graphische Reportage zur Tellermine es ist angerichtet

Tine Klein „Es ist angerichtet!“

Teller und Tellerminen: Der Fakt das Kriege ausbrechen, weil Menschen nichts zum Essen haben machte mich total fertig, insbesondere deshalb, weil man den Luxus in dem man lebt nicht schätzt. Meine Gedanken habe ich durch das Bild Teller und Tellermine zum Ausdruck gebracht:

Tine Klein „Es ist angerichtet“

Graphische Zeichnungen sind sehr gut dazu geeignet selbst härteste Gefühle auszudrücken.

Mich machte der Fakt fertig das eine Tellermine weniger kostet als meine Pfanne!

Dazu findet ihr einen Link am Ende des Artikels. Es gibt einen Amerikaner Joe Sacco der seine Reportagen zeichnet. Diese Geschichten sind unglaublich eindringlich, weil sie Krieg aus einer ganz anderen Perspektive zeigen können als ein Foto.


Als Künstler von der grafischen Reportage lernen


Man muss nicht gleich in den Gazastreifen gehen um eine gute grafische Reportage zu zeichnen.

Eine Graphic Novel, also die Geschichte zeichnen zu wollen sorgt dafür, dass man sich ganz anders mit einem Ort auseinandersetzt.

 

….Das macht die Bilder meistens sehr viel wertvoller weil man etwas mitteilen will.


Das Ausdrucksvermögen schärfen


Zeichner, ob Anfänger oder Fortgeschrittene, sollten auf jeden Fall immer mal wieder spielerisch grafische Reportagen oder Graphic Novel zeichnen.
Der Grund dafür ist, dass diese Art des Zeichens das Ausdrucksvermögen unglaublich schärft. Die künstlerische Aussagekraft des Zeichners wird enorm gesteigert, weil er zielgerichtet sieht.

Der Zeichner beginnt Geschichten zu erzählen und begreift die Beziehungen der einzelnen Motive zueinander.

Diese intensive Beschäftigung führt dazu, dass der Zeichner das Motiv besser begreift und dadurch ein stärkeres Kunstwerk abliefert.

Grundsätzlich sieht die Arbeit in einer grafischen Reportage oder Grafik Novell genauso aus wie die Arbeit jedes Journalisten oder Künstlers. Man interessiert sich für ein Thema und entscheidet sich dann dafür einen bestimmten Aspekt oder ein bestimmtes Gefühl ganz deutlich herauszustellen.

Dabei kommt es wie in vielen Bildern weniger auf die Brillanz der Bildsprache an sondern einfach darum, das wann zeigt was man zu erlebten fühlt.


Die inneren Beziehungen sind das Wichtige


Bei der Graphic Novel oder grafischen Reportage geht es um Zusammenhänge und Beziehungen, dies prägt auch die Darstellungsform.

Zwischen den einzelnen Zeichnungen oder Bildern muss ganz deutliche Zusammenhänge geben. Die Bilder stärken sich untereinander.


Deshalb ist es wichtig eine Aufteilung für das Blatt zu finden in dem dieser Zusammenhang erzählerisch werden kann, dieser Fakt ist ja aus Comics weithin gehend bekannt. In Europa schreiben wir von links nach rechts.

Will man einen bestimmten Ablauf der Ereignisse zeigen, sollte man sich an die Lesegewohnheiten der Betrachter halten.

Geht es eher um die Stimmung eines Ortes so eignen sich auch Zeichen – Collagen.
Eine ziemlich einfache Methode um Ordnung und Harmonie auf dem Blatt zu erzeugen ist Klebeband. Denn Klebeband gibt den einzelnen Bildern untereinander immer wieder den gleichen Abstand und gibt damit auf ziemlich einfache Art und Weise einen Ordnungsrahmen.

Tipp: wer im Skizzenbuch arbeitet, hat für seine Bildergeschichten nicht unendlich viel Platz, deshalb sollte man stets auch nach schmalen Klebeband Ausschau halten.


Farbkomposition:


Für die Farbkomposition gilt das gleiche wie für die räumliche Aufteilung des Blattes, die Farbkomposition muss den Zusammenhang der einzelnen Bilder in der Geschichte stützen.
Wenn man an einer Geschichte arbeitet, ist es etwas anderes als wenn man an einem einzelnen Kunstwerk arbeitet. Wenn man ein Graphic Novel oder eine grafische Reportage erstellt, ist es sehr sinnvoll immer wieder in der gleichen Form und Farbensprache zu arbeiten. Das sieht man hier super bei Toni Santiago:

Toni Santiago Graphic Novel

 

Gemeinsamkeit ist Sinnvoll, denn jeder einzelne Skizze zum Thema ist ja Teil eines Gesamtkunstwerkes.

Wenn ihr nun zeichnet oder malt ist es ganz extrem wichtig sich ein wenig zu reduzieren. Wenn ihr nun zum Beispiel immer wieder mit den gleichen Stiften arbeitet oder mit den gleichen Farben, dann bekommt jeder der einzelnen Zeichnungen einen Zusammenhalt mit den anderen Grafiken und Darstellung.

Tipp: Zu beginn eine Design-Richtlinie festlegen

Eine andere Möglichkeit ist die Aufteilung in Großformat für wichtige Darstellungen, die dann auch gerne bunt sein dürfen und im Gegenzug für die kleinen oder nicht so wichtigen Darstellungen einfaches Material zu benutzen, wenn man sich nun auch schwarz-weiß beschränkt und ab und zu eine großformatige Skizze in Farbe hat, bewirkt dies den gleichen Zusammenhang.

Ein tolles Wochenende und hier ein paar super Links zu  wundervollen gezeichneten Geschichten:

http://tonisantiago.com

 

http://www.comicradioshow.com/Article3245.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Graphic_Novel
https://www.youtube.com/watch?v=uQsoTeA42Og

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