Lonely Planet für Maler

Tine Klein Berntor Aquarell, Maler entdecken die Welt ungoogelbare Orte vor der eigenen Haustür

Maler entwerfen die Welt

Letzte Woche habe ich ein Buch über Bildentwurf gelesen. Das Buch war ziemlich kurzsichtig und gefüllt mit Vorurteilen. Bei den der einleitenden Sätzen fand ich Stilblüten dieser Art:

„Schneller Bildentwurf ist nur bei dekorativer also gegenständlicher Kunst möglich. Da der Maler nur abmalt. Richtige Künstler benötigen immer mehrere Anläufe, da sie mit sich selbst ringen“.

Die Autorin war der festen Überzeugung, dass jeder Maler der ein wenig gegenständlich malt, keinen seelischen Input in seine Bilder steckt.

Ich persönlich habe keine Vorurteile gegen abstrakte Kunst, dennoch haftet mein Herz an der gegenständlichen Kunst.

Als Antwort möchte ich sagen:

Heute möchte ich mal nicht ringen, ich möchte die Sonne genießen.

 

Die Seele der Maler

Der Ort wirkt auf mich genauso stark, wie ich in meinem Bild auf den Ort wirke.

In einer Sache stimme ich der Autorin zu: Kunst ist natürlich nicht nur dafür da etwas Dekoratives zu machen! Doch darf man nicht einfach mal die Schönheit genießen? Muss man denn die Probleme auch noch feiern? Zugegebenermaßen mag ich auch keine Bilder aus den alles herausgeschönt wurde.

Die Seele des Ortes und das Leben sollten einfach drin bleiben.

Ich glaube, es ist heute keine Aufgabe der Kunst Ort zu finden, die abseits vom Medienstrom liegen. Ich liebe es versteckte schöne Orte zu finden. Tatsächlich habe ich aber auch viel Spass, wenn ich mit meinem Höckerchen in einem hässlichen Industriegebiet sitze.

Von abmalen keine Spur, auch ich lasse die Orte auf mich wirken. Und gerade deshalb weil Orte so stark auf die Seele wirken, liebe ich die hübschen kleinen Ecken.

Tatsächlich bin ich da egoistisch, wahrscheinlich komme ich mit meinen kleinen liebevollen Skizzen niemals in eins der wichtigen Museen.

Ich weiß das und trotzdem ist mir der Prozess mich, an eine schöne Ecke zu setzen und meine Seele aufzuladen, einfach viel wichtiger als alles andere.

Was ich mit meiner Kunst mache, ist meine eigene Seele aufzuladen.

Und ich glaube, genau das ist auch den meisten anderen Malern enorm wichtig. Ich spreche in diesem Blog ja immer mal wieder darüber, wie enorm wichtig es ist, die anderen Funktionen der Kunst wahrzunehmen, das Sehen lernen, das Beobachten, den Frieden finden und die Orte entdecken!

Orte entdecken – so richtig

Nur abmalen, wie die Autorin des Buches ein wenig abfällig beschrieb, ist etwas Großartiges. Ich kann der Autorin nur dringend empfehlen, sich mal ein kleines Vergleichen zu kaufen, zwei Franken oder ein bisschen mehr in ein kleines Skizzenbuch zu investieren und sich dann mal auf die Straße zu setzen und ganz in Ruhe etwas zu malen.

Dann wird die Autorin etwas ganz Großartiges entdecken:

Wie Schuppen von den Augen!

Ich kann der Autorin dies nur liebevoll ans Herz legen, denn dadurch dass man etwas zeichnen will, versteht man es.

Es ist ein Strom der Erkenntnis

Der Maler begreift plötzlich, wie Dinge  konstruiert wurden, wie sie zusammen hängen, von wo das Licht kommt, woher die Menschen kommen, wohin die Menschen gehen, wo sie lachen, wo sie weinen und all die kleinen Alltagsdinge.

Wenn ich Maler bin, dann sehe ich alles!

Was dann passiert, ist etwas sehr Schönes:

Ich speichere die Welt in mir.

Wenn das mal nicht großartig ist! Wie ich diese Eindrücke dann verwende, ob mein Kunstwerk jetzt nun gegenständlich wird, ob es ganz abstrakt wird und es nur um die Seele geht? Das bleibt doch jedem selbst überlassen. Aber der eigentliche künstlerische Prozess ist schon im im Menschen abgeschlossen:

Für mich wird Notre-Dame immer stehen.

Denn ich habe Notre-Dame durch das Malen in mein Herz eingeschlossen.

Lonely Planet

Ich weiß nicht, ob du schon mal diese Reiseführer wie den Lonely Planet gelesen hast?

Falls du jemals einen dieser einsamen Orte die der Reiseführer beschreibt aufgesucht hast, dann wirst du feststellen, dass dort nun im Minimum 150 junge Erwachsene mit gefühlt 200 Smartphones sitzen. Du wirst feststellen, dass man es an diesem Ort keine 30 Sekunden mehr aushalten kann, weil man ständig von Menschen beim Selfie schiessen über den Haufen gerannt wird.

Den richtigen Lonely Planet findet man oft schon 2. Straßen weiter.

Wenn ich mit meinem Skizzenbuch unterwegs bin, dann passt alles in einen Rucksack. Wenn man einfach mal von der Fußgängerzone in der Altstadt weg geht, oft reicht es 2-3 Straßen weiter zu gehen. Dann findet man Dinge, die der großen Masse der Menschen unbekannt sind. Der Lonely Planet der Maler ist, dass sie Dinge entdecken, die selbst Menschen, die dort seit 20 Jahren leben, nicht beachtet haben.

Ich war bei meiner Freundin vor längerer Zeit im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet unterwegs, Freiburg und Umgebung.

Dort habe ich ein kleines Stadttor gemalt, ich habe einen Anwohner gefragt, wie diesea Stadttor heißt und die Antwort bekommen Berntor.

Dies ist nicht verwunderlich, denn die Stadttore sind oft nach den Handelspartnern, die in der Himmelsrichtung liegen, benannt.

Lustigerweise lässt sich dieses Stadttor nicht googeln.

Es gibt so viele prunkvollere Plätze, dass dieser kleine Ort sich einfach im Strom der Medien nicht durchsetzen kann.

Und das ist für mich der wahre Lonely Planet.

Maler entdecken die Welt mit Skizzenbuch

Ich habe die kleine Skizze in meinem Skizzenbuch wiedergefunden und es war offensichtlich, dass wir gehen mussten als die Farbe noch nicht trocken war. Die letzte Schicht der Schatten und ein paar Details auf der linken Bildseite fehlten einfach noch.

Ich dachte auch, kein Problem, das googelst du mal eben und siehe da, das hässliche Entlein unter den prunkvollen Stadttoren lässt sich nicht googeln!

Anstatt mich zu ärgern, muss ich euch sagen, das ist der wahre Luxus!

Ich und Bill Gates wir haben ungoogelbare Orte

Als Maler besitze ich sozusagen einsame Inseln direkt vor meiner Haustür.

Schönes Wochenende wünscht euch die Tine

Ausnahmsweise Plätze frei!

Kleiner Fehler zu euren Gunsten eine Akademie hat vergessen meinen Kurs auszuschreiben. Das Rundschreiben wurde vergessen. Quasi ein geheimer Kurs! Nun sind Plätze frei.

Der Kurs findet am Wochenende von 22.06.2019 – 23.06.2019 statt.

https://kunstzeit-allensbach.de/kurse/neues-fuer-das-skizzenbuch/

 

Weiter Lesen bei Tine:

Tine Klein spricht mit Felix Scheinberger: Teil 1

Tine spricht mit Felix Scheinberger

 

6 commentaires sur “Lonely Planet für Maler

  1. Liebe Tine, mir geht bei Deinen Worten mal wieder das Herz auf. Ja, das Ringen der „richtigen Künstler“ um „große Kunst“ – was für ein plattgelatschtes Klischee! Wollen wir da nicht lieber schlicht etwas tun, was das eigene Herz erfreut und der Seele wohl tut. Gern abseits und quer zu den ausgetretenen Pfaden. Da weiß ich doch, auf welche Seite ich mich schlage! Ganz herzlich, Elvira

  2. Liebe Tine!
    Mit großer Freude habe ich deinen Blogbeitrag gelesen und muss sagen: wie wahr!! Über das Zitat mit dem „Abmalen“ und „gegenständlicher, dekorativer Kunst“ habe ich mich königlich amüsiert! Alles, was du schreibst, kann ich nur bestätigen. Ich frage mich, warum das „Abmalen“ immer noch und immer wieder so einen schlechten Ruf hat? Wenn Sänger einen Song covern, dann ist das beileibe nicht so anrüchig wie das Abmalen berühmter Kunstwerke. Und wieviel wir davon lernen können…es ist wunderbar, auf den Spuren wahrer Könner zu wandeln und dabei zu lernen und immer besser zu werden. Auch deine Lonely Planets finde ich so schööön! Ich wohne in Wien und trotz der vielen Touristen, bald haben wir venezianische Zustände hier, finde ich immer wieder verträumte Gässchen und Plätze, an denen ich fast alleine bin und die nicht zutode fotografiert sind. Das ungooglebare Eckerl ist ein Segen! Ich finde, es sollte der Prozess des Malens vielmehr Beachtung finden als das Bewerten des Endergebnisses. Wie wahr, Malen ist Balsam für die Seele! Danke für deinen Blog, er ist eine OASE!!!
    Liebe Grüße
    Dodo

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