Graphic Novel – Grafische Reportage


Graphic Novel – Die Geschichte und das Bild


Am Sonntag bin ich im Gnadenthal und werde mit 20 Zeichnern eine graphische Reportage anfertigen. Wenn die graphische Reportage zum Buch wird oder eine ganze Geschichte erzählt, dann nennt man sie Graphic Novel.

Sequenz von Bildern, die ein Gefühl oder einen Ort vermitteln.

Das Prinzip der grafischen Novelle ist uns allen aus dem Comic bekannt. Comics kennt man ja noch aus der Jugend. Meine Mutter war immer höchst erzürnt, wenn Sie uns mit einer Mickymaus fand und dann donnerte sie:

“Lies lieber ein richtiges Buch!“


Grafic Novel mehr als ein Comis


Obwohl ich aus einer kulturellen Familie stamme in der uns auch die römischen oder griechischen Sagen vorgelesen wurden, habe ich sehr viel durch die Graphic Novel in der Mickymaus gelernt. Marco Polo und seine gesamte spannende Reise sind mir zuerst in einer Micky Maus begegnet.
Die grafische Reportage oder Graphic Novel hat also eine lange Tradition, doch im deutschsprachigen Raum wird sie jedoch ein wenig kümmerlich behandelt, denn in Zeitungen wird die grafische Reportage seit Jahrzehnten immer nur für den Witz des Tages eingesetzt und Comics sind für Kinder da.

Graphic Novel ist mehr als eine seichte Geschichte

Dabei kann man selbst mit kleinen Zeichnungen die Identität eines Ortes viel besser zeigen als nur mit ein paar Worten. Heute möchte ich euch die großartige Kunst eines Bekannten zeigen. Toni Santiago zeichnet mit wenigen Strichen seine Heimat. Seine Heimat ist wundervoll, Barcelona ist eine großartige Stadt, dennoch zeichnet Toni nicht das Bombastische sondern das Alltägliche, das Leben der Menschen. In seinen grafischen Reportagen findet man Kaffeetassen genauso wie Müllfahrzeuge, den Nachbarn und die Wäsche auf der Leine, gerade das macht es lebendig.

Toni Santiago,Anthonio Santiago Barcelona

This wonderful reportages are made by Toni Santiago http://tonisantiago.com

Im deutschsprachigen Raum haben viele Künstler und Journalisten noch überhaupt nicht begriffen, welch tiefes Potenzial in dieser Darstellungsform liegt.
Anders als ein Foto kann die grafische Novelle ganz weit greifen, sie kann Fiktion und Non Fiktion, Geschichte, Gegenwart und Fantasie sowie alles dazwischen sichtbar machen.
Das ist so viel mehr als nur eine Kindergeschichte.
Kulturell wird die Graphic Novel in unterschiedlichen Kulturen völlig anders genutzt. Weltweit merkt man die Macht dieser Geschichten, weil viele der Comics mittlerweile zu unseren modernen Märchen geworden sind. In der westlichen Welt gibt es wohl keinen mehr, der nicht die Marvel Universe (Thor, Avenger, Iron Man, …)  kennt.

Würde man eine Umfrage starten, so wäre Supermann wahrscheinlich deutlich bekannter als die deutsche Bundeskanzlerin oder der amerikanische Präsident.

Dieser Fakt macht ja wohl eindeutig klar, welche Macht Graphic Novel´s entwickeln können.
Tatsächlich ist dies aber nur ein kleiner Teil der Evolution des Comics, andere Kulturen haben sehr schnell begriffen, dass man über diese grafischen Reportagen viel besser Gefühle übertragen kann als mit Fotos.

Der entscheidende Unterschied zwischen einem Foto und einem gemalten Bild ist, das der Zeichner das Bild ganz deutlich aus seiner eigenen Perspektive zeigt.

Man wirft also den neutralen Standpunkt über Bord zu Gunsten einer sehr persönlichen Sicht.

Toni Santiago zeigt und dokumentiert schlicht seine Heimat:

Made by Toni Santiago

Wer schon mal in Barcelona war findet diese Zeichnungen köstlich, weil sie so unglaublich lebensecht sind.


Die stärke der Novel ist das Gefühl


Die Japaner zum Beispiel haben die Mangas dafür entdeckt viel schweinischere Fantasien auszuleben, fotografiert würden solche Fantasien sehr schnell abgrundtief würdelos.
Was die Japaner begriffen haben, ist das man durch den subjektiven Standpunkt Fantasie völlig grenzenlos ausleben kann ohne jemand anders zu schädigen.

Der Kern der grafischen Reportage ist und bleibt die ganz persönliche Sicht der Dinge.

Denn anders als im deutschsprachigen Raum, wo das Comic immer noch belächelt wird, hat man begriffen, dass man über grafische Reportagen persönliche Gefühle viel besser übertragen kann als durch neutrale oder reale Fotos.


Doch nur Märchen erzählen?


Doch die Graphic Novel hat sich insofern verändert, dass sie heute nicht mehr nur Märchen erzählt.

Die Bildergeschichte ist erwachsen geworden, den die Graphic Novel kann einfach alles erzählen.

Diese Geschichten sind nicht auf Fotos angewiesen, sie können alle Ebenen miteinander verbinden und auch Gedanken erzählen.
Gerade für richtig schwierige Themen ist dies unsagbar wichtig, Themen, die man sonst überhaupt nicht mit Bildern beschreiben kann oder die über die nicht gesprochen wird. Sei es in der Sexualität, sei es über Gewalt oder über traumatisierte Erfahrungen wie Kriminalität. Durch die grafische Reportage kann man ganz subjektive Standpunkte zeigen, man kann zeigen wie sich ein Opfer fühlt, man kann zeigen was einen Täter getrieben hat.

Gerade das Subjektive macht es möglich ganz neue und ganz andere Bilder zu erzeugen. Man findet nun immer mehr grafische Reportagen mit ernsthaften Inhalt und auch Klassiker der Weltliteratur, die als grafische Reportage umgesetzt werden. So wird das Kopfkino nicht nur durch das Wort angeregt, sondern auch durch das Bild.


Die Graphic Novel ist gutes und böses Kopf- Kino


Wer hätte sich denn schon vorstellen können, dass man in einem Comic über den Krieg berichtet?
Ich möchte euch nun mal an zwei Beispielen zeigen, wie ich über meine dunklen Gefühle mit Zeichnungen berichte. Vor ca. 15 Jahren ist ein Freund von mir, der Entwicklungshelfer, war mit einem Jeep über eine Tellermine gefahren. Meine Gefühle dazu habe ich unter dem Thema „Es ist angerichtet“ gezeichnet:

Tine Klein graphische Reportage zur Tellermine es ist angerichtet

Tine Klein „Es ist angerichtet!“

Teller und Tellerminen: Der Fakt das Kriege ausbrechen, weil Menschen nichts zum Essen haben machte mich total fertig, insbesondere deshalb, weil man den Luxus in dem man lebt nicht schätzt. Meine Gedanken habe ich durch das Bild Teller und Tellermine zum Ausdruck gebracht:

Tine Klein „Es ist angerichtet“

Graphische Zeichnungen sind sehr gut dazu geeignet selbst härteste Gefühle auszudrücken.

Mich machte der Fakt fertig das eine Tellermine weniger kostet als meine Pfanne!

Dazu findet ihr einen Link am Ende des Artikels. Es gibt einen Amerikaner Joe Sacco der seine Reportagen zeichnet. Diese Geschichten sind unglaublich eindringlich, weil sie Krieg aus einer ganz anderen Perspektive zeigen können als ein Foto.


Als Künstler von der grafischen Reportage lernen


Man muss nicht gleich in den Gazastreifen gehen um eine gute grafische Reportage zu zeichnen.

Eine Graphic Novel, also die Geschichte zeichnen zu wollen sorgt dafür, dass man sich ganz anders mit einem Ort auseinandersetzt.

 

….Das macht die Bilder meistens sehr viel wertvoller weil man etwas mitteilen will.


Das Ausdrucksvermögen schärfen


Zeichner, ob Anfänger oder Fortgeschrittene, sollten auf jeden Fall immer mal wieder spielerisch grafische Reportagen oder Graphic Novel zeichnen.
Der Grund dafür ist, dass diese Art des Zeichens das Ausdrucksvermögen unglaublich schärft. Die künstlerische Aussagekraft des Zeichners wird enorm gesteigert, weil er zielgerichtet sieht.

Der Zeichner beginnt Geschichten zu erzählen und begreift die Beziehungen der einzelnen Motive zueinander.

Diese intensive Beschäftigung führt dazu, dass der Zeichner das Motiv besser begreift und dadurch ein stärkeres Kunstwerk abliefert.

Grundsätzlich sieht die Arbeit in einer grafischen Reportage oder Grafik Novell genauso aus wie die Arbeit jedes Journalisten oder Künstlers. Man interessiert sich für ein Thema und entscheidet sich dann dafür einen bestimmten Aspekt oder ein bestimmtes Gefühl ganz deutlich herauszustellen.

Dabei kommt es wie in vielen Bildern weniger auf die Brillanz der Bildsprache an sondern einfach darum, das wann zeigt was man zu erlebten fühlt.


Die inneren Beziehungen sind das Wichtige


Bei der Graphic Novel oder grafischen Reportage geht es um Zusammenhänge und Beziehungen, dies prägt auch die Darstellungsform.

Zwischen den einzelnen Zeichnungen oder Bildern muss ganz deutliche Zusammenhänge geben. Die Bilder stärken sich untereinander.


Deshalb ist es wichtig eine Aufteilung für das Blatt zu finden in dem dieser Zusammenhang erzählerisch werden kann, dieser Fakt ist ja aus Comics weithin gehend bekannt. In Europa schreiben wir von links nach rechts.

Will man einen bestimmten Ablauf der Ereignisse zeigen, sollte man sich an die Lesegewohnheiten der Betrachter halten.

Geht es eher um die Stimmung eines Ortes so eignen sich auch Zeichen – Collagen.
Eine ziemlich einfache Methode um Ordnung und Harmonie auf dem Blatt zu erzeugen ist Klebeband. Denn Klebeband gibt den einzelnen Bildern untereinander immer wieder den gleichen Abstand und gibt damit auf ziemlich einfache Art und Weise einen Ordnungsrahmen.

Tipp: wer im Skizzenbuch arbeitet, hat für seine Bildergeschichten nicht unendlich viel Platz, deshalb sollte man stets auch nach schmalen Klebeband Ausschau halten.


Farbkomposition:


Für die Farbkomposition gilt das gleiche wie für die räumliche Aufteilung des Blattes, die Farbkomposition muss den Zusammenhang der einzelnen Bilder in der Geschichte stützen.
Wenn man an einer Geschichte arbeitet, ist es etwas anderes als wenn man an einem einzelnen Kunstwerk arbeitet. Wenn man ein Graphic Novel oder eine grafische Reportage erstellt, ist es sehr sinnvoll immer wieder in der gleichen Form und Farbensprache zu arbeiten. Das sieht man hier super bei Toni Santiago:

Toni Santiago Graphic Novel

 

Gemeinsamkeit ist Sinnvoll, denn jeder einzelne Skizze zum Thema ist ja Teil eines Gesamtkunstwerkes.

Wenn ihr nun zeichnet oder malt ist es ganz extrem wichtig sich ein wenig zu reduzieren. Wenn ihr nun zum Beispiel immer wieder mit den gleichen Stiften arbeitet oder mit den gleichen Farben, dann bekommt jeder der einzelnen Zeichnungen einen Zusammenhalt mit den anderen Grafiken und Darstellung.

Tipp: Zu beginn eine Design-Richtlinie festlegen

Eine andere Möglichkeit ist die Aufteilung in Großformat für wichtige Darstellungen, die dann auch gerne bunt sein dürfen und im Gegenzug für die kleinen oder nicht so wichtigen Darstellungen einfaches Material zu benutzen, wenn man sich nun auch schwarz-weiß beschränkt und ab und zu eine großformatige Skizze in Farbe hat, bewirkt dies den gleichen Zusammenhang.

Ein tolles Wochenende und hier ein paar super Links zu  wundervollen gezeichneten Geschichten:

http://tonisantiago.com

 

http://www.comicradioshow.com/Article3245.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Graphic_Novel
https://www.youtube.com/watch?v=uQsoTeA42Og

Bildentwurf das Auge lenken Teil 1

Blick zum Zürichsee Männedorf Tine Klein

Heute möchte ich euch mal einen kleinen schnellen Tipp für den Bildentwurf geben, es geht darum den Blick zu leiten.

Viele Mallehrer behandeln den Bildentwurf  oft sehr langweilig. Das Einzige was Schüler zu sehen bekommen, ist in der Regel der goldene Schnitt.

Der goldene Schnitt bewirkt Wunder, Bilder sehen gleich viel besser aus. Viele andere Harmonieregeln sind deutlich schwerer anzuwenden und haben beim Zeichnen und Malen nicht oft sofort Erfolg, aber wenn man sie erklärt, sind diese Entwurfsregeln für die Aussage von Bildern Gold wert.


Vive la tristesse!


Oft achtet man beim Motiv nur auf die Landschaft oder die Gebäude, alles dazwischen wird irgendwie zu Einöde. Straßen verwandeln sich in leere Landebahnen, Wiesen in leere grüne Flächen, dabei läuft man Gefahr, dass die Bilder immer wieder stereotyp werden.

Der Betrachter fühlt sich in solchen leeren Landschaften ein wenig verloren und das macht selbst großartig gemalte Bilder ein wenig kühl.

Man sieht ein Haus oder einen Baum, aber es ist so schwer eine Beziehung dazu aufzubauen.

Deshalb empfehle ich so oft wie möglich Lebendiges zu zeichnen. Wann immer man draußen sitzt und zeichnet, dann wird klar anscheinend bekommen nur Urban Sketcher und Hundebesitzer frische Luft, deshalb findet man in vielen meiner Bilder Hunde.

Die fleißigen Gassi-Gänger findet man überall verstreut in meinem Skizzenbuch. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich Lebendiges auf Vorrat male. Ich zeichne die Hunde oder Herrchen zuerst, denn das garantiert mir, dass ich mein Bild später nicht damit verderbe.


Es viele Methoden um den Bildentwurf zu beeinflussen


Schon oft habe ich mit euch darüber gesprochen, wie sinnvoll es ist Lebendiges in die Bilder einzubringen. Es ist wirklich simpel:

Lebendiges macht Bilder lebendig!

Die schon gemalten Menschen oder Tiere, sind für den Bildentwurf Gold wert, weil sie ein wenig Herzenswärme bringen, aber das ist bei weitem nicht alles, mit Lebendigem kann man den Blick des Betrachters in ein Bild hinein leiten.

Der Blick folgt Lebendigem viel leichter als tote Materie. Man schaut Menschen oder Lebendigem einfach hinterher.

Auch Augen sind etwas magisches, wenn einem etwas aus einem Bild anschaut, dann schaut man sofort dorthin.


Den Blick leiten


Dabei ist mir der folgende Effekt aufgefallen, ein Bild verändert sich völlig, wenn es Figuren im Vordergrund gibt. Achtet beim Betrachten bitte mal ganz genau wohin und wie Eure Augen wandern.

Tutorial das Auge leiten Aquarell von Tine Klein für Aquarell, Skizzenbuch,

Und? Fällt euch etwas auf? Man betrachtet das Bild anders.

Beim ersten Bild flitzt das Auge direkt dorthin wo das Motiv  und die stärksten Farbkontraste sind. Unser Gehirn hält sich nicht mit Unwichtigem auf und so ist es Bild zwar hübsch, aber das Auge hat relativ wenig Verweilzeit auf es.

Tatsächlich wandert das Auge beim zweiten Bild über das Blatt, während sich der Blick beim ersten Bild kurz irgendwo bei dem großen weißen Haus festsaugt.

Kurz gesagt, der Blick wird durch den Hund deutlich gelenkt

Halten wir mal kurz fest was passiert:

  • Das erste Bild ist viel ruhiger, es wirkt nicht leer, weil der Vordergrund gestaltet ist. Das Bild hat eine ruhige und stille Aussage.
  • Das zweite Bild wird lebendiger, aber auch unruhiger, das Auge des Betrachters wandert über das Bild hin und her.

Der beschriebene Effekt ist keine Regel, es ist aber gut zu wissen, was passiert wenn!

Den Effekt des Blickwinkels kann man noch viel stärker ausprägen. Lässt man Gruppen von Menschen eine Straße entlang gehen, dann folgt das Auge zwangsläufig. Mit diesen Augenmagneten kann man den Betrachter regelrecht zwingen dorthin zu schauen, wo wir es wollen.

Tutorial das Auge leiten Aquarell von Tine Klein für Aquarell, Skizzenbuch, Mallerei Zürich, Alststadt, Großmünster

Bei dieser Skizze sieht man den Effekt ganz eindeutig, die Menschen führen auf die Kirche zu und sie schauen hinauf zum Kirchturm und so folgt unser Blick ganz automatisch.


Der Blick eine Brücke für das Auge


Besonders gut ist der Effekt, wenn man zielgenau auf sein Motiv hin leitet. Beim Grossmünster in Zürich habe ich nach dieser Methode gearbeitet: „Ganz nach dem Motto alle Wege führen nach Rom „

Die Figuren bilden also eine Brücke für den Blick.

Der Effekt funktioniert übrigens nicht nur bei Lebendigem, wer sich noch nicht traut, kann auch ganz wunderbar durch einfach Objekte in ein Bild hineinführen.

Dazu eignen sich wunderbar Laternen, Pfosten, Zäune oder auch ganz einfach der Straßenrand.

Diesen Effekt im Bild können also Anfänger wie Fortgeschrittene ganz wunderbar benutzen.

Ganz herzliche Grüße wünscht Tine aus dem Herz der Kunst

Achtung coole Veranstaltung im Aargau:

Wir haben eine Schnitzeljagt mit Skizzenbuch vorbereitet: Urcoole Motive an der Reuss vom Schwein bis zur Orgel alles wird für uns geöffnet:

http://www.reusspark.ch/files/inhalte/reusspark/Veranstaltungen/2018_07_Skizzen.pdf

Wenn ihr noch Lust hat ein wenig weiterzulesen, dann empfehle ich euch den folgenden Blog: Vordergrund macht Bildgesund

Oder mal ein ganz anderer Bildentwurf das Wimmelbild:

https://blog-herz-der-kunst.ch/das-wimmelbild-fuers-skizzenbuch/

Farbiges Papier, Tipps und Tricks

Tine Klein Gouache auf dunklem Papier


Heiße Nächte und farbiges Papier


Farbiges Papier ist toll! Wenn helles Licht auf blauer Nacht funkelt, dann verwandelt sich die Stadt in eine romantische Zauberwelt, blöd ist nur, dass das extrem schwer zu aquarellieren ist. Auf farbigen Papier kann man solche Stimmungen jedoch sehr einfach einfangen. Vielleicht ist dies der Grund dass in letzter Zeit immer mehr farbiges Papier auf den Markt kommt. Letzte Woche habe ich euch ja schon weiße Tinte vorgestellt, die man ganz wunderbar auf sehr dunklem Papier benutzen kann.

Die Zeichnung auf farbigen Papier, werden in der Regel viel beeindruckender als die Zeichnung auf normalem Papier.

Einfach weil diese Zeichnungen nicht alltäglich sind. Vieles verhält sich auf dunklem Papier völlig anders als auf weißem Papier, dies bringt den Zeichner oder Maler völlig aus dem Takt, denn er muss verstärkt völlig umgekehrt denken. Auf dunklem Papier muss alles betont werden was hell ist. Auf hellem Papier arbeitet man verstärkt mit Dunkelheit. Beides ist natürlich gleich gut, aber aus meiner Erfahrung heraus weiß ich, dass Kreative immer dann besser sind wenn sie nicht im Alltagstrott gefangen sind.

Deshalb sind Zeichnungen auf dunklem Papier oft absolut beeindruckend, weil sie unsere Gewohnheiten auf den Kopf stellen.


Von der Verarbeitung bis zum Einkauf


Damit du das richtige Papier einkaufen kannst,brauchst du zuerst ein paar Informationen über die Verarbeitung. Die wichtigste Information ist das man logischerweise auf dunklem Papier mit sehr hellen Farben malt, ist das Papier also nur ein bisschen dunkel, im Sinne von ein bisschen schwanger, dann wirken die Kontraste nicht wirklich gut.

Viele Zeichnungen und Bilder wirken deshalb auf sehr dunklem Papier besonders gut.

Die Dunkelheit bringt die Farben zum Strahlen

Arbeitet man auf dunklem Papier sind dafür besonders Pastellfarben oder Gouache geeignet.

Eine andere Variante ist das man ein Papier wählt, das einen absolut mittleren Farbton hat, dann kann man ganz wunderbar mit hell und dunkel auf dem Papier arbeiten, muss aber darauf achten, dass man wirklich etwas von dem Papier stehen lässt.In diesem Fall kann man ganz besonders gut mit schwarzen und weißen Markern sehr eindrucksvolle Arbeiten erstellen.

Fazit: Farbiges Papier sollte einen sehr dunklen oder absolut mittleren Farbton haben.


Der Einkauf


Du wirst relativ leicht Papier finden das zum Zeichnen geeignet ist, es gibt eine ganze Menge Skizzenbücher mit farbigen Papier. Dennoch ist farbiges Papier einkaufen nicht besonders leicht, denn die Auswahl in den jeweiligen Kunstgeschäften ist nicht groß.

Besonders aufpassen muss man in Bastelgeschäften, denn diese sind eher auf das Kunstmaterial für Kinder eingerichtet und sie achten nicht darauf, ob Papiere mit Säure angereichert wurden. Gerade bei den braunen Papieren, die aussehen wie Packpapier, gibt es enorm viele die einen Säuregehalt haben. Die Kunst auf diesem Papier sieht absolut wundervoll aus, jedoch zersetzt die Säure die Farbe nach und nach. Du solltest deshalb im Kunstgeschäft auf jeden Fall darauf bestehen, dass die Papiere säurefrei sind.

Säurefrei muss auch farbiges Papier sein

Am leichtesten wirst du fündig werden, wenn du nach Pastellpapier fragst. Es gibt einige Pastellpapiere die so schwer sind, dass man auf ihnen auch mit feuchten Farben malen kann.


 

Zwei Lieblingspapiere und eine preiswerte Lösung:


  •  Dorée Pastellblock 170 gr/Quadratmeter. Der Block hat ein sehr schönes warmes Packpapier-Braun.  Besonders schön ist, dass zwischen den einzelnen Seiten gewachstes Transparentpapier ist, deshalb kann man auch wunderbar mit Kohle, Kreiden oder Pigmenten arbeiten.
  • Daler Rowney, Ingress Pastell, 160 gr/Quadratmeter. Das tolle an diesem Skizzenblock ist, dass man ihn in sehr unterschiedlichen Farbmischungen bekommt. Man bekommt das Papier in warmen Farben, kalten Farben und in einer sehr dunklen Farbmischung. Weil man dieses Papier in sehr unterschiedlichen Farben bekommt, kann man an ihm optimal ausprobieren, welche Wirkungen man mit Papier erzielen kann
  • Die preiswerte Lösung zum Ausprobieren von farbigen Papier ist Tonpapier. Anders als die farbigen Mischungen die man bei Künstlerpapier bekommt, sind diese Papiere oft sehr schrill, denn sie sind für Kinder gedacht. Arbeitet man auf ihnen mit Gouache, kann man jedoch enorm schöne Resultate erzielen. Ich arbeite auf dem Boesner Fotokarton, dieser hat ein Gewicht von 300 gr/Quadratmeter und erlaubt mir auch mit sehr nasser Farbe zu arbeiten. Wer das Arbeiten auf farbigen Papier ausprobieren möchte, ist sicher mit dieser preiswerten Variante am besten beraten.

Farbauswahl


Die Farbauswahl ist wie immer Geschmackssache. Jedoch habe ich mit einem gewissen Vergnügen beobachtet, dass all meine Malschüler solches Papier immer in den Farben einkaufen in denen sie ohnehin malen.

Tine Klein Gouache auf dunklem Papier

Der Untergrund des farbigen Papiers soll natürlich durch die Farbe durchblitzen, die Folge ist das die Zeichnungen oder Malereien am besten aussehen, wenn das Papier eine harmonische Kontrastfarbe zum Kunstwerk hat.


Farbiges Papier braucht deckende Farbe


Wer  gerne mit Aquarellfarben arbeitet, weiß Aquarellfarben sehen am schönsten aus, wenn sie transparent sind. Farbiges Papier braucht allerdings anderes Material. Wenn du farbiges Papier benutzt, ist deckende Farbe besonders wichtig, denn ist die Farbe transparent mischt sie sich mit dem Untergrundfarbton und Orange wird zum Beispiel auf blauem Papier grau. Auch weiße Marker oder Stifte sehen überhaupt nicht hübsch aus, wenn das weiß nicht strahlt. Wenn man farbiges Papier benutzt, ist das A und O dass man richtig pigmentstarke Materialien benutzt. Wie weiße Tinte auf dunklem Papier wirkt, könnt ihr euch in dem Blog von letzter Woche anschauen. Besonders gut funktionieren deckende Acryl-Tinten. Wer lieber malt, ist gut beraten auf deckendes Material umzusteigen. Pastellstifte oder auch deckende Aquarellstifte sehen auf dem dunklem Papier zauberhaft aus.

Besonders gut wirken Gouachefarben auf dem dunklen Papier. So bringt sich farbiges Papier und die Gouachefarbe gegenseitig zum Strahlen.

Das Vorurteil, dass Goachefarbe matt und farblos ist, erledigt sich bei sehr dunklem Papier sofort.

Hier siehst du ein Gouache Bild das ich in der Altstadt  von Malaga auf dunkelbraunem Papier gemalt habe. Gerade wenn ich im Süden bin ist, es sehr schwer die Stimmung bei Nacht mit Aquarell zu zeigen. Die Farbe wurde in unkompliziertenrTrockentechnik bei einem gemütlichem Tapasessen gemalt, wie das geht, dazu gibt es demnächst einen Blog.

Tine Klein Gouache auf dunklem Papier

 

Verwendet habe ich reine Gouchefarben von Schmincke und mein farbiges Skizzenbuch von Dawler Rowney.

Liebe Grüße ins Wochenende

Tine

P.S.: Leider hat der Blog schon vor einiger Zeit alle Abonnenten verloren, weil WordPress wegen der EU-Datenschutzverordnung alle Abonnenten löschte, deshalb einfach nochmal oben anmelden!

Wer noch mehr zum Thema lesen möchte:

Gouache super auf farbigem Papier 

https://blog-herz-der-kunst.ch/weisse-tinte-im-skizzenbuch/

 

Silhouette malen und die verborgene Stadt

Tine Klein Silhouette von Düsseldorf

Eine Silhouette malen ist eine Aufgabe, denn die Übersicht behalten, ist keine leichte Aufgabe. Oft gibt es Hunderte von Häusern und Details zu sehen.

Was davon soll man malen?

Noch schwerer wird es, wenn man sich die Silhouette anschaut, während man sich ein wenig bewegt,  denn dann tauschen die Teile der Silhouette plötzlich die Plätze, weil man sie perspektivisch anders sieht.


Was soll ich malen?


Das ist die häufigste Frage im Malunterricht. Die Antwort auf diese Frage kommt aus einer ganz anderen Disziplin, dem Städtebau. Tatsache ist, dass man, wenn man nicht die Supersicht des Malens hat, nicht die ganze Stadt sieht und dies kann die Probleme, die wir bei der Malerei haben, einfach lösen. In diesem Artikel geht es um die unsichtbare Stadt. Gerade beim Malen der Silhouette wird diese Erkenntnis besonders hilfreich.


Die unsichtbare Stadtsilhouette


Ich möchte euch heute mit einem Phänomen bekannt machen, das viele Menschen beim Malen verunsichert.

Es gibt eine unsichtbare Stadt.

Als junge Frau bekam ich die Aufgabe eine Stadt im Ruhrgebiet zu kartieren, diese Stadt hatte enorme strukturelle Probleme und man wollte herausfinden, welche Häuser man dem Strukturwandel opfern könne. Es ging also nicht darum eine genaue Karte zu malen, sondern eine Karte der Highlights. Wir wollten die Bürger nicht mit Fragen beeinflussen und so entwarfen wir ein Experiment.
Wir liefen mit Klemmbrettern bewaffnet durch die betroffene Gegend und baten die Bürger aus dem Kopf die Gegend zu malen.


Man sieht nur, was einem wichtig ist


Das Ergebnis war überraschend bis erschreckend, hunderte von Bürgern zeichneten die Umgebung und die Ergebnisse waren fast identisch. Dabei stellten wir fest, es gibt eine sichtbare und eine unsichtbare Stadt. Einige Gebäude wurden von allen Bürgern ignoriert, sie waren unsichtbar. Diese Gebäude waren nur für Menschen sichtbar, die dort wohnten oder arbeiteten.

Sichtbar ist fast nur was auffällt oder was dem Betrachter wichtig ist

Besonders wichtig waren auffällige Gebäude oder Gebäude mit denen die Menschen kulturell oder geschichtlich verbunden waren. Ärger oder Freude über ein Gebäude machte es auf der inneren Landkarte der Menschen sichtbar.

Keiner der befragten Männer vergaß die Brauerei zu malen! Bei Frauen könnte sie durchaus fehlen.

Die Realität sah also so aus, dass die Stadt in der Wahrnehmung der Bürger völlig anders war als in der gebauten Realität der Stadt.


Innere Landkarte: Eine Technik für Maler und Zeichner


Beim Malen kann man sich dies wunderbar zu nutze machen.
Man kann  Zeichnen und Malen dazu benutzen Verborgenes zu entdecken und das macht einen großen Teil des Charmes des Urban Sketchings aus.

Der Zeichner wird zum Marco Polo und zum Entdecker der eigenen Umwelt.

 

Wer Zeichnen oder Malen lernt, entwickelt einen Röntgenblick, alles wird wichtig.


Durch Zeichnen zum echten Blick zurückkehren


Dieser Röntgenblick ist wundervoll, kann aber Bilder zerstören, denn er zeigt nicht die wahrgenommene Realität. Obwohl das Gezeichnete die Realität exakt abbildet, ist es in irgendeiner Art eine Lüge, denn es zeigt nicht das was Menschen wirklich sehen und empfinden.
Diese Tatsache ist enorm hilfreich, wenn es darum geht eine Zeichnung zu entwerfen. Schon ganz am Anfang muss man entscheiden was man will, eine Abbildung der gebauten Realität oder  ein genaues und wahres Abbild des eigenen Blicks.

Oft sind Bilder die die Wahrnehmung zeigen sehr viel erfolgreicher als die genauen Bilder, denn der Künstler zeigt, was er sieht und das teilt er mit vielen anderen Menschen.  Denn die Anderen sehen die Stadt möglicherweise genauso, wie der vermeintliche Lügner am Zeichenstift.

 

Besonders wichtig wird diese Tatsache, wenn man zum Beispiel auf eine Stadtsillhouette schaut, wo es so unglaublich viele Dinge zusehen gibt, dass man sie nicht malen kann.


Was sieht das innere Auge?


Eine sehr einfache Technik bringt Abhilfe. Nach dem du dir dein Motiv recht kurz angesehen hast, malst du es aus der Erinnerung.Es funktioniert nur wenn du dich wirklich umdrehst und nicht auf das Motiv schaust.

Alles an das Du dich erinnerst, ohne das Motiv zu sehen ist wirklich in deinem Kopf angekommen.

Wenn ich von meinem Platz am Rhein auf Düsseldorf schaue, dann sehe ich den Rhein, die Brücke und den Fernsehturm. Erstaunlicherweise erinnere ich noch die schönen Alleen, bevor ich mich an die Hochhäuser die Schaltzentralen der Macht erinnere.

Am Deutlichsten sehe ich aber die Altstadt, obwohl die von meinem Standort gesehen am Kleinsten ist. Mein Hirn sieht dort Dinge, die ich liebe, deshalb entwickelt sich in mir ein Symbol für die Altstadt.


Mind Mapping…malen was man wirklich sieht


Mind Mapping; ich male wenn es angebracht ist nur an was ich mich erinnere.

Tatsächlich schließe ich oft beim entwerfen meine Augen! Was für eine Frechheit!

Wenn ich mich nun wieder öffne, dann kann mich die Realität nicht mehr überwältigen, ich weiß haargenau, wie für das dritte Auge die sichtbare Stadt aussieht.

Was unsichtbar ist darf unsichtbar bleiben.

Diese Bilder sind für die meisten Menschen viel erkennbarer, denn sie zeigen das was Menschen sehen, die sichtbare Stadt.

In drei Schritten zum Mind Mapping in der Malerei:
Schritt eins: Worum geht’s? Düsseldorf, Silhouette und der Rhein
Schritt zwei: Schlüsselerinnerungen finden: An welche Häuser oder Gegenstände erinnere ich mich?  Brücke, Rhein, Hochhäuser und Fernsehturm und die wunderbaren Alleen
Schritt 3: Oberbegriffe finden: Altstadt
Schritt 4: Verfeinern, welche Details sind wichtig um das Gesamtbild zu stützen?

Tatsächlich möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass das haargenaue Abzeichnen eines Ortes nicht schlecht ist. Dieser Artikel soll nur die Augen öffnen, das es völlig gleichberechtigt nebeneinander mindestens 2 Realitäten gibt.

 

Liebe Grüsse,
Tine

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