Granulierende Aquarellfarben

Tine Klein Tutorial granulierende Farben

Granulierende Aquarellfarben sind Farben, die nicht gleichmäßig trocknen.

Beim Trocknen bilden sich Krümelchen, Flecken und winzige Strukturen. Jahrelang war dies verpönt, und die Farbfirmen haben verzweifelt versucht, den Farben ihren eigenen Willen abzugewöhnen.

Granulierende Aquarellfarben-Fluch und Segen:

Die meisten Leute wissen gar nicht, dass es granulierende Aquarellfarben gibt,  und deshalb lernen die meisten granulierende Farben per Unfall kennen.

Der Trend ist noch nicht so alt. Lange wurden granulierende Aquarellfarben auf den Verpackungen überhaupt nicht markiert, und dies führte zu ganz zauberhaften Situationen im Atelier.

Aufmerksam wurde ich auf granulierende Aquarellfarben auf die unelegante Art. Im Atelier stand eine  winzige, ältere Frau, die im Licht ganz elegant und zart ausschaute. Sie  begann einen wunderschönen Himmel zu aquarellieren. Und dann donnerte sie mit einer Stimme, die einem Kriegsgottin würdig gewesen wäre, los:

„Verfluchte, narrische, DRECKS -KACKE!!!!!!!!!!!!! Himmel, ARSCH und Zwirn! XXXXX“

Ich sag euch, da hab ich noch ein paar ganz feinfühlige Flüche gelernt! Die Frau rastete regelrecht aus. Was war passiert? Sie hatte auf unglaublich teurem handgeschöpften Papier einen grauen Winterhimmel gemalt und nun krümelte die Farbe. Der Himmel sah aus wie ungepflegter Asphalt. Fassungslos starrte die Frau auf das teuere, ruinierte Papier und sah dabei aus wie ein misslaunige Figur aus dem Herrn der Ringe.

Granulierende Farben-wunderschön!

Tine Klein tutorial granulierende Farben

Meine erste Erfahrung mit granulierenden Farben war allerdings wunderbar. Deshalb schrecke ich auch nicht vor granulierenden Himmeln zurück.

Ich hatte von  Potterpink ein zartes Altrosa geschenkt bekommen und ein dunkles Lila von  Daniel Smith Moon Glow. Dazu hatte ich noch Caput Mortum im Kasten, diese Farbe granuliert ebenfalls. Per Zufall benutzte ich die drei Farben und alte Architektur sieht damit wunderbar morbide aus.

Hier granuliert das Potterspink.

 

Tolle Effekte, wenn man weiß wie!

Granulierende Farben sind Farben mit starkem Eigenwillen. Wie du jetzt sicher schon mitbekommen hast, kommt es bei granulierenden Farben stark darauf an, was man mit ihnen macht. Damit die Farben toll werden, muss man allerdings einige Tricks beachten.

Grundwissen granulierende Aquarellfarben:

Meines Wissens granulieren nicht alle Farben. Es gibt im Prinzip nur drei verschiedene Gruppen von granulierenden Aquarellfarben:

  • Erdtöne
  • Blautöne
  • Schwarz

Allerdings granulieren auch alle Mischfarben, es gibt Rottöne, die Erdtöne enthalten, wie zum Beispiel Caput Mortum, aber auch Grüntöne, ich vermute, dass dort das Blau granuliert.

Wenn man sich also granulierende Aquarellfarben anschafft, braucht man sich gar nicht viele Töne zu kaufen. Denn die granulierenden Töne sind sich oft recht ähnlich, insbesondere die Unterschiede in den Naturtönen sind Minimal!

Welche Motive sind am besten?

Granulierende Aquarellfarben bilden beim Vermalen kleine Pünktchen und Flecken.

Daran scheiden sich die Geister, die einen findet dies wirklich scheußlich, weil man mit ihnen keine ordentliche Oberfläche erstellen kann. Die anderen lieben diese Farben, weil natürliche Dinge mit ihnen wirklich natürlich aussehen. Alles, was nicht ganz glatt sein soll, erhält durch die granulierenden Aquarellfarben eine feine Lebendigkeit. Rostiges und Altes sieht großartig aus.

Zauberhaft wirken sie bei älteren Häusern, hier fangen sie den Charme der Antike ein. Ich finde die Farben auch großartig, um einen regnerischen Himmel darzustellen.

 

Am einfachsten kann man sich an granulierende Aquarellfarben herantasten, wenn man sie für Motive benutzt, die an sich schon strukturiert sind.

Im Gegensatz dazu eignen sich granulierende Farben überhaupt nicht für zarte, klare und schimmernde Objekte. Ein absolut transparenter, babyblauer Himmel würde granulierend sehr merkwürdig aussehen, es sei denn es ist ein Sturmhimmel.

Granulierende Farben sind  die Charakterdarsteller unter den Farben.

Überall dort,  wo es um Ausdrucksstärke, starke Effekte und strukturierte Oberflächen geht, dort spielen die Farben ihre Möglichkeiten aus. Wenn man die Farben dort einsetzt, wird man tolle Effekte erzeugen.

Doch es gibt Ausnahmen. Wenn man im Netz unterwegs ist,  wird man meistens von den Unfällen mit granulierenden Farben lesen. Dann heißt es schnell, mit granulierenden Farben kann man keinen Himmel malen.

Dies stimmt sicherlich, wenn man an dieser Stelle keine granulierende  Farbe benutzen wollte. Malt man allerdings ein gesamtes Bild konsequent in granulierenden Farben, dann stellt sich ein ganz anderer ausdrucksstarker Effekt ein, die Bilder bekommen etwas Impressionistisches. Obwohl der Maler nur in großen Flächen gemalt hat, wirkt das Bild, als sei es aus Licht- und Schattenpunkten zusammengesetzt. Diese Bilder wirken enorm ausdrucksstark und erinnern an die Punktetechnik der frühen Impressionisten.

Wie verarbeitet man granulierende Aquarellfarben?

Generell verarbeitet man granulierende Aquarellfarben lasierend. Der Effekt der Granulationen entsteht dadurch, dass kleine Pigmentflöckchen in der Farbe schwimmen.

Verarbeitet man die Farbe zu dicht, kann die Farbe nicht selbst arbeiten, und man sieht den Effekt gar nicht.

Die Pigmente wollen schwimmen.

Am besten sehen granulierende Farben aus, wenn man sie direkt auf dem Blatt mischt, dann entstehen spektakuläre Farb- und Struktureffekte. Das seht ihr hier.

Also merke:

Selbst deckende granulierende Farben brauchen mehr Wasser als gewöhnlich, denn sonst entsteht nicht der körnige Effekt.

Das Papier ist ausschlaggebend!

Granulierende Farben verhalten sich auf Papier sehr unterschiedlich.

Die Granulation entsteht dadurch, dass die schwimmenden Pigmente sich beim Trocknen verklumpen. Wie krass man es mag, ist eine  Geschmacksfrage.

Der Effekt verstärkt sich auf rauem Papier, denn dann sinken die Pigmente in die Löcher des Papiers.

Glattes Papier granuliert zarter.

 

Alle Papiere, die  für Nass in Nass geeignet sind,  eignen sich auch für granulierende Farben. Saugt das Papier stark, braucht man mehr Wasser.

Generell brauchen granulierende Farben ihr Feuchtbiotop. Nass-Techniken eignen sind auch gut für granulierende Aquarellfarben, ein hoher Baumwollanteil ist vorteilhaft.

Auf heißgepressten Papieren können sich Pigmentwolken oder Risse bilden, das sieht nicht gut aus.

Wunderschön oder scheußlich?

Ob die Farben wunderschön wirken, liegt im Wesentlichen daran, wie sehr man sich auf die Farbe einlässt. Unbedacht können diese Farben grob und hässlich wirken.

Jeder, der diese Farben benutzt, muss sich bewusst auf diese Farben einlassen und auch den Malstil anpassen. Wer noch mit normalen Aquarellfarben kämpft, wird es mit diesen Farben noch schwerer haben.

Ich empfehle, die Farben zu isolieren, ich habe im Farbkasten eine eigene Ecke für die granulierenden Farben. So kann ich nicht vergessen, welche Farbe es ist, und erlebe dann auch keine ungeplanten Überraschungen.

Fazit:

Persönlich finde ich granulierende Aquarellfarben wundervoll. Dennoch dauert es einige Zeit, bis man die Farben perfekt beherrscht. Ich empfehle dir, die Farben zu testen. Überlege, wo sich der granulierende Effekt in deinen Malstil gut integriert, und dann sammele Erfahrungen.

Zusätzliche 28 granulierende Farben sind zwar toll, aber unnötig. 28 neue Farben dürften jeden Maler verwirren, dabei behält man nicht den Überblick.

Welche solltest du kaufen?

Ich habe die granulierenden Farben an die Farben angelehnt, an die ich selbst am liebsten benutze.

Oft habe ich zweimal dieselbe Farbe im Kasten. Die eine granulierend, die andere ohne Effekt. Warum?

Zum einen passt die granulierende Farbe dann zu meinen normalen Farben, das ist weniger verwirrend. Ich weiß also, wie diese Farbe aussieht, sie granuliert aber.

Ich habe zum Beispiel Ultramarin feinst und Franz. Ultramarin (granulierend) im Kasten.

Ultramarin feinst zaubert mir schöne klare Himmel.

Französisch Ultramarin granuliert stark. Aus dieser Farbe mische ich Schattentöne für Straßen, der Effekt von Asphalt ergibt sich von selbst.

Ich benutze die granulierenden Farben viel und gerne. Meistens für natürliche Dinge, neben dem Ultramarin habe ich meist granulierende Naturtöne im Kasten. Für grobe Strukturen, Sandiges, Erdiges oder Mauerwerk.

Braun wirkt granulierend oft phantastisch, denn kein Baumstamm ist glatt.

Ich benutze:

  • Mahagoniebraun  und Umbra für Holziges, Erdiges und Steine
  • Franz.Ultramarin und Violett als Basis für Schatten
  • Und Caput Mortum für morbide Dächer, aber Vorsicht, diese Farbe ist Waffenschein pflichtig.
  • Potterspink – ein müdes Rosa Macht sich gut in Landsschaft und Häusern
  • Türkis als Hingucker

Liebe Grüße Tine

Ich wünsche euch viel Freude mit dem Basiswissen über granulierende Farben.




 

 

 

 

 

Kleiner Guide für leuchtende Aquarellfarbe

Weiterlesen beim Gegenteil:

https://blog.herz-der-kunst.ch/kleiner-guide-fuer-leuchtende-aquarellfarbe/

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Malerei, das Spiel mit harten und weichen Kanten

Die Malerei und die Freude am Sehen

Hallo, ich freu mich, dass du da bist. Wie schön, dass du diesen Artikel lesen möchtest, denn es wird sich lohnen. Mache es dir gemütlich, ich sitze hier mit einem dicken Pott Kaffee bei guter Musik zwischen meinen Pflanzen und möchte mit dir über das Sehen plaudern.
 
Malerei versucht, Dinge sichtbar zu machen.
 
Das gilt für Visuelles, aber genauso gut für Gefühle. Damit man diese Dinge sichtbar machen kann, braucht man in der Malerei Techniken.
 
Die harte Kante hat eine große Macht, denn sie ist eine Grenzlinie, deshalb macht sie Dinge deutlich und sie verstärkt Kontraste.  Das gilt für Visuelles, aber genauso gut für Gefühle. 
Die harte Kante begrenzt, umrahmt oder sendet ein Stop-Signal. Insbesondere schärft sie den Blick.
 
Dieses Spiel beruht darauf, dass unser Auge zwei verschiedene Rezeptoren hat. Die einen Sinneszellen sind für Hell und Dunkel da, diese nennt man Stäbchen. Die Zapfen hingegen überprüfen die Wellenlänge. Zapfen wie Stäbchen sind keine absolut genauen Messinstrumente, die nach einer Skala arbeiten, nein, der Mensch ist keine Maschine.

Zapfen und Stäbchen

Zapfen wie Stäbchen arbeiten nach einer Art Vergleichsmaßstab. Um dir das für die Malerei bewusst zu machen, bedenke also,  dass unser Auge Kontraste braucht.
 
Kontrast und Kante sind zwei Dinge, die sich verstärken, weil sie den Vergleich vereinfachen.
 
Am stärksten schaut das Auge hin, wenn ich starke Abwechslung von Kontrasten habe. Hell und dunkel und  die verschiedenen farbigen Kontraste sehen das Auge an.
 
Bei starken Kontrasten kann das Auge einfach nicht anders, dann benimmt sich das Auge wie meine Katze Gini, wenn wir ein Hühnchen vom Grillwagen geholt haben. Sie rastet völlig aus, sie hängt an der Einkaufstüte, wenn man sie dann genervt aus der Küche aussperrt, rast sie gegen die Glastür, alles egal, selbst mit dem Kopf durch die Wand.
 
Möchtest du also, dass deine Betrachter sabbernd und hemmungslos auf deine Bilder gucken, brauchst du harte Kanten. Du hast sicher längst begriffen, dass die Kombination die Arbeit von Zapfen und Stäbchen erheblich erleichtert.
Die Kante ist als so etwas wie ein Geschmacksverstärker für das Auge.
 
Farben gehen nicht sanft ineinander über, sondern sie stehen sich scharf abgegrenzt gegenüber.

Die harte Kante

Schau mal hier:

Wo guckst du hin? Auf die Kirche und auf das Riesenrad?

Betrachte dir mal die Kanten an der Kirche. Scharfe Kante plus großer Kontrast und schon hab ich dein Auge im Griff, wie meine Katze mit dem Hühnchen-Duft.

Dies siehst du in unteren Bild, durch die gestochen scharfen Kanten, an denen sich Licht und Farbkontraste treffen, werden die Dächer sehr gut sichtbar. Man kann die Perspektive gut wahrnehmen.  Das Auge klebt an den Dächern wie meine Katze an der Küchentür.

 

Basel urban sketching. Die Malerei macht Dinge sichtbar. In diesem Tutorial verrät Tine, wie man in der Malerei das Auge mit harten und weichen Kanten steuern kann.

Schauen wir mal genauer hin. Ich möchte, dass der Betrachter die wunderbaren Dächer der uralten Häuser wahrnimmt. Achte einmal auf das große orange Dach im Kasten. Der Kontrast zwischen dem Schatten und dem leuchtenden Orange des Daches ist sehr hoch, deswegen lechzt das Auge danach. Verstärkt wird der Effekt noch durch die Streifen auf dem Dach. Mir waren die Dächer wichtig und deshalb mache ich den Kontrast im unteren Bereich der Hauswand etwas weicher. So steuere ich, dass das Auge wirklich auf dem Dach bleibt.

Die gute Nachricht ist, harte Kanten kann man sehr einfach erzeugen. Wenn feuchte Farbe trocknet, wirken in der Farbe Adhäsionskräfte. Auf trockenem Papier entstehen automatisch harte Kanten, mit Stiften, Acryl, Gouache oder Ölfarbe ist dies noch einfacher, denn man muss einfach nur Farben aneinanderstoßen lassen.

Do´s und Don´ts bei der harten Kante

Do´s:

• Farbkontraste aneinander stoßen lassen

• Hell und Dunkel aufeinander stoßen lassen

• scharfe, saubere Linien

Harte Kante, Don ´t 1:

• verboten ist “Wischi-Waschi“!

Was bedeutet das? Viele von uns haben Angst vor harten Kontrasten und dunklen Farben. Deshalb verwuscheln sie gerne eine Kante, damit sie etwas weicher wirkt, genau das verdirbt die Bilder. Harte Kante heißt auch wirklich harte Kante.

Gib dir die Kante!

Im ersten Moment wirst du dich erschrecken, denn der Kontrast sieht plötzlich durch die Kante unglaublich stark aus. Jetzt ausatmen und aushalten!

Malerei heißt steuern

Relativ schnell wirst du feststellen, dass Farben durch harte Kanten völlig anders aussehen. Eine leuchtende Farbe wird durch eine harte, dunkle Kante strahlend.
 
Warum passiert dies? Das Auge erhält nun eine ganz klare Aussage. Deswegen nimmt es Farben völlig anders wahr.
 
Du wirst feststellen, dass das Arbeiten mit harten Kanten es oft notwendig macht, die Farbgebung eines Bildes noch einmal zu überarbeiten. Denn einige Farben werden plötzlich grell, andere Farben wirken plötzlich blass.

In diesem Moment hast du sozusagen den Regler gefunden, mit dem du das Auge steuerst.

Don´t 2:

Ungeplante harte Kanten. Was passiert? Ich schleiche mich aus der Küche und die Katze folgt mir sofort, sie klebt verzweifelt an meinem Bein. Das war nicht geplant!

Malerei heißt: Das Auge steuern.

Erzeugst du ungeplant harte Kanten, wird das Auge sofort aus dem Motiv gerissen.

Dies passiert leider viel einfacher als gedacht. Einer der häufigsten Fehler ist, dass man am Rand des Motivs schlampig aufhört, hier entstehen jetzt völlig ungeplant harte Kanten. Das Auge guckt jetzt nicht mehr aufs Motiv, sondern auf den Rand des Bildes. Das Gleiche gilt für Motivanteile, die nicht wirklich zum Kerninhalt des Bildes gehören. Malst du einen orangen Mülleimer auf  trockenes, weißes Papier, wird jeder nur noch auf den Mülleimer gucken, denn er strahlt so schön.

Hat ein Bild zu viele harte Kanten, wirkt es unruhig und aggressiv!

In der Malerei hat die weiche Kante Narrenfreiheit

Wir stellen also fest, wenn man mit harten Kanten arbeitet, dann gehört es zur Malerei, dass man ebenso mit weichen Kanten arbeitet. Bei weichen Kanten ist alles erlaubt, was bei den harten Kanten nicht gut ist.

Do´s:

• zarte Farbübergänge und zarte Lichtverläufe in Nass- in-Nass-Techniken

• Ton-in-Ton-Malerei

Aquarell von Basel dem Münster und dem Riesenrad, Die Malerei macht Dinge sichtbar. In diesem Tutorial verrät Tine, wie man in der Malerei das Auge mit harten und weichen Kanten steuern kann.

Schau mal, wie schlabberig die Farbübergänge an der unteren Kante des Bildes sind. Hier laufen die Farben sehr weich ineinander. Schau dir mal das zweite Fenster links unten an.

Total verschlabbert! Wieso klappen solche chaotischen Farbaufträge in der Malerei? Die Antwort ist einfach:  Durch meine harten Kanten habe ich den Blick in die Ferne gezogen. Die weiche Kante im Vordergrund entspricht dem normalen Sehverhalten des Menschen. Wenn ich dein Augenmerk nicht darauf richte, dann schaut dein Auge nur so im Vorbeigehen mal kurz drüber.

Hausaufgaben:

Mach’s dir gemütlich! Welches Katz-und-Maus-Spiel spielen die guten Maler mit dem Auge? Schau dir mal deine Lieblingsmaler in den sozialen Netzwerken an, was treiben sie mit dem Auge?

Die Technik ist einfach, dennoch wirst du Zeit brauchen. Denn bei den meisten Menschen entstehen harte und weiche Kanten im Bild eher zufällig. Das wird sich bei dir langsam ändern.

Ich wünsche dir aus Basel ein wunderbares Wochenende.

Liebe Grüße

Tine

Diese Woche habe ich so liebevolle Leserbriefe bekommen. Ich selber bin eine Risikogruppe und habe deswegen im Moment nicht viele Kontakte. So liebe Briefe helfen mir sehr, dann weiß ich ganz genau, dass ich das Richtige tue. Ich finde es wundervoll, dass ich euch solche Freude machen kann.




Weiterlesen bei Tine:https://blog.herz-der-kunst.ch/das-kleine-geheimnis-der-farbe/https://blog.herz-der-kunst.ch/das-kleine-geheimnis-der-farbe/

 

Über die Macht der harten Kante:

Weil die harte Kante so aussagekräftig ist, gibt es sogar einen gesamten Kunststil der nur auf harte Kanten aufbaut. Egal was du machst du solltest auf jeden Fall einmal darüber nachdenken wie wichtig dieses Steuerungsinstrument ist.

http://www.kunst-malerei.info/hard-edge.html#.X7Zcu81KhaQ

 

 

 

 

Malen lernen mit Wissen und Intuition

Tutorial Malen lernen von Tine Klein Aquarell Marktplatz in Basel

Tine Klein Marktplatz in Basel

Malunterricht, wann ist er super?

Die Frage stelle ich mir natürlich, du dir auch, oder? Ich schlüpfe deshalb zwei- bis dreimal im Jahr selbst in die Rolle der Malschülerin.

In einem meiner letzten Artikel ging es um die Malblockade. Heute möchte ich darüber schreiben, was eigentlich passiert, wenn es super klappt. Wie funktioniert das mit dem leichten Lernen?

Wann lernt man so richtig super gut?

Bei mir ist es der Umstand, dass ich nichts erwarte. Dazu möchte ich euch die Geschichte des besten Malkurses erzählen, den ich mitgemacht habe.

Die Geschichte zum Blog:

Ich habe LK in Portugal getroffen, eine tolle Woche, power malen mit ganz vielen unterschiedlichen Menschen (vor Corona). Immer wieder sind wir uns begegnet. Ich schätze LKs Kunst! Er ist ein Meister, aber wir sind so unterschiedlich wie Tag und Nacht! Dann kam eine überraschende Einladung. Obwohl wir Yin und Yang sind. Er sagte, das nächste Mal, wenn ich in Europa bin, besuchst du mich im Kurs.

 

Tine Klein und LK Bing watercolor, urban sketching.

Tine und LK

Ich war verblüfft. Ich liebe LKs Schwarz-Weiß-Skizzen. Die sind so schön, dass sie mich einschüchtern.

Lk Bing „Venedig“

Die sind einfach großartig!  Als wir in Portugal waren, hat er dieses Bild gemalt. Ich hasse Schwarz, aber bei ihm sieht es toll aus.

LK Bing „Der Turm in Porto“

Aber ich war skeptisch, LKs Bilder sind so perfekt, sie sehen pedantisch geplant aus, und das alles bin ich überhaupt nicht!  Auf ins Abenteuer! Ein Jahr später schneite ich in LK Bings Kurs. Im  Kurs ging es um dreckige Farben, kein Witz! Dreckige Farben! Und das bei einer Frau, die die buntesten Kleider der Weltgeschichte trägt!

Malen lernen – keine Erwartungen und Begeisterung!

Beim Malenlernen ist Begeisterung immer eine tolle Voraussetzung, das öffnet das Gehirn.  Malenlernen klappt bei mir am besten, wenn ich den Kopf ausschalte, deshalb war es vielleicht gar nicht so übel, dass ich mir von diesem Kurs nichts erwartete. Ich saß im Kurs und dachte: Ich mach einfach mit, in dreckigen Farben male ich zu Hause nie im Leben!

Also ließ ich mich von LK am Händchen nehmen und folgte ihm brav.

LK Bing

Das ist LKs Bild, meine Varianten, simultan entstanden, seht ihr unten.

Dadurch, dass ich absolut nichts wollte, war das Lernen so einfach. Ich fing schon an, während der Demo mitzumalen. Ich hab es gemacht und es hat  von selber Früchte getragen. Die Begeisterung kam mit dem Tun! Es war, als wenn mir in meinem gigantischen Wissenspuzzel fehlende Steine zugeworfen wurden, sie sind mir einfach im Schoß gelandet, ohne Anstrengung.

Malen lernen durch das einfache Mitmachen

Wer etwas lernen möchte,  muss sich nur in Bewegung setzen.

Tatsächlich ist es oft einfach, wer sich mit Dingen beschäftigt, findet auch etwas. Ich habe im Kurs gemalt wie in Trance! Bild um Bild. Ich war im Leerlauf, ich habe das Wissen einfach aufgenommen und es eingeübt. Ich habe mir dabei gar keine Gedanken darüber gemacht. Ich wollte das Wissen ja eigentlich nicht benutzen.

Zum Malen waren ca, 1.5 Stunden Zeit und ich war wie eine Malmaschine.

Zuerst Vorzeichnungen.

Dann ganze Bilder. Der Kurs hatte 3 Stunden und ich hatte das Gefühl, ich stehe neben mir, ich habe gemalt wie entfesselt.

Tine Klein Malen lernen mit LK Bing

Bei anderen Malkursen und Lehrern war dies anders, ich war hoch interessiert an der Technik. Wollte sofort Ergebnisse sehen! Ich war wie vernagelt. Offensichtlich hat mich der mangelde Stress in LKs Kurs einfach frei gemacht.

Wissen, was ich gar nicht wollte!

Lustigerweise wollte ich auf keinen Fall LKs konservative Techniken in meinen Bildern. Doch ich habe es mir offen und freundlich angehört und mitgemacht!

Wichtig ist, dass man keine Vorurteile gegen Wissen hat! Denn man kann oft Dinge gebrauchen, an die man nicht dachte.

Ich habe nichts erwartet,  aber auch nichts abgelehnt! Das war das reinste Glück!

Hinterher saß ich da UND WAR GESCHOCKT! Das Wissen hatte mich ergriffen und einfach weggetragen.

Wissen ist wie Saatgut!

Die Situation erinnerte mich an meinen Garten, ich habe einmal Tomaten gekauft und aus Versehen war eine Paprika dabei, das war unerwartet, aber super! Denn die Paprika entwickelte sich prächtig.

Sei immer offen für das Wissen!

Sicher kennst du jemanden, der richtig blöd ist und es selbst nicht merkt! Das Problem mit Wissenslücken ist, dass man selbst nicht weiß, wo sie liegen. Gerade beim Malenlernen ist dies leider allzu oft so, denn es gibt unendlich viele Wissensbereiche. Wenn man also Wissen geschenkt bekommt, dann sollte man zugreifen und nicht meckern!

Malen lernen – das Wissen und der eigene Stil

Malen sollte man aus dem Bauch heraus, doch Bauchwissen ist eine Mischung aus Gefühl und Wissen, das so tief verinnerlicht ist, dass man nicht mehr darüber nachdenkt.

Deshalb ist Malenlernen nicht einfach, man muss ja zwei völlig unterschiedliche Dinge verschmelzen: Technik und Gefühl.

Wenn man etwas weiß, dann heißt dies noch lange nicht, dass man es benutzen muss. Und es heißt noch viel weniger, dass man es so benutzen muss, wie der Lehrer es einem beigebracht hat.

Es ist immer wichtig, ein Handwerkszeug den eigenen Bedürfnissen anzupassen.

Der erste Schritt beim Malenlernen ist, etwas völlig klaglos und mit offenem Geist zu lernen.

Es fühlt sich falsch an!

Weil das neue Wissen nicht in dein System passt, fühlt es sich erst mal falsch an.  Wichtig ist, dass man den Geist so freundlich und so weit öffnet wie möglich. Denke, während du lernst,  nicht daran, dass du es anders machen würdest, lern es einfach! Das ist manchmal sehr schwer. Denn unsere Vorurteile sitzen oft tief, und dies ist immer ein Fehler!

Vorurteile sind harte Lernhindernisse.

Der zweite Schritt ist zu begreifen, was man noch damit tun kann. Dafür muss das Erlernte aber fest in dir verankert sein. Du musst es kapiert haben. Also ist beim Malenlernen Schritt 2 das Einüben.

Malen lernen – Rock and Roll

Der zweite Schritt ist es, das erlernte Wissen zu verdauen.

LK Bing „Eine  Kirche in Chuang“, das ist prächig, genial aber nicht mein Style.

Tine Klein Sacre couer Tutorial Malen lernen

Tine Klein  „Sacre Coer in Paris“

Wenn ich meine wilden  fünf Minuten habe, dann zeichne ich eine Kirche auch mal so. Ein kleiner Unterschied zu LKs Kunst. So zeichne ich,  wenn ich als Illustratorin unterwegs bin. Hier hilft LKs Wissen wenig, das ist aber kein Grund, die Ohren zu schließen. Also schaue ich, wobei es sonst noch hilfreich ist.

Malen lernen: Brücken zu den eigenen Ideen schlagen

Bei allen Vorbehalten habe ich schnell begriffen, dass ich mit Lks Wissen mehr Handwerkszeug in den Händen halte. Der Anknüpfungspunkt liegt beim Licht!

Wichtig ist es, wenn man beim  Erwerb von Wissen Ausschau nach Anknüpfungspunkten hält.

Er fängt das Licht  in getragenen Farben, und ich tue dies in leuchtenden und hellen Farben. AHA!

Wenn man vom Lehrer gelernt hat, darf man sich nicht auf die faule Haut legen. Dann heißt es: Was stelle ich den selbst mit dem Wissen an? Mir war klar, die Grautöne helfen mir beim Licht. Nach dem Kurs war ich wie vor den Kopf geschlagen, ich habe gemerkt, wie das Wissen in mir rumort und arbeitet.

Man muss nur den Punkt finden, wo man das Wissen aufsaugen und es für die eigene Kunst lecker schmeckt.

Der erste Schritt ist: Regeln lernen, der zweite Schritt ist: die Techniken einüben. Der dritte Schritt ist es, die Regeln zu brechen. Der vierte Schritt  ist es, Herz und neue Technik zu vereinen!

Ich mache meine Schüler gerne zu Anarchisten, doch…

Künstlerische Freiheit darf keine Ausrede für Unfähigkeit sein.

Auch ich nehme gerne Wissen mit, und dann muss ich es verdauen. Biege die Regeln so lange,  bis sie zu dir passen!

Malen lernen – kein Respekt für fragloses Abkupfern

Das Lernen läuft absolut easy, wenn man sich freundlich öffnet. Mach es einfach mal so, wie der Lehrer es sagt. Techniken und Regeln, die super zu dir passen, darfst du immer übernehmen. Doch du solltest es dir nicht zu bequem machen.  Was funktioniert eigentlich für dich?

Du darfst auf die Regeln einschlagen.

Überlege, was ist mir wichtig? Wie weit kann man Regeln beugen! Ab wann funktioniert der Lehrstoff nicht mehr? Diese Gedankengänge sind wichtig, und das muss man ausprobieren!

Viel Futter für den Papierkorb!

Ist dir schon mal aufgefallen, dass  Menschen, die die Perspektive wirklich verstanden haben, alle perspektivischen Regeln brechen können,  und es sieht auch noch super aus!  Frechheit!? Nein, diese Menschen haben gelernt und dann haben sie alles aussortiert und ihre eigenen Regeln geschaffen!

Kreativität heißt,  eigene Regeln zu erschaffen.

Was ist mir von LKs Kurs geblieben?

Zuerst fand ich die dreckigen Farben inakzeptabel.

Doch dann habe ich genauer hingeschaut und Schönes gefunden.

Ich habe so lange gemischt, bis ich farbige Grautöne gefunden habe, die perfekt zu meinen Farben passen. Ohne dass ich mich vorbehaltlos auf LKs Wissen eingelassen hätte, wäre dieses Wissen an mir vorbei gegangen. Heute benutze ich das Wissen über schmutzige Töne vor allen in den Randbereichen meiner Bilder. Ich mische meine Grautöne aus unheimlich leuchtenden Farben zum Beispiel aus Pink und Türkis.

Wenn ich heute Aquarelle male, dann lege ich immer noch keinen Wert auf Photorealismus, dennoch kann ich dank LKs Kurs auch ganz entspannt mit schmutzigen Farben umgehen. Ich weiß nun, welche schmutzigen Farben ich mag. Mein Grau muss deutlich farbig sein.

Das eigentliche Malenlernen erfolgt also zuhause. Es kann auch vorkommen, dass du etwas nicht willst und brauchst. Das kann man aber erst entscheiden, wenn du den Lehrstoff verstanden hast! Das schwierige am Malenlernen ist, dass sich erst mal jede neue Technik nicht richtig anfühlt.

Beim Lernen gilt: I do it  my way!

Und dies ist keine Ausrede,  sich vor unliebsamem Wissen zu drücken 😀

Jetzt wisst ihr, was mit dem Wissen passierte, das ich gar nicht wollte.

Manchmal male ich heute so, mein Repertoire hat sich erweitert. Nicht dreckig, aber mit viel mehr Wissen über über schönes Grau.

 

Liebe Grüße ins Wochenende

Tine

 

Danke für eure Liebe Unterstützung:


Weiterlesen bei Tine:

https://blog.herz-der-kunst.ch/bildsprache-kurs-des-jahrestreffen-der-deutschen-urban-sketchers/

Hier könnt ihr Anknüpfen der zweite Teil geht um ein Ähnliches Thema:

https://blog.herz-der-kunst.ch/sag-es-in-farbe-bildsprache-teil-2-usk-hamburg/

Sag es in Farbe! Bildsprache Teil 2 USK Hamburg

https://www.facebook.com/bing.lk/videos/10220688534137244

Weißes Papier – Wie malt man das Nichts?

Weisheiten zu Weiß

Weißes Papier ist unbearbeitet?

Wortgeschichtlich heißt „weiß“ in vielen Ländern soviel wie „das Leuchten, Licht oder Sonne“. In einigen europäischen Ländern gibt es eine merkwürdige Ähnlichkeit zwischen den Worten „Weiß“ und „Weizen“. White und wheat oder Weiz (en) und Weiß.
Vermutlich ist dies in der Farbe und der Wichtigkeit des guten Wetters für die Ernte begründet. Licht ist also so genauso wichtig wie Ernährung!
Licht ist etwas Schönes und es macht gemalte Bilder toll. Doch das Problem, das wir mit Weiß haben, steckt ebenfalls im Wort Weiß. Weiß steckt auch im deutschen Blanko oder im italienischen Bianco.
Wir alle kennen diese Wörter aus Blankovollmacht, das heißt „nicht ausgefüllt“ oder von total blank sein, das heißt: rein gar nicht haben.

Weiß ist das Licht und das Nichts.
Tine Klein

 

Weiß ist keine Farbe

Viele Menschen haben Probleme beim Malen von Weiß. Dies liegt natürlich nicht daran, dass wir alle dumm sind, sondern dass Weiß eine ganz besondere Bedeutung hat.

Zuerst einmal ist Weiß eigentlich gar keine Farbe, und deshalb nimmt es immer eine Sonderstellung beim Malen ein. Ich glaube, dass unsere Probleme beim Malen von Weiß an seiner Wirkung auf uns liegt.

 

Die Wirkung von Weiß und seine Folgen für die Malerei

 

Weiß wirkt unheimlich perfekt.

Jeder, der perfekt sein muss oder Perfektion vortäuschen möchte, greift zu Weiß.
Ärzte sind Halbgötter in Weiß, der Papst schreitet im weißen Nachthemd mit goldenem Saum würdevoll über den Platz. Die Mädchen der Jungfrauen-Prozession und Bräute sind in Weiß gekleidet.
Und hier merken wir schon, welches Problem das Weiß in sich trägt, wenn es für das Vollkommene, das Ideale und das Gute steht.
Weiß steht dafür, dass es das Perfekte gibt, und wir alle wissen, auf dieser Welt gibt es kaum etwas wirklich Perfektes.
Man müsste schon lange suchen, um genug Jungfrauen für eine Prozession in Weiß zu finden!

Weil weißes Papier es so makellos aussieht, macht es in Bildern ständig Probleme.

Oder es lässt Bilder erhaben aussehen.

Der weiße Fleck

Wie schon bemerkt,  macht Weiß uns Probleme durch seine Wirkung: Warum?

Weiß wirkt perfekt und steril. Deshalb greifen Ärzte auf die Berufsbekleidung Weiß zurück.
Weiß wirkt so sachlich, so absolut funktional und scharf begrenzt, dass die weiße Stelle in Bildern wie ein Aufkleber wirkt.
In einem gemalten Bild wirkt Weiß aber auch steril, es wirkt so gnadenlos kalt, dass wir  so gerne zum Pinsel greifen und das Weiß rücksichtslos ermorden. Denn wenn das Weiß so perfekt wirkt, dann ist es, als würden wir die andern Stellen im Bild mit unserer Malerei besudeln. Weiß wirkt wie ein Fremdkörper in unseren Bildern.
Weiße Stellen wirken in Bildern wie ausgeschnitten oder aufgeklebt.
Wenn wir jetzt aber zum Pinsel greifen und das Weiß ermorden, weil es so ekelhaft perfekt wirkt, dann haben wir unserem Bild keinen Gefallen getan, denn wir brauchen und wir lieben das Licht.  

Weiß ist etwas besonders Schönes in Bildern

Jeder, der besonders toll wirken will oder gar kein Interesse daran hat, normal zu wirken, kleidet sich gerne in Weiß.

Marilyn Monroe im weißen Kleid auf dem U-Bahn-Gitter, Marlene Dietrich im weißen Anzug, Lady Di im weißen Abendkleid, Mariah Carey in weißer Robe oder Lady Gaga in weißem Lackleder. Die Diva weiß genau, welche Strahlkraft das Weiß hat.

Alle Augen schauen auf das Weiß. Dies ist sicher eine der wichtigsten Regeln der Malerei.

Jetzt ist doch für uns Maler die Frage: Wie kann ich dieses wundervolle Strahlen in meinen Bildern benutzen? Was kann ich damit anstellen? Und wie kriege ich es harmonisch in meine Bilder hinein, ohne dass es aussieht wie ein ekelhaft perfekter Fremdkörper?

Die Möglichkeiten in der Malerei -Wo hilft weißes Papier?

Weiß ist leer, es sei denn…

 

Weiß hat die unangenehme Angewohnheit, sich nicht gut in Bilder zu integrieren, weil es so leer ist. Wenn man allerdings weiß, wie man die Diva handhaben kann, ist dies überhaupt kein Problem. Weiß wirkt immer dann wie ein unbearbeiteter Fetzen, wenn es mit einer harten Kante auftritt. Ummalt man Weiß mit einer dunkleren Farbe und schafft keine Übergänge, dann wirkt das Weiß unnatürlich. Warum? Wenn Licht auf einen Körper trifft, dann gibt es dort eine starke weiße Reflexion, aber das Licht wird um diese Spotlights herum in die Umgebung reflektiert. Dort entstehen dann weiche Übergänge in die Originalfarbe des Objektes.
Tipp Nummer 1 für die Malerei: Wirkt Weiß wie ein Fremdkörper, schaffe weiche Übergänge. Zarte Lasuren rund ums Weiß.

Weiß wirkt zart und weiblich…

Weiß wirkt zart und weiblich, wenn es mit weichen Farben kombiniert wird. Diese Erkenntnis schließt direkt an meinen ersten Tipp an: Weiß braucht zarte Übergänge. Deshalb ergibt sich aus meinem ersten Tipp auch direkt der zweite Tipp:
Weiß sieht großartig mit Pastellfarben aus.
Pastellfarben sind in der Regel puderig, sie enthalten einen starken Weißanteil. In der Regel enthalten diese Farben Zink oder aber auch Kalk und diese beiden Materialien streuen das Licht. Das Ergebnis ist ein Effekt, der für das Auge zart und weich wirkt.

Das Licht als Gegengewicht…..

Weiß ist der natürliche Gegenspieler von Dunkel und Schwer. Weiß wirkt generell licht, leicht und substanzlos. Und dies sorgt selbst in düsteren Bildern für eine gute Stimmung.

Tine Klein Venedig, Aquarell, Tutorial malen lernen und die Farbwirkung von weiß.

Weiße Zuckerwatte wirkt wie ein Hauch von Nichts und trotzdem hat sie die gesamte Anzahl an Kalorien, die ein ausgewachsenes Power – Weib am Tag braucht. So viel zu optischen Täuschungen. Diesen Täuschungseffekt können wir wunderbar in der Malerei einsetzen.
Natürlich geht es in der Malerei nicht um Kalorien, sondern um Licht. Trotzdem entfaltet das Weiß hier genauso seine Macht, da es so leicht und hell wirkt, können wir es benutzen, um schweren oder dunklen Motiven eine Leichtigkeit zu geben.
Ich möchte euch die am heutigen Bild erklären.
Viel weißes Papier-wirkt freundlich und hell
Es ist ein luftiger, heller Tag, Trotzdem hängen dunkle Regenwolken am Himmel, die Stahlbrücke ist dunkel und die Bäume und Häuser vom Regen noch dunkel und nass. Würde man das Motiv so malen, wie die Farben im Original sind, dann würde auf dem Blatt kein schöner Nachmittag am Fluss entstehen, sondern eine dunkle, depressive Regenstimmung. Die Farben der Objekte im Bild geben nicht wieder, dass die Sonne durch die Wolken gebrochen ist. Wenn man die Stimmung und das Wetter korrekt wiedergeben möchte, muss man zu einem Kunstgriff greifen. Man muss eine große weiße Fläche ins Bild einfügen. Die Wirkung der hellen Farbe führt dann dazu, dass der Betrachter des Bildes das Licht wahrnehmen kann. Die psychologische Wirkung von Weiß führt dazu, dass unser Bild nicht trübe wirkt.
Gegenfrage: Würde ein freundliches und helles Grau nicht genauso wirken? Grau steht für Tristesse, für trübe Gefühle, Unfreundlichkeit und auch für den Anfang der Dunkelheit.
Schau einmal, was ein freundliches und helles Grau aus diesen Bild macht:
Grau macht trüb.
Der Weg ist weg, nun glitzert der Rhein. Eine völlig andere Bildaussage.
Ich glaube schon, dass man sagen kann, dass das Weiß die perfekte Unterlage für dunkle Farben ist. Einerseits wirken die dunklen Farben durch das Weiß noch kräftiger, andererseits erhält das gesamte Bild aber eine Leichtigkeit.

Weißes Papier perfekte Unterlage…

Oft werde ich im Unterricht gefragt: Muss ich eigentlich noch einen Himmel malen? Oder: Muss ich noch die Straße malen? Die Antwort ist:  In der Kunst muss niemand etwas. Im ersten Moment sehen größere weiße Flächen vielleicht ungestaltet aus. Dies liegt natürlich an der psychologischen Wirkung des Weiß, das dir beim Arbeiten sagt:“ Hey, ich bin doch noch so leer!“

Mein letzter Tipp für heute:

In puncto weißes Papier wir uns gerne wie die wildgewordenen Jäger. Nicht alles,  was Weiß aufblitzt, muss sofort erschossen werden. In Bildern sind mit dunkler Farbe geladene Pinsel genauso gefährlich wie Gewehre, denn sie töten die Leichtigkeit. Gerade jetzt, in der dunklen Jahreszeit, ist es wichtig, dass genug Weiß im Bild stehen bleibt.

Behandelt die weiße Farbe auf dem Blatt wie die selten gewordenen weißen Tiger. Denkt immer dran: “ Die sind selten und stehen unter Naturschutz!“

Ein bisschen Weiß muss stehen bleiben:

Weißes Papier und sanfte Lasuren wirken interessant.

Ich wünsche dir ein wundervolles Wochenende

Liebe Grüße Tine

 

Danke an die wundervollen Menschen die regelmäßig Spenden. In Deutschland waren die Kurse durch die Hygiene-Konzepte so klein geworden, das man nicht mehr rentabel arbeiten konnte. Nun gibt es gar keine Kurse mehr in Deutschland. Eine verrückte Zeit, deshalb sind eure Spenden gern gesehen. Insbesondere allen Corona -Geschädigten z.B. aus Kultur und Gastronomiewünsche ich viel kostenlosen Lesespass.

An fettes Danke schön an die Menschen die euch, den kostenlosen Lesespass ermöglichen:

Marie-Therese Pfyffer, Susanne Binder, Erich Kürsteiner, Claudia Hertfelder, Roland Engert, Tanja Hammer, Marion Schatz, Marion Valentin,

Sabine Mund-Schmidt, Christa Knaack, Marlies Zücker

Und Danke vielmals,  für eure zuckersüßen Nachrichten.