Zeichnung und Aquarell verbinden, Linie trifft Farbe

Zeichnung und Aquarell verbinden – wenn Linie und Farbe miteinander tanzen

Viele glauben, Zeichnen sei die Vorbereitung – die Pflicht, bevor die Kür des Malens beginnt.

Vorzeichnen, dann Malen.

Aber das stimmt nicht. Zumindest nicht, wenn man beides gleichzeitig benutzt.

Der Stift ist kein Diener der Farbe, er ist ihr Dirigent.

Die Linie ist die Macht, die alles sichtbar macht. Sie schafft Form, Tiefe und Rhythmus – selbst dann, wenn kaum Farbe da ist.

Ein kräftiger Strich kann den Blick lenken wie ein Blitz im Nebel.

Zeichnen:

Wenn man nur zeichnet, entsteht eine Welt aus Struktur, nur aus Linien. Der Fokus liegt auf dem Aufbau, auf Proportion, Richtung und Spannung.

Jedes Detail und jede Fläche müssen mit dem Stift gefüllt werden.

Das kann mitunter sehr viel Arbeit sein, denn kleine Linien müssen eine ganze Welt erschaffen.

Man sucht Wege, wie man Strukturen, Details und Schatten zusammenfügt.

Doch sobald Farbe ins Spiel kommt, ändert sich alles – der Zeichenstil wird weicher, offener, manchmal fast frecher. Plötzlich darf der Strich tanzen, darf weglassen, darf sich auch mal verirren. Farbe bringt Emotion, Licht und Atmosphäre hinein, und die Linie reagiert darauf, wie eine Jazzmusikerin auf den Rhythmus der Band.

Zeichnung und Aquarell verbinden, dann muss beides reagieren.

Oft ist das ein Schock und eine große Umstellung für den Zeichner, denn der Zeichenstil verändert sich. Wieso?

Ganz einfach: Man braucht keine doppelten Informationen!

Vieles lässt sich mit Farbe leichter darstellen als mit dem Stift. Eine Fläche malt man mit Leichtigkeit, da braucht man keinen Kasten aus Linien mehr wie bei der reinen Zeichnung. Es fallen also viele Striche weg, die man nicht mehr braucht.

Der Zeichenstil kann schlichter werden. Der Strich darf – und muss – nicht mehr alles machen.

Schau mal das Haus links neben der Kirche – es ist gemalt, nur das Dach ist gezeichnet!

Zeichnung und Aquarell verbinden – eine Variante ist: Erst malen, dann zeichnen

Wenn man die Reihenfolge einmal umkehrt – erst malt und dann zeichnet – öffnet sich eine ganz neue Freiheit.

Die Farbe gibt den Ton vor, legt Stimmungen an, schafft Flächen, ohne dass schon etwas definiert ist. Dann kommt der Stift und antwortet darauf. Er tastet sich an die Formen heran, betont, was wichtig ist, und ignoriert, was verschwimmen darf.

So entsteht ein Dialog zwischen Fläche und Linie: Die Farbe atmet, die Linie spricht.

Es ist ein wunderbares Gefühl, wenn sich das Verhältnis umdreht – wenn nicht mehr die Linie die Farbe fesselt, sondern die Farbe die Linie lockt.

Dann darf der Stift verspielt sein, darf übermalen, darf etwas verschieben, darf sogar Fehler machen.

Gerade diese kleinen Unstimmigkeiten zwischen Zeichnung und Aquarell bringen Leben. Wenn die Kontur nicht genau dort sitzt, wo die Farbe endet, entsteht Bewegung. Es wirkt, als ob das Motiv atmet. Das bringt oft Licht ins Bild – sieh die rechte Seite des Turmes!

Ich mag es besonders, wenn man beim Kolorieren den Mut hat, nicht alles zu treffen. Wenn die Farbe großzügig und formlos ist, während der Stift danach sucht, was sie andeutet. Diese kleinen Versätze, das Nicht-Perfekte – sie machen Bilder lebendig. Es ist, als würde man mit zwei Sprachen sprechen: Die Farbe erzählt, wie sich etwas anfühlt, und die Linie erklärt, was es ist.

Die Linie darf sich auch mal verhalten wie ein kleiner Kobold!

Sie ist mal größer und mal kleiner als die Farbe, hopst durchs Bild, neckt sie, widerspricht ihr.
Malen und Zeichnen – das ist ein Spiel und keine festgelegte Reihenfolge.

Spiele mit Malen und Zeichnen

Mein persönlicher Tipp: Spiele mit der Reihenfolge! Zeichne einmal locker und male danach – und beim nächsten Mal genau umgekehrt. Beobachte, wie unterschiedlich sich dein Denken verändert. Wenn du zuerst malst, denkst du in Flächen, in Licht und Schatten. Wenn du zuerst zeichnest, denkst du in Formen, in Strukturen. Und irgendwo dazwischen entsteht der Moment, wo beides sich trifft – wo aus Skizze und Farbe plötzlich Kunst wird.

Das Schönste daran: Man kann gar nichts falsch machen.

Malerei und Zeichnung sind wie zwei gute Freunde – sie verstehen sich am besten, wenn sie sich nicht zu sehr kontrollieren.

Malen und Zeichnen – warum Frechheit erlaubt ist

Vielleicht fragst du dich, warum ich mit der Farbe so herumschmieren darf – und warum das Bild trotzdem gut aussieht, selbst wenn der Stift sich nicht an die Farbe bindet.
Warum sehen solche Bilder nicht chaotisch aus, obwohl scheinbar nichts seine Ordnung hat?

Ganz einfach: Weil das Auge nach Beziehungen sucht, nicht nach Perfektion.

Es liebt das Spiel zwischen Linie und Fläche, weil dort Bewegung, Spannung und Rhythmus entstehen. Wenn Zeichnung und Aquarell ein wenig gegeneinander arbeiten, entsteht kein Fehler – sondern Energie.

Die künstlerische Erklärung:
In der Kunst lebt jede gute Arbeit vom Kontrast. Linie und Fläche, Hell und Dunkel, Präzision und Lockerheit – sie brauchen sich gegenseitig. Wenn man zu sauber arbeitet, verliert das Bild seine Lebendigkeit. Diese „Frechheit“ – das bewusste Nicht-Treffen, das…

Überlagern, das leicht Verschobene – erzeugt visuelle Reibung.

So entstehen jene kleinen Irritationen, die das Auge wach halten. Ein Bild, das zu perfekt ist, wird tot – man sieht es, und man ist fertig damit.
Aber ein Bild, in dem Linie und Farbe sich necken, bleibt spannend.

Die Wahrnehmung erklärt das ähnlich:
Unser Gehirn liebt Unschärfe, solange sie Sinn ergibt. Wenn sich Zeichnung und Aquarell leicht überlagern, versucht das Auge automatisch, die Verbindung herzustellen – es ergänzt, was fehlt, und rundet die Wahrnehmung ab.
Das erzeugt dieses wunderbare Gefühl von „lebendig“. Wir spüren Bewegung, obwohl alles still ist. Die kleinen Abweichungen sind das, was der Psychologe Rudolf Arnheim „visuelle Energie“ nannte – sie halten das Bild im Fluss.

Darum darf die Linie frech sein.
Darum darf die Farbe über den Rand laufen.

Und wenn du dich traust, beides frech zu vermischen, dann verbindest du nicht nur Zeichnung und Aquarell, sondern auch Denken und Fühlen, Kopf und Herz.

Liebe Grüße Tine

Zum Schluss ein kleiner, aber ernster Gedanke:
Ich stecke jede Woche viele Stunden in Herz der Kunst, damit du hier kostenlos lesen, lernen und staunen kannst.
Über 10 000 Menschen lesen regelmäßig mit – aber nur wenige spenden.
Ganz ehrlich: Das ist ein bisschen peinlich.
Wenn du diesen Text mochtest, wenn er dir etwas gebracht oder dich inspiriert hat, dann unterstütze bitte meine Arbeit mit einer kleinen Spende.
Denn so bleibt Herz der Kunst lebendig – und frei.

CHF

Sehen lernen ist Malen lernen!

Basel Herbst an der Promenade….

 

Sehen lernen: Wenn das Gehirn sieht – und nicht das Auge

Vielleicht kennst du das auch: Du bist ganz versunken in dein Motiv, konzentrierst dich auf das Licht auf dem Dach der Kirche, die Spiegelung im Wasser, die vibrierende Kante eines Schattens – und der Rest?

Verschwindet einfach.

Mist!!! Schon wieder was vergessen!

Muss ich konzentrierter sehen lernen?

Wir glauben, das Auge sei eine Kamera, die alles gleichzeitig erfasst.


Aber in Wahrheit ist es das Gehirn, das uns die Welt „zusammenbaut“ – wie ein Puzzle aus lauter kleinen Wahrnehmungsfragmenten.

Nur ein winziger Bereich deines Sehens – die sogenannte Fovea – liefert scharfe Informationen. Sie ist kaum größer als ein Daumennagel auf Armlänge.

Krass, oder? Unser Gehirn baut also das Motiv aus daumennagelgroßen Stückchen zusammen! Da kann man nur staunen, oder?

Alles drumherum ist unscharf, wird aber vom Gehirn ergänzt. Beim Malen, wenn du dich auf einen bestimmten Punkt konzentrierst, arbeitet dein Gehirn mit Hochdruck – aber eben nur dort.

Was daneben liegt, fällt durch das Raster.

Das heißt, ich muss nicht neu sehen lernen – ich vergesse beim Malen so viel, weil ich konzentriert bin!

Das selektive Sehen – warum Sehen lernen auch Fokussieren lernen ist

Unser Gehirn filtert ständig. Es entscheidet, was wichtig ist und was nicht.

Ohne diesen Filter würden wir in der Reizflut untergehen.

Beim Malen funktioniert dieser Filter allerdings anders:

Er folgt der künstlerischen Aufmerksamkeit, nicht der Logik.

Das heißt: Wenn ich immer wieder die Mauer an der Uferkante von Basel fast vergesse, sie kürze und die Ufermauer winzig im Vergleich zu ihrer echten Dimension male –

– dann liegt das daran, dass mein künstlerisches Interesse woanders liegt!

Wasser zu malen ist schwer, macht mir aber enorme Freude.
Das Schattenspiel auf dem Dach des Münsters in Basel fasziniert mich.
Auch die Bäume liebe ich … aber die Mauer? Der graue Stein!
Er stellt mir keine Herausforderung – und deshalb filtert mein Gehirn ihn frech raus!

Das ist kein Fehler – das ist Neurobiologie in Aktion.

Unser visuelles System wurde dafür gemacht, uns auf das zu konzentrieren, was Bedeutung hat.


Und Bedeutung ist immer emotional: das, was uns anzieht, was uns berührt oder was uns gerade eine malerische Lösung abverlangt.

Vergesse ich also etwas im Motiv, dann merkst du, dass es mich nicht berührt hat!

Mein Herz hat nicht daran geklebt!

Ich muss nicht neu sehen lernen – das Bild zeigt dir ganz genau, wo ich gut gesehen habe, weil mein Herz und meine Augen darauf zugeflogen sind.

Der Flow als Tunnel – Sehen lernen ist Weglassen lernen

Wenn wir im Flow sind, verändert sich die Art, wie unser Gehirn arbeitet.
Im Flow schaltet sich der präfrontale Cortex teilweise herunter – das ist der Bereich, der normalerweise für Planung, Selbstkritik und Ordnung zuständig ist.

Deswegen macht mich Malen so zufrieden und glücklich.

Das erklärt, warum sich das Malen manchmal „wie von selbst“ vollzieht, aber auch, warum wir dabei ganze Dinge „vergessen“.

Den Flow würde ich nicht für das Sehen lernen abgeben wollen!

Denn im Flow bin ich ganz ich – ich bin mit der Welt verbunden. Das ist ein wunderbares Gefühl.

Ich könnte sagen: Mein Auge ist verschmolzen mit mir und der Welt!

Im Flow sieht mein Kopf, was mir wichtig ist, und …

das ist wunderbar – nur nicht immer vollständig.

Warum wir bestimmte Teile nicht sehen – und was das mit Sehen lernen zu tun hat

Unser Sehen ist kein gleichmäßiger Scan, sondern eine Kette von kleinen, schnellen Augenbewegungen – sogenannten Sakkaden.

Zwischen diesen Momenten sind wir „blind“.

Unser Gehirn setzt die Welt zwischen diesen Blicksprüngen zusammen. Was dabei keine emotionale Relevanz hat oder nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit liegt, wird einfach ausgelassen.


Deshalb „sehen“ wir es nicht, obwohl es physisch da ist.

Merkwürdigerweise habe ich das oft beim Einkaufen – ich finde etwas nicht, obwohl es direkt vor meiner Nase steht!


Aber auch beim Malen vergesse ich Teile der Welt.

Beim Malen im Freien ist dieser Effekt noch stärker.
Draußen ändern sich Licht, Wind, Geräusche, Menschen ziehen vorbei – das Gehirn sortiert gnadenlos.
Es sagt: „Das ist wichtig, das nicht.“

Und trotz allem Bestreben nach dem Sehen lernen ist dies doch etwas sehr Schönes!

Frei nach dem Motto:

Vergiss doch den ganzen Scheiß!

Und genau deshalb entsteht dieses Paradoxon:

Die Bereiche, auf die du dich konzentrierst, werden intensiv und stark – der Rest verschwindet.

Das heißt: Mit jedem Bild zeigst du, wer du wirklich bist!

Wie man Sehen lernen kann, ohne sich selbst zu verleugnen

Man kann diesen Mechanismus trainieren – nicht abschalten, aber erweitern.
Es hilft, das Motiv vor dem Malen mit den Augen „abzuwandern“, wie ein Spaziergänger durch ein Gelände.

Nicht analysierend, sondern beobachtend.

Statt sofort loszumalen, kurz das Blickfeld schweifen lassen:

Man kann sich bewusst zwingen, auch das Unscheinbare zu bemerken – die Zwischenräume, die Übergänge, die Nebensächlichkeiten.

Aber man kann es mit Ruhe angehen.

Trotzdem ärgere ich mich oft, wenn ich etwas Wichtiges vergessen habe!

Doch ich stelle die Frage in den Raum:

Was ist wichtiger – das genaue Sehen oder die Art, die Welt zu sehen, wie ein Künstler sie sieht?

Und so werde ich ein Leben lang an der Balance zwischen Sehen lernen und die Welt sehen, wie sie mich interessiert, arbeiten.

Gott sei Dank kommt ja nicht die Malpolizei und stellt mich zur Rede, weil ich mal wieder die Uferwand des Münsters eingerissen habe.

Herzliche Grüße von Tine,
die immer noch nicht übers Wasser laufen kann –
und auch nicht richtig sehen kann und will.

Herzlichen Dank an alle, die gespendet haben!

CHF

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Weiterlesen zum Thema:

https://blog.herz-der-kunst.ch/jeder-maler-muss-3-mal-sehen-lernen/

Malen macht glücklich!

Malen macht glücklich!

Wirklich? Hat sich Van Gogh nicht das Ohr abgeschnitten?

Malen macht glücklich? Mich auf jeden Fall – ja!

Wenn ich den Glückszustand bewahre.

Ich setze mich hin, mein Kopf hört auf zu kreiseln, und ich sehe mir das Schöne an. Plötzlich habe ich keinen Stress mehr, ich höre auf zu grübeln,  und die Schönheit und ich – wir haben Zeit füreinander!

Eine kleine, lebenslange Romanze! Wenn ich mit ihr zusammen bin, vergesse ich alles.

Oft hilft mir auch, dass das Malen schwierig ist – ich muss Entscheidungen treffen, und plötzlich bin ich raus aus der Mühle des Alltags … ich denke nur an das Malen.

Und das ist nicht nur bei mir so …

Die Wissenschaft weiß es! Nutzst du es?

Ja, es gibt erstaunlich viele wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, warum Malen uns zufrieden, ja manchmal sogar zutiefst glücklich macht. Und es ist kein Zufall, dass viele von uns beim Malen in einen Zustand geraten,

in dem die Zeit verschwindet und der Kopf endlich still wird.

Neurologie und Psychologie können heute recht genau erklären, was dabei im Gehirn geschieht – und warum gerade das bewusste Sehen, das Rausgehen in die Natur und das kreative Tun so wohltuend wirken.

Malen macht glücklich, weil es den Kopf abschaltet – manchmal zumindest.

Beginnen wir im Kopf:

Beim Malen schaltet das Gehirn von der sprachlich-analytischen linken Hemisphäre in einen Modus, der stärker von der rechten Hirnhälfte getragen wird – dort, wo räumliches Denken, Intuition und Emotion beheimatet sind. Dieser Wechsel entlastet das sogenannte Default Mode Network,

also jene Hirnregion, die ständig mit Grübeln, Planen und Selbstreflexion beschäftigt ist.

Die Welt ist so laut und kompliziert!

Sobald wir malen, wird dieses Dauerrauschen leiser.

Neurologisch messbar sinkt die Aktivität in Arealen, die mit Stress und Selbstkritik verbunden sind, während Bereiche, die mit Belohnung, Zufriedenheit aktiver werden.

So zumindest habe ich es gelesen und so fühle ich es auch.

Vertiefung ist Glück.

Der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi hat den Begriff Flow geprägt – jenen Zustand völliger Vertiefung, in dem man aufhört, sich zu beobachten, und stattdessen ganz im Tun aufgeht.

Im Flow produziert das Gehirn vermehrt Dopamin und Endorphine, die uns euphorisch, aber gleichzeitig ruhig und klar machen. Künstler berichten dann oft:

„Ich war einfach weg – nur Farbe, Wasser und ich.“

Das ist kein poetischer Zufall, sondern Biochemie.

So geht es mir häufig beim Malen in der Natur.

Die Natur ist meine Kathedrale.

Dies hier ist einer meiner Lieblingsplätze – die Basler Schleuse mit Blick auf die Autobahn.

Malen macht Glücklich! Schwarzwaldbrücke Basel, Tine Klein Aquarell

Im Flow finde ich sogar Autobahnbrücken aus Beton höchst befriedigend.

Ich nutze das Malen, um das Schöne im Alltäglichen zu sehen.

Malen macht glücklich – und es lehrt sehen!

Doch Malen ist nicht nur Gehirnchemie – es ist auch Wahrnehmungsschulung.

Wer malt, sieht anders.

In der Natur den Schatten einer Wolke zu beobachten oder eben die Spiegelungen einer Autobahnbrücke – all das aktiviert unser visuelles System auf hohem Niveau. Neurowissenschaftlich ist bekannt, dass aktives Beobachten die Verbindungen zwischen sensorischen und emotionalen Zentren stärkt.

Sprich: Wir sind ganz im Fühlen und Beobachten.

Das bedeutet:

Was wir aufmerksam sehen, wird emotional bedeutsam.

Deshalb empfinden viele Künstler beim Malen in der Natur ein tiefes Glücksgefühl –

sie sind buchstäblich „auf Empfang“ für die Welt.

Und das klappt auch in einer Umwelt, die nicht perfekt ist.

Psychologisch betrachtet wirkt Malen wie eine achtsame Meditation.
Es entschleunigt, weil man lernt, wirklich hinzusehen, statt nur zu erkennen. Die Psychologin Ellen Langer beschreibt Achtsamkeit als

„aktives Wahrnehmen der Unterschiede“

– genau das passiert, wenn man draußen malt: Jeder Himmel ist anders, jeder Schatten erzählt eine andere Geschichte. Diese Art der Aufmerksamkeit zieht uns aus den Routinen des Alltags.

Lehrt uns zu sehen, aber nicht zu bewerten.

Sie ist das Gegenteil von Bildschirmzeit: Wir erleben direkt, körperlich, unmittelbar.

Hast du dich schon mal nach vier Stunden iPad oder Fernsehen durch und durch gut gefühlt?

War das befriedigend?

Gefühle akktivieren:

Hinzu kommt das Sinneserlebnis. Selbst ein Foto aktiviert beim Malen schöne Erinnerungen. Plötzlich kommen sogar Gerüche zurück, die du längst vergessen hattest – noch besser, wenn man draußen malt!

Beim Malen bin ich zufrieden, und das speichert mein Körper.

Selbst das Geräusch meines Wasserbechers und des Pinsels bringt mir Zufriedenheit – all das sind Eindrücke, die mein Gehirn mittlerweile liebt. Weil es weiß: Jetzt geht Tines gute Zeit los!

Lernen, Kreativität und Schönheit! Man könnte sagen: Beim Malen repariert sich das Gehirn selbst – es sortiert, beruhigt und erfindet sich neu.

Malen macht glücklich – besonders draußen!

Auch das Rausgehen spielt eine zentrale Rolle. Studien zeigen, dass der Aufenthalt in der Natur das Stresshormon Cortisol messbar senkt und gleichzeitig Serotonin ausschüttet. Wenn man nun malt, verstärkt sich dieser Effekt: Man wird vom Beobachter zum Teil der Umgebung.

Wer sich auf ein Motiv einlässt, atmet anders, steht still, hört genauer hin –

und findet dadurch jene Art von Ruhe, die weder auf der Couch noch im Fitnessstudio zu haben ist.

Es gibt also gute Gründe, warum das Malen glücklich macht.


Es ist kein esoterisches Geheimnis, sondern eine biologische Tatsache: Kreatives Tun, Naturerleben und konzentriertes Sehen bringen das Nervensystem in Balance. Sie erlauben es dem Geist, wieder mit dem Körper zu sprechen.

Während wir malen, tun wir unbemerkt etwas viel Größeres:

Wir heilen die Trennung zwischen Denken und Fühlen. Wir kommen buchstäblich zu uns selbst zurück.

Malen macht glücklich – aber nur, wenn du es zulässt!

Drum mach dir das Erlebnis nicht kaputt, indem du zu kritisch mit dir bist.

So ein Bild wie hier betrachte ich fast als Abfall.


Nicht, weil ich es nicht wertschätze, sondern weil es nur das Produkt der eigentlichen Kunst ist.

Die Kunst ist, zu beobachten, sich selbst und die Umwelt in eine gemeinsame Schwingung zu versetzen. Die Kunst ist, ganz in der Welt zu sein.

Was ist, wenn ich mit meinen Bildern dennoch nicht zufrieden bin?

Oft verfliegt das Glück direkt nach dem Malen. Dann kommt der Nörgler in uns raus!
Malen macht glücklich – aber was ist, wenn ich mit meiner Leistung absolut nicht zufrieden bin?

Nörgeln hilft nicht.

Beobachten aber schon! Beobachte deine Bilder wertungsfrei! Dann kann man von den eigenen Fehlern lernen. Mir hilft, dass ich mir selbst vorgaukle, dies sei nur die Vorzeichnung, die Skizze vor dem richtigen Bild.

Ich kann es ja nochmal tun! Durch diesen kleinen psychischen Trick bewahre ich das Glück.

Liebe Grüße ins Wochenende
Tine

Herzlichen Dank an alle, die gespendet haben!
Nach dem letzten Aufruf sind tatsächlich einige Spenden eingegangen – das hat mich sehr gefreut. Es zeigt, dass euch das Herz der Kunst am Herzen liegt.

Aber ich möchte euch eines bewusst machen: Die öffentliche Hand fördert eure Hobbys nicht. Unterstützung fließt fast ausschließlich in die großen Häuser, nicht in die freie Kunstszene, in Blogs oder in unabhängige Bildungsarbeit.

Ehrlich gesagt: Von über 5000 Leserinnen und Lesern im Monat spendet bisher nur eine Handvoll. Das ist schade, denn mit ein paar Euro von jedem könnte ich sehr viel mehr für euch auf die Beine stellen.

Ich möchte seit Jahren mehr für euch tun – aber das geht nur mit eurer Unterstützung.
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Herzlichen Dank fürs Mittragen und Dabeisein!
Eure
Tine Klein

 

EUR

Aquarellfarben auf dem Papier mischen.

Aquarellfarben auf dem Papier mischen. Tine Klei Aquarell Weingut Heidegg

So bringst du Licht und Schatten zum Leuchten – Aquarellfarben auf dem Papier mischen

Liebe Leser,
alles, was man beim Malen tut, ist letztendlich ein Spiel von Licht und Schatten. Und oft sind es die Schatten, die ein Bild interessant machen – sie bestimmen, wie ein Bild wirkt.

Die Schatten sind die grauen Eminenzen.

Sie sind die Hintergrundregierung eines Bildes und entscheiden, ob es Licht gibt, ob eine Farbe strahlt und welche Stimmung ein Werk hat.

Der Inhalt dieses Blogs hängt ganz eng mit dem Beitrag der letzten Woche zusammen, denn das fachliche Wissen dahinter ist im Grunde derselbe Wirkmechanismus.

Möchtest du also ein tieferes Verständnis, lies auch den Blog der letzten Woche.

Heute geht es um das Thema Aquarellfarben auf dem Papier mischen

– und dieses Thema ist enorm wichtig für Licht und Schatten im Bild. Warum?

Ist der Schatten im Bild grau und langweilig, wird es für den Maler schwer, die Stimmung des Bildes zu steuern. Wird der Schatten langweilig, werden Bilder schnell mittelmäßig, denn du verlierst viele Möglichkeiten, die Farbwirkung zu beeinflussen.

Aquarellfarben auf dem Papier mischen ist ein Abenteuer!

Man glaubt, eine fertig angemischte Farbe zu benutzen, sei ein sicherer Hafen. Man greift zu Paynes Grey oder Neutraltinte.

Doch wer immer dieselbe Farbe verwendet, malt immer wieder denselben Lichteffekt – in monotoner Wiederholung.

Das Mischen auf dem Blatt dagegen entfesselt die wahre Kraft des Aquarells. Denn dort, wo das Wasser fließt und das Pigment im Strom mit sich reißt, beginnt das, was die Technik des Aquarells so einzigartig und schön macht.

Hier entsteht ein lebendiges Spiel aus Zufall und Kontrolle. Und ich muss dir Mut machen:

Denn die kleinen Entgleisungen, das, was an den Fehler grenzt, ist genau das, was deinem Bild den Wow-Effekt beschert!

Aquarellfarben auf dem Papier mischen – wie macht man das?

Das Aquarellpapier ist leicht geneigt, damit die Farbe fließen kann. Du brauchst dafür keine Profiausrüstung und keine Staffelei – oft reicht ein Päckchen Taschentücher unter dem Papier.

Dann setzt du zwei flüssige Farben nebeneinander, die sich von allein mischen.

Dabei gibt es für Anfänger zwei technische Feinheiten zu beachten:

  1. Ist die Farbe zu nass, entstehen wenig schöne Effekte – sie mischt sich einfach wie Milch und Kaffee. Dumm gelaufen! Die Farbe sollte also flüssig, aber nicht klatschnass sein. Diese Konsistenz braucht ein wenig Übung.

  2. Der Pinsel sollte, wenn du die zweite Farbe aufnimmst, nicht völlig mit Wasser vollgesogen sein, sonst schaufelst du zu viel Wasser aufs Papier, und es entstehen unschöne Wasserränder.

Die Technik ist also leicht zu verstehen, braucht aber Übung. Am Anfang ist oft zu viel oder zu wenig Wasser im Spiel. Doch freue dich über die „Unfälle“. Umarme sie, denn sie sind das wahre Potenzial dieser Technik!

Warum Aquarellfarben auf dem Papier mischen so viel mehr ist als nur eine Technik

Wenn du Farben direkt auf dem Papier mischst, passiert etwas, das keine Palette der Welt leisten kann. Die Pigmente reagieren mit der Feuchtigkeit des Papiers: Sie sinken unterschiedlich schnell ein, stoßen sich ab oder fließen ineinander.

Das Ergebnis sind Übergänge, die organisch wirken – wie in der Natur.

Kein künstliches Mischen kann diese Tiefe, Transparenz und Leichtigkeit erzeugen. Auch die Papierstruktur spielt eine Rolle, denn in den Vertiefungen des Papiers sammeln sich Pigmente – und so hat jedes Papier seine eigene Wirkung.

Es entstehen Farb- und Schattenflächen von enormer Schönheit.

Anstatt dass eine Fläche einfarbig ist, entsteht ein Spiel aus zwei oder mehreren Farbtönen.

Aquarellfarben auf dem Papier mischen. Weingut Heidegg Tine Klein

Schau mal in mein Bild: Der Schatten des linken Hauses besteht aus Cobaltblau, Französisch Ultramarin und Gebranntem Siena. Die Farbe wechselt zwischen Himmelblau, Graublau, Violett und einem orangen Licht.

Das macht eine einfache graue Wand zum Hingucker! Das Haus wird durch den Kontrast zwischen Hell und Dunkel verstärkt, aber gleichzeitig ist es nicht monoton grau. Alle Synapsen in deinem Auge beginnen zu feuern – die für Hell und Dunkel und die für Farbe! Das Auge übermittelt dem Gehirn viele interessante Dinge.
Was passiert, wenn die Fläche nur grau ist? Dann werden im Auge nur die Synapsen für Hell und Dunkel angesprochen – und das ist für den Betrachter längst nicht so fesselnd wie ein lebendiges Farbspiel.

Aquarellfarben auf dem Papier mischen ist schön!

Das Schöne daran: Diese Art des Mischens zwingt dich, hinzusehen. Du beobachtest, wie sich die Farben verhalten, greifst ein oder lässt los. Mit der Zeit lernst du zu „lesen“, was die Farbe dir anbietet – das ist fast wie eine Konversation mit dem Bild.

Oft ist es ein Schock, denn es entstehen Flecken. Doch mit der Übung kommt das Gefühl dafür, welche dieser Flecken und Farbeffekte dein Bild beleben.

Das Ergebnis ist spannend – selbst Flecken fügen sich ein, weil sie einen lebendigen Farbklang erzeugen. Siehst du oben in der Burg?

Das erfordert Mut, denn man gibt Kontrolle ab.

Doch genau das ist der Punkt: Aquarell lebt davon, dass man dem Zufall eine Bühne bietet.

Aquarellfarben auf dem Papier mischen heißt, dass Fehler zu Möglichkeiten werden.

Ein kleiner Tipp zum Schluss: Feuchte Farbe hat eine Bremse – sie fließt nicht von selbst auf trockenes Papier.

Natürlich läuft dabei nicht immer alles nach Plan. Eine zu nasse Stelle, eine Farbe, die plötzlich davonschießt – doch wer das Mischen auf dem Papier beherrscht, weiß: Fehler sind keine Katastrophen, sondern Chancen.

Ein verlaufener Rand kann später zur Lichtkante werden. Eine unerwartete Farbmischung bringt plötzlich eine neue Stimmung. Gerade in diesen Momenten offenbart sich, wie lebendig das Aquarell ist.

Jeder vermeintliche Fehler ist ein Hinweis: Hier war Bewegung, hier war Leben.

Das Mischen auf dem Papier erzieht zur Gelassenheit – und zur kreativen Spontaneität.

Es ist eine Haltung: nicht gegen den Zufall, sondern mit ihm.

Ich wünsche dir dieses enorm gute Gefühl, dass du dich beim Malen nicht für deine Fehler beschimpfst, sondern dich wie ein Kind über neue Entdeckungen freust!

Praktische Vorteile, die man nicht unterschätzen sollte

Neben dem künstlerischen Aspekt hat diese Technik auch ganz praktische Vorzüge:

– Die Farben bleiben reiner und brillanter, da sie sich erst auf dem Papier verbinden.
– Sie unterstützt die Transparenz, die das Aquarell so charakteristisch macht.
– Und sie fördert einen individuellen Stil, weil jeder Pinselstrich ein Unikat bleibt.

Im Bild siehst du, wie die Farben ständig wechseln. Du möchtest ein wenig Herbst in den Bäumen? Dann leg einfach Gelb und Rot darunter, lehn dich zurück und sieh zu, wie die Farbe die Stimmung selbst gestaltet!

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Noch ein bisschen Wissen zum Schluss:

Doch der Anfänger muss ein paar Dinge beachten: Male nicht zu wässerig, denn sonst entstehen Flecken und zu blasse Farben. Beginne mit zwei Farben – dann ist das Steuern der Effekte einfacher zu begreifen.
Bei Schattenfarben sind Komplementäre wie Blau und Orange wunderbar.
Wenn du jedoch klare und helle Farben wünschst, sollte die Technik nicht mit komplementären oder deckenden Farben geführt werden.

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Herbstfarben – wie man sie zum Strahlen bringt

Hallo ihr Lieben, das Herbstwetter bringt Erkältungen mit sich – und so sind plötzlich ein paar Plätze in meinen Kursen frei. Eine seltene Chance für alle, die sonst keinen Platz ergattern!

https://www.boesner.ch/niederlassungen/veranstaltungen/licht-und-schatten-2-19375

https://www.boesner.ch/niederlassungen/veranstaltungen/licht-und-schatten-1-19371

https://www.boesner.ch/niederlassungen/veranstaltungen/licht-und-schatten-19369

 

Und gute Nachrichten: Der Mailverteiler funktioniert wieder, ihr könnt euch ab sofort neu anmelden. ❤

Herbstfarben Tutorial Aquarell Tine klein Schweiz

Herbstfarben – wie man sie zum Strahlen bringt

Auf ins Geschäft und strahlende Herbstfarben kaufen! Leider geht man damit oft baden.

Würde ich all das Geld für Farbfehlkäufe zurückbekommen, wäre ich heute eine reiche Frau. Juhhuu!

Die gute Nachricht ist: Man braucht erstaunlich wenig, um die perfekten Herbstfarben zu erzeugen. Denn die Wirkung entsteht vor allem durch ein paar malerische Tricks.

Der Herbst ist die Jahreszeit der Gegensätze. Und genau hier liegt der Schlüssel zu leuchtenden Farben.

Wer die Natur aufmerksam beobachtet, erkennt schnell, dass das Farbenspektakel aus den Kontrasten entsteht – im Grunde ist es nichts anderes als das Spiel von Licht und Schatten.

Die tiefstehende Sonne macht Schatten lang und dunkel, während die Farben gleichzeitig in goldenem Licht erstrahlen. Der Herbst bringt seine Strahlkraft also selbst hervor. Wenn wir diese Gegensätze bewusst einsetzen – leuchtende Farben neben Dunkelheiten – entstehen Bilder voller Spannung und Leuchtkraft.

Strahlende Herbstfarben sind also nicht allein eine Frage der speziellen Pigmente im Kasten, sondern vor allem das Ergebnis gezielter Kontraste.

Der erste Kontrast, der Herbstfarben zum Leuchten bringt, ist Hell gegen Dunkel.

Ein kleiner Tipp: Ein herbstliches Bild muss nicht düster wirken. Herbstfarben entfalten ihre Wirkung am besten, wenn man kleine Flecken sehr dunkler Farbe in die Nähe der leuchtenden setzt. So haben die Rezeptoren unseres Auges den direkten Vergleich – und die Farbe beginnt zu strahlen.

Links, in der hellgelben Wiese, liegen dunkelbraune Schatten und Zaunpfähle. Rechts grenzt die dunkle Hauswand an leuchtendes Orange und Gelb. Genau dieser Rhythmus aus Hell und Dunkel macht Herbstfarben lebendig.

Warm gegen Kalt – Spannung im Farbraum


Wie schon erwähnt, basiert die Leuchtkraft des Herbstes auf dem Spiel von Licht und Schatten.

Noch spannender wird es, wenn man zusätzlich warme und kalte Farben als Kontraste nutzt.

Die klassischen Herbstfarben – Ocker, Siena, Rotbraun, Orange, Weinrot – gehören zur warmen Farbpalette.

Ohne Gegenpol wirken sie jedoch schnell schwer und matt. Ergänzt man sie durch kühle Farben, erscheinen sie frischer und leuchtender.

Der orange Busch neben der Hütte wird belebt durch ein paar hellgrüne und blaue Spritzer. Du kannst viele Elemente nutzen: kühles Blau im Himmel, ein leicht grünliches Grau im Schatten oder ein Hauch von Türkis im Wasser. Dieses Wechselspiel von warm und kalt lässt die warmen Töne glühen.

Tipp: Verlasse dich nicht nur auf einfache Lösungen wie das Himmelsblau.

Viel besser wirkt der Kontrast, wenn du kleinflächig zwischen kalt und warm wechselst. Schau ins Bild: Links steht der kühle grüne Baum, der ein paar warme Spritzer in Orange erhalten hat. Auch an der Hütte findest du dieses Spiel aus kalt und warm.

Deckend gegen Transparent – Material als Gestaltungsmittel

Aquarell lebt von Transparenz. Aber gerade im Herbst lohnt es sich, ab und zu auch mit deckenderen Farben zu arbeiten. Einige wenige Akzente – etwa mit Ocker oder gebranntem Siena – können den transparenten Farben Gewicht geben. Dadurch wirkt das Bild satter und voller.

Tipp: Lass Blätter im Vordergrund mit einer deckenderen Schicht stehen, während die dahinterliegenden Schichten transparent bleiben. So entsteht Tiefe und Lebendigkeit. Und, seien wir ehrlich: Das Spiel von Licht und Schatten wird viel einfacher, wenn man ganz unkompliziert dunkle Farbe über helle legt.

Rechts bei den Lärchen neben der Hütte siehst du genau diesen Effekt.

Bunt gegen Grau – das Geheimnis der Leuchtkraft


Nichts bringt Farben so sehr zum Strahlen wie ihr Gegensatz zu gebrochenen Tönen. Der Herbst bietet sich dafür ideal an: graue Nebelschwaden, feuchte Wege, kahle Zweige. Ein leuchtendes Rot oder Orange wird inmitten von Grau besonders intensiv wahrgenommen.

Tipp: Mische deine Grautöne selbst – nicht nur mit Schwarz und Weiß oder fertigen Tubenfarben, sondern mit Komplementärfarben wie Rot und Grün oder Blau und Orange.

Diese gebrochenen Graus lassen die reinen Herbstfarben umso brillanter wirken.

Wie bringe ich mein Bild zum Strahlen?


Die dunklen Schatten lassen die leuchtenden Farben glühen wie Fackeln.

Dieses Wechselspiel von Hell und Dunkel ist der einfachste Weg, Herbstfarben zu aktivieren. Achte darauf, nicht alles gleichmäßig zu beleuchten – sonst verliert dein Bild an Spannung.

Das Strahlen entsteht, wenn der Betrachter Kontraste wahrnimmt. Zu viele kräftige Farben nebeneinander ermüden das Auge, genauso wie ein Bild voller Gleichmäßigkeit langweilt. Spiele also mit Gegensätzen – warm gegen kalt, hell gegen dunkel, bunt gegen grau – und baue dir bewusst Spannungsfelder im Bild auf.

Leuchtkraft entsteht weniger durch „mehr Farbe“, sondern durch das geschickte Inszenieren von Gegensätzen.

Liebe Grüße in den ersten Herbst
Tine

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