Korrigieren im Aquarell? Ja – mit der Lifting Technik

Korrigieren Im Aquarell? Ja, klar mit der Lifting Technik. Tutorial Tine Klein Aquarell Lago Maggiore

Mythos zerplatzt: Warum Aquarell längst nicht mehr unkorrigierbar ist!

„Aquarell verzeiht nichts!“ – das ist wohl einer der hartnäckigsten Mythen überhaupt. Viele glauben, dass man im Aquarell keine Fehler machen darf, weil die Farbe nicht korrigierbar ist.

Warum du bei diesem Satz getrost die Augen gen Himmel drehen kannst, verrate ich dir heute!

Im Kern geht es darum, dass du getrost Fehler machen darfst – und wie du sie ganz leicht wieder loswirst.

„Aquarell ist nur etwas für Meister!“, „Da kann man ja nichts korrigieren!“, „Viel zu kompliziert fürs schnelle Zeichnen unterwegs!“

– kommt dir das bekannt vor? Diese Sätze höre ich oft, und sie stammen meist von Menschen, die wenig Ahnung von Aquarelltechniken haben.

Doch die Wahrheit ist: Moderne Aquarellfarben lassen sich sowohl im trockenen als auch im feuchten Zustand erstaunlich leicht verändern.

Heute gilt: Vergiss die alten Mythen! Das Aquarell hat sich in den letzten Jahren radikal verändert – und mit ihm die Möglichkeiten.

Eine der wichtigsten neuen Möglichkeiten ist die Lifting Technik im Aquarell.

Liften bedeutet, dass etwas vom Papier abgehoben wird

– das heißt, man nimmt Farbe einfach vom Papier herunter. Man korrigiert das Gemalte direkt, unkompliziert und manchmal sogar mit einem frechen Augenzwinkern.

Diess sieht man hier am Dach oder an den Fenstern.

Farben können angelöst, ausgewaschen oder übermalt werden – und so wird das moderne Aquarell flexibel, lebendig und unkompliziert.

Wichtig dabei: Die beschriebenen Methoden sind nicht nur Korrekturtechniken. Viele nutzen sie ganz bewusst gestalterisch, um schnell und locker zu malen.

Feuchte Lifting Technik

Man macht das Papier feucht und legt mit großen Pinselstrichen beispielsweise einen Himmel oder eine andere größere Fläche an. Dabei arbeitet man zügig und entfernt sofort mit einem Taschentuch oder Lappen die nasse Farbe an den Stellen, wo sie später stören würde.

Das heißt: Ich wische etwa einen Turm aus dem Himmel heraus, lasse die Himmelsfarbe aber dort stehen, wo ich ohnehin später mit dunkleren Farben arbeite.

Zu beachten ist: Die Farbe darf nicht antrocknen. Auch offenporige Papiere, die die Farbe sofort aufsaugen, sind für die feuchte Lifting Technik ungeeignet.

Diese Technik macht Hilfsmittel wie Abdeckflüssigkeit in vielen Fällen nahezu unnötig. Das Aquarell wird dadurch schnell, direkt und unkompliziert.

Ein Beispiel für diese Technik findet man bei Viktoria Prischedko.

Trockene Lifting Technik

Aquarell lebt – auch wenn es trocken ist.

Früher galt Aquarell als Diva: Einmal falsch gesetzt, und der Fehler blieb.

Doch moderne, hochwertige Farben haben eine andere Formel. Viele Marken setzen auf fein gemahlene Pigmente und Bindemittel, die sich zwar gut mit dem Papier verbinden – aber nicht unwiderruflich.

Einige Hersteller haben für lösliche Farben eigene Symbole.

Tipp: Teste deine Farben! Male eine Fläche, lass sie gut trocknen, benetze die Stelle, die heller werden soll, mit Wasser. Warte ein paar Sekunden und wische die Farbe dann beherzt aus.

Reaktivierbarkeit / Wiederanlösbarkeit

Einige Marken (z. B. Schmincke, Daniel Smith, White Nights) geben an, wie gut sich getrocknete Farbe wieder anlösen lässt. In den Produktbeschreibungen gibt es dafür Symbole – allerdings sind diese nicht genormt. Jeder Hersteller hat eigene Zeichen, die du auf den jeweiligen Farbkarten nachschauen musst.

– Oft ist es ein S. Dies bedeutet Staining– Ein offener Kreis oder leerer Punkt kann auf gute Wiederanlösbarkeit hinweisen.
– Bei White Nights findet sich gelegentlich ein Wassertropfensymbol, das bedeutet, dass die Farbe sich gut mit Wasser reaktivieren lässt.

Tipp: Lege dir eine eigene Testkarte an mit Notizen wie „Liftet gut / mäßig / schlecht“. Wer mit viel Licht in seinen Bildern arbeitet, ist gut beraten, Farben zu nutzen, die sich gut liften lassen.

So kann man Aquarell entspannter angehen als je zuvor.

Weitere Tipps zum Liften

Nicht jedes Papier ist für die Lifting Technik im Aquarell geeignet.

Hochwertige Baumwollpapiere sind oft wunderbar für die feuchte Technik.

Die eigentlichen Stars sind jedoch heißgepresste Aquarellpapiere.

Wie bitte? Angeblich sind das die minderwertigen Aquarellpapiere!

Daran steckt ein Körnchen Wahrheit. Für Nass-in-Nass-Techniken sind Baumwollpapiere tatsächlich besser, da sie lange feucht bleiben und weiche Übergänge erzeugen. Wasserflecken und harte Kanten entstehen dort seltener, weil man mehr Zeit zum Arbeiten hat.

Viele Maler haben jedoch auf heißgepresstem Papier angefangen – und so haben sich in der Aquarellszene unzählige neue Techniken entwickelt, die genau auf diese Papiere abgestimmt sind.

Die Lifting Technik im Aquarell ist eine davon. Man kann das Aquarell dann fast wie eine Bleistiftzeichnung bearbeiten: Mit dem richtigen Pinsel ist sogar ein „Radieren“ möglich.

Robuste, hochwertig verleimte Oberflächen funktionieren am besten. Leider geben die Hersteller diese Information kaum auf den Verpackungen an. Hier hilft nur: Testen!

Beispiele:
– Hahnemühle Anniversary Edition (400 g/m²) – robust und zuverlässig.
– Hahnemühle Le Rouge – sehr gutes Liftingverhalten, allerdings dünner und leicht wellig.
– Arches Glatt – Baumwollpapier, das ebenfalls gutes Lifting erlaubt.

Welche Papiere nutzt ihr? Teilt eure Erfahrungen gerne auf Facebook und Instagram – davon profitieren wir alle.

Der richtige Pinsel für die Lifting Technik

Generell funktionieren Kunsthaarpinsel besser als Naturhaarpinsel. Vorteilhaft ist, wenn der Pinsel kurz gebunden ist, denn dann ist er härter und kann Pigmente besser abheben.

Wo findet man diese Pinsel? Meist nicht in der Aquarellabteilung – eher bei Schulpinseln oder Pastellpinseln.

Fazit zur Lifting Technik im Aquarell

Der Charme des Aquarells liegt in frei fließenden Farben. Deshalb sollte man beim Liften nicht übertreiben: zu viel Schrubben zerstört Papier und Bild.

Die Lifting Technik im Aquarell entfaltet ihre Stärke, wenn man sie beherzt, aber dosiert einsetzt.

Liebe Grüße Tine

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