Die Pinseluhr – lerne das perfekte Timing beim Aquarell
Für Joseph Zbukvic – in tiefer Dankbarkeit für das Geschenk der Pinselkontrolle – was bei mir zum heiteren und überschwänglichen Malen führt!
Was nun kommt, ist nicht auf meinem Mist gewachsen, ich habe davon das erste Mal in einem Buch von Joseph Zbukvic gelesen – und bin danach in eine Krise gestürzt, denn beim Malen war nichts mehr so wie am Tag zuvor!
Eine Krise, die sich gelohnt hat – auch wenn ich geflucht habe wie ein Hafenarbeiter … Und dieses Geschenk möchte ich nun euch machen hahaha … XD
Doch hast du dich mal gefragt, warum es bei einigen Menschen so locker-leicht von der Hand geht?
Und warum deine eigenen Aquarelle oft nicht so locker-leicht oder strahlend daherkommen, wie du es möchtest?
Genau dann möchte ich dir dieses mächtige Werkzeug ans Herz legen: die Pinseluhr.
Nein, hier geht es nicht ums Zeitstoppen – sondern darum, dass du mit einem Blick auf dein Papier und deinen Pinsel ganz genau einschätzen kannst, wie du deine Farbe anrührst und wann du sie aufs Papier bringst.
Und das hat tatsächlich viel mit der Konsistenz Tee, Kaffee, Sahne und Butter zu tun – und mit der Frage: Wie feucht ist mein Papier gerade?
Joseph Zubukvic hat diese Konsistenzen so benannt, weil dies dir hilft, die Konsistenz von Farbe, also ihren Wassergehalt zu begreifen.
Was ist die Pinseluhr?
Die Pinseluhr ist eine wunderbare Vorstellungshilfe,
die dir hilft, zwei entscheidende Dinge immer im Blick zu haben:
-
die Konsistenz deiner Farbe
-
den Feuchtigkeitszustand deines Papiers
Stell dir eine Uhr vor, die zwei Zeiger hat.
Der eine Zeiger zeigt die Farbe an – von ganz dünn (Tee) bis dick (Butter). Der andere Zeiger zeigt an, wie nass dein Papier ist: vom triefend nassen Blatt bis hin zum knochentrocken getrockneten Papier.
Damit bekommst du zuerst einmal die Beobachtung hin: Was passiert, wenn …?
Und daraus resultiert später das absolut perfekte Zusammenspiel von Papier und Farbe – und genau darum geht’s beim Aquarell. Hier treffen Wasser, Pigment und Papier in einem Tangotänzchen aufeinander – mal sind die Effekte unkontrollierbar, weich oder spielerisch, ein andermal hart und brutal.
Je nachdem, was mehr Wasser hat – Pinsel oder Papier – entstehen vollkommen unterschiedliche Effekte.
Und das führt dazu, dass das Aquarell am Anfang enorm schwer zu verstehen ist und verwirrend wirkt. Doch dass das Aquarell unverzeihlich und unkontrollierbar ist, stimmt absolut nicht.
Die Pinseluhr gibt dir die Möglichkeit, das Tänzchen zwischen Pinsel und Farbe zu hinterfragen und zu verstehen!
Und damit verwandelst du dich vom Opfer am Pinsel zum Dirigenten!
Die Pinseluhr – das Grundprinzip:
Die Konsistenz der Farbe – der erste Zeiger der Pinseluhr:
Tee (12 Uhr): Ganz dünn, fast durchsichtig. Ideal für erste Lasuren, große Himmel, leichte Schatten. Zarte Lichter im Wasser.
Kaffee (3 Uhr): Flüssiger und kräftiger, schön für satte erste Farbschichten. Zum Beispiel das Grau in den Wolken, oder der obere Teil des Himmels.
Sahne (6 Uhr): Deutlich deckender, cremig. Nutzt du für Akzente oder um bestimmte Bereiche hervorzuheben. Satte finale Farbschichten, oder wenn man in feuchter Farbe malt. Die Dunkelheiten im Bild.
Butter (9 Uhr): Sehr dick, fast pastos. Für kleine dunkle Effekte oder für deckende Highlights. Oder wenn man in sehr feuchter Farbe malt. Oder den trockenen Strich -> sieht man hier:
Der Feuchtigkeitszustand des Papiers der zweite Zeiger der Pinseluhr:
Triefnass (12 Uhr): Gerade eben eingeweicht oder frisch befeuchtet. Oder ungewollt XD – die klassische Pfütze.
Feucht (3 Uhr): Das Papier glänzt noch, aber es saugt schon leicht – schöne Verläufe, aber etwas mehr Kontrolle.
Klamm (6 Uhr): Das Papier ist nur noch ganz leicht feucht. Hier kannst du sanft schichten, ohne dass alles verläuft. Sanfte Kanten.
Trocken (9 Uhr): Jetzt ist alles fest – deine Farbe bleibt exakt da, wo du sie hinsetzt. Für Details und harte Kanten.
Warum braucht man dieses Doppelprinzip, wie bei der Uhr?
Viele Fehler beim Aquarell entstehen, weil man nur einen der beiden Faktoren beachtet.
Zum Beispiel: Du hast die perfekte Kaffee-Konsistenz angerührt – aber dein Papier ist noch triefnass. Ergebnis: Die Farbe verläuft viel zu stark und verliert ihre Kraft. Der Effekt ist leicht zu erklären: Hier kippt man eine Flüssigkeit in eine Flüssigkeit. Ich würde schon absolut verdattert gucken, wenn ich mir Milch in den Kaffee kippe und in meiner Tasse malt sich ein perfekter Monet!
Also ist das wichtigste Augenmerk, wieviel Wasser ist im Pinsel und auf dem Papier!
Oder du hast super cremige Sahne-Farbe auf komplett trockenem Papier – das gibt harte, fast zu pastose Flecken. Mich erinnert das an die Babycreme, die ich den Kindern auf den Hintern schmierte – es ergibt sich einfach kein perfektes Malerlebnis XD.
Wenn man logisch darüber nachdenkt, dann erklären sich viele der eigenen Misserfolge im Aquarell von selbst.
Es ist immer das Wasser, dass nicht stimmt!
So wendest du die Pinseluhr an:
Am besten testest du die Konsistenzen der Farbe mit den Feuchtigkeitsgraden des Papiers.
- Wo steht der Zeiger bei meiner Farb-Konsistenz?
- Wo steht der Zeiger beim Papierzustand?
Nach und nach wirst du Muster erkennen.
Du möchtest etwas klar und exakt malen?
Dann wirst du bemerken: Ein feuchter Pinsel auf trockenem Papier sorgt für eine scharfe Kante (von Tee bis Sahne).
Du möchtest einen weichen Himmelsverlauf ohne Ansatzspuren?
Der Pinsel muss nass sein, Konsistenz Tee oder Kaffee – das geht auf trockenem Papier oder auf feuchtem Papier.
Du möchtest weiche Übergänge, zum Beispiel in Wolken?
Dann brauchst du feuchtes Papier, hingegen weniger Wasser im Pinsel – Konsistenz Sahne oder Butter.
Mein Tipp für die Praxis:
Male dir zur Übung ein Blatt, das in vier Abschnitte unterteilt ist. Mach auf jedem Abschnitt die gleiche Farbe – aber variiere den Feuchtigkeitszustand des Papiers. Du wirst staunen, wie unterschiedlich die Ergebnisse sind! Schreib daneben, zu welcher „Uhrzeit“ du welche Effekte erzielst. So lernst du, dein Papier, deine Farbe und deinen eigenen Malstil zu verstehen!
Teste alle Möglichkeiten der Pinselfeuchtigkeit für jede Nässe des Papiers durch!
Fazit:
Die Pinseluhr ist ein sehr einfaches System – aber dieses kleine System bringt dich raus aus deiner Komfortzone.
Du wirst damit viel bessere und wunderbare Aquarelle malen.
Je besser du das Zusammenspiel von Farbe und Papier im Blick hast, desto leichter wirst du das Aquarell aufs Blatt zaubern. Diese Art zu malen wird deine zweite Haut werden – es ist wie Fahrradfahren: Am Anfang ist es wirklich sauschwer.
Als Lehrerin bin ich eine Fee, ich gebe dir, was du brauchst! Doch eines kann ich dir sagen: Im Mittelalter hätten sie mich zusammen mit meiner Katze verbrannt! Du wirst mich für eine Hexe halten, denn der Einstieg in ein wirklich verstandenes Aquarellieren tut weh.
Du wirst dir viele alte und lieb gewonnene Angewohnheiten austreiben müssen,
denn nur so klappt’s! Glaub mir, die Mühe ist es wert, und nach und nach wirst du es schaffen. Wenn andere dich malen sehen, werden sie es für Magie halten!
Viel Freude beim Experimentieren!
Liebe Grüße
Tine
Bitte lies auf jeden fall den Blog der letzten Woche! Der wird dir ebenfalls helfen. Der Link ist unten!
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