Die Seele eines Ortes
Tine Klein: Gemüsebrücke in Zürich: Der Herbst ist da (hat sich in Zürich noch nicht rumgesprochen 🙂 24 Grad heute, letzte Woche war aber ein Tag Herbst zu Besuch)
Sehr viele Bilder gehen dadurch kaputt, dass sich die Maler von realen Farben durch die Gegend scheuchen lassen. Sie rennen mit ihrem Pinsel wie angestochen durchs Bild und hinterlassen eine wirre Spur an Farben, weil das ja so real ist.
Die Farbstimmung eines Ortes ist etwas sehr Spontanes, sie kann sich je nach Wetterlage oder Beleuchtung innerhalb von Sekunden oder Minuten ändern.
Und deshalb muss man die Grundfarbe und ihre Farbstimmung durchziehen wie ein Schmetterball im Tennis
Farbstimmung durchziehen
Es ist merkwürdig, dass Bilder umso harmonischer wirken, desto aggressiver man diese Grundstimmung durchgezogen hat.
Sehr schnelle, selbst aggressive Pinselbewegungen, die ganze Bild mit einer Farbe bedecken, sorgen später dafür, dass eine enorme Harmonie entsteht. Denn diese Farbe sorgt dafür, dass das Bild einen Zusammenhalt hat.
Wer Harmonie in seinen Bildern möchte und wirklich die Seele eines Ortes einfangen will, der muss aufhören Farben isoliert zu betrachten.
Die Farben hängen zusammen, es geht nicht um einzelne Teile, es geht um die Farbe des gesamten Motivs. Ein Bild braucht ein Rückgrat und deine einzelnen Knochen würden dir auch nichts nützen, wenn diese nicht verbunden wären.
Die Ruhe und Identität eines Ortes stellt man dadurch da, dass man die einzelnen Farben mit einer Grundfarbe verbindet.
Hat man die Farbstimmung erst mal eingefangen, dann kann man Kapriolen schlagen, denn die Farbstimmung wirkt wie ein Beruhigungsmittel.
Naja, ich würde es nicht ein schweres Beruhigungsmittel nennen, eher ein ein gutes Glas Wein, das einen in Stimmung versetzt.
Die Farbstimmung gibt der Freiheit
Die Farbstimmung gibt einem eine enorme Freiheit, einerseits ist man natürlich gebunden, weil man die Hauptfarbe durch das Bild sieht und alles ignoriert, was nicht in dieses Bild passt. Andererseits jedoch kann man die verrücktesten Einfälle umsetzen, weil das Bild ein gewisses Rückgrat hat und dieses Rückgrat stützt auch bei verrückten Einfällen.
Wie findet man die richtige Farbstimmung?
Erst einmal ist es sehr sinnvoll davon auszugehen, was man eigentlich um sich herum sieht. Wenn eine Stadt wie sie Siena also schon gelb heißt, dann ist es sicherlich sehr einfach die passende Farbstimmung zu finden.
Eine sehr schöne Aufgabe ist es, sich einfach mal, wenn man sich bewegt oder irgendwo sitzt, zu fragen: Welche Farbstimmung habe ich hier eigentlich? Welche Farben herrschen vor?
Ein anderer Ansatz ist es, sich an der gleichen Stelle zu fragen, welche Farben müssten eigentlich vorherrschen, um das was sich hier besonders liebe besonders gut zu zeigen?
Andererseits gibt es natürlich auch emotionale Farbstimmungen, immer wenn Tage sehr heiß sind, dann neige ich dazu gelb zu malen, weil der Tag für mich heiß und gelb ist.
Farbstimmungen sind veränderlich
Farben sind Stimmungen und Stimmungen verändern sich. Natürlich sind es auch die Wettereinflüsse oder Reflexionen, die dafür sorgen, dass sich Farben in Bildern stark verändern.
Farbstimmungen werden durch Wetter und Licht verändert
Hinzu kommt, dass Malen etwas sehr Emotionales und Persönliches ist. Die Wenigsten begreifen, wie stark ihre Wahrnehmung die Welt verändert. Es ist in Bildern enorm wichtig, dass man sich die Freiheit nimmt.
Die Kunst ist der einzige Platz auf dieser Welt in der du keinen Regeln unterliegst.
Und deine Emotionen sollten schon gar nicht irgendwelchen Regelungen unterliegen. Bewertungen und wie wir Dinge wahrnehmen, dies liegt ganz stark an unseren Emotionen.
Unsere Emotionen verändern Tatsachen
Farben sind Emotionen, denn sie tragen in unseren Bildern die Stimmung. Oft haben Schüler enorme Hemmungen Bilder nach ihren Emotionen zu verändern, dabei ist ihnen überhaupt nicht klar, dass wir das alle jeden Tag tun.
Wir sehen doch nur, was wir sehen wollen!
Es ist doch zum Brüllen, dass einige Hemmungen haben Bilder nach ihren Gefühlen zu verändern, andererseits aber ihren neuen Partner Sexgott betrachten und der schon wenige Wochen später ein grauer Vollidiot im Unterhemd ist. So verändert Wahrnehmung unsere Umwelt.
Wer malt regiert
Tatsächlich regieren also unsere Gefühle die Ansicht zu einer Sache. Nur unser Gefühl kann aus einem Sexgott einen Vollidioten machen. Um jetzt noch einmal zur Malerei zurückzukommen, ist also unsere wichtigste Aufgabe uns zu fragen, was fühlen wir eigentlich zu diesem Motiv?
Denn in der Kunst ist es ganz wichtig, dass wir unsere Emotionen und Gefühle herauslassen, denn dann werden die Bilder stark.
Natürlich weiß ich das es vielen Menschen schwer fallen wird sich von den realen Farben eines Motive zu lösen. Und das will oder soll man mitunter auch gar nicht. Ich muss mich nicht von der Farbe eines Motive lösen, denn genau die kann ja sein ,die meine Emotionen dazu ausgelöst.
Vergiss niemals sensibel zu sein. Die Stärke von Künstlern ist ja zu reagieren.
Aber wenn du auf jede einzelne Farbe im Bild so reagierst, ist das, als wenn du dich durch die Gegend scheuchen lässt, wie ein kopfloses Huhn. Dann wird dein Bild, den Ort oder dein Gefühl dazu nicht wiedergeben können.
Im Grunde schwankt ein guter Künstler in seinen Bildern immer zwischen regieren und reagieren.
Die Kunst ist es letztendlich dafür ein Fingerspitzengefühl zu entwickeln.
Was will ich? Was kann ich? Und was darf ich?
Das wirst du selbst ausprobieren müssen.
Letztendlich kann ich dir nur den einen Tipp geben: Versuch mal die Farbe des Ortes oder das Gefühl zu einem Ort in eine Grundfarbe zu kleiden. Du wirst dann wahrscheinlich merken, dass deine Bilder sehr viel ruhiger und stärker werden.
Finde deinen eigenen Weg, je persönlicher desto besser. In der Regel finden Menschen die Farbstimmung wie Schlafwandler. Wenn ihr hier mal in den Weihnachtsblock schaut, dann betrachtet mal all die gesammelten Bilder unter dem Aspekt Farbstimmung.
https://blog-herz-der-kunst.ch/merry-x-mas-and-a-happy-new-year/
Zieh dein Farbstimmung durch wie Schmetterball…
Welche Farbe hat sie denn nun? Welche Farbe hat die Gemüsebrücke? Na, beide! Denn die Welt ist so wie sie ist, die Wirklichkeit ist veränderlich.
Liebe Grüße ins Wochenende Tine
Wie Gedanken die Welt verändern:
Sehr hilfreich für die Kunst ein Vortrag von Paul Watzlawick aus dem Jahr 1963. Frag dich mal, was dies für die Kunst heißt?
Paul Watzlawick: Wie wirklich ist die Wirklichkeit
Pingback: Farbvariation - Farbe ist Licht in Tuben - Atelier Herz der Kunst