Eine grafische Reportage, was ist das?
Eine grafische Reportage zeigt mehr als ein Bild. Normalerweise seht ihr so ein Bild von mir! Ihr wisst aber gar nicht, was da noch alles ist?
Denn dies ist auf der Rückseite der Brücke der Urania Stenwarte.
Man kann aber Zeichnen wie ein Reporter, es geht darum Dinge ganz klar zu zeigen, vielleicht sogar das, was einem sonst entgehen würden.
Grafische Reportagen machen Blicke sichtbar! Denn dies ist der Blick über das andere Geländer.
Heute werde ich Euch mal im Stil des klassischen Reportes zeigen, was es in meinem Kiez noch alles gibt!
Unter uns befindet sich das Fundbüro für immaterielle Dinge: Meiner Meinung nach der wichtigste Ort der Welt, denn hier kannst du deine verlorene Liebe melden. Ich melde nächste Woche meinen verlorenen Menschenverstand, den bringe ich dann zurück in die Politik.
Im Grunde ist eine grafische Reportage ein Comic
Meine Mutter würde sagen, das ist ein Comic, lies lieber ein richtiges Buch!
Eine grafische Reportage kann viel wertvoller als ein Foto sein, denn im besten Fall zeigt sie das Wissen und die Einstellung einer Person zu einem Ort.
Projekt: Zeig mir deinen Kiez
Die Berliner nennen ihren Stadtteil oder den Raum in der Stadt in dem sie sich bewegen, also ihre Mini-Heimat in der Stadt, ganz liebevoll: mein Kiez!
Grafische Reportagen sind im Trend, anders als ein Comic zeigen sie die Welt durch die Augen eines Reporters mit Stift. Diese kleinen Reportagen sind zauberhaft, denn sie stechen aus der Masse der Bilder heraus, weil sie die Welt durch die Augen eines Menschen zeigen.
Im Grunde sind sie nicht anderes als ein Reiseskizzenbuch, gewürzt mit Text und Bild, das Erinnerungen ganz persönlich festhält. Ihr werdet sehen, es wird sehr, sehr interessant, denn ich kann Euch garantieren, nach wenigen Minuten hat man selbst in der Heimat Dinge entdeckt, an denen man ein jahrelang vorbeigelaufen ist!
Ich habe mir angewöhnt meine Lieblingsorte noch mal mit Stift und Skizzenbuch zu durchstreifen, einfach damit ich das zauberhafte Verborgene sammeln kann.
Identität! Zeig mir was Schönes!?
Die Reportage mit Stift ich werde zu Sherlock Holmes!
Sherlock Holmes regt sich immer darüber auf, wie achtlos seine Mitbürger sind! Jetzt laufe ich mal meinen wundervollen Arbeitsweg ab und schaue was es zu entdecken gibt!
Das Erste was ich merke, ein Stift öffnet die Augen!
Ich merke auf dem Lindenplatz, dass ist nur die Treppe hoch vom Urania, dort haben viele Menschen ihr zweites Wohnzimmer.
Ausruhen im Unterhemd, das würde ein Zürcher nie tun, wenn er sich nicht absolut geborgen fühlt:
Tine Klein: alter Zürcher beim Schach auf dem Lindenhofplatz
Wenn ich durch die Gegend haste, dann werde ich wie 99 Prozent der Menschen total blind für die Schönheit und die kleinen Details. Mein Arbeitsweg ist geschichtsträchtiger Boden und ich wusste es nicht!
Jetzt stöbere ich herum, ich schau mal wo die Mülltonnen der Sternwarte stehen und belohnt werde ich mit diesem Blick:
Tine Klein: So toll steht der Müll an der Urania Sternwarte
Zeig mir deinen Kiez mit Stift! Das Thema: Entdeckungsreise Alltag!
Eine Entdeckungsreise im Alltag durch eine grafische Reportage, wie mache ich das? Tatsächlich gibt es keine Regeln, was du dir in deinem Kiez ansehen solltest. Wichtig ist, dass man anders durch diesen Ort geht, als wenn man zur Arbeit hetzt, mach die Augen und Ohren auf und zeig uns was du gefunden hast!
Die Herangehensweise ist so unterschiedlich wie die Menschen!
Grafische Reportagen können sehr unterschiedlich sein, so unterschiedlich wie die Menschen.
Der Eine sagt, ich zeige einfach was ich sehe. Meine Lieblingsfrage ist :
Was ist die Seele, was genau ist typisch hier?
Hier in der Schweiz haben Steinarbeiten eine ganz besondere Tradition. Dieser kleine Schweinkram ziert eine Säule des Bauamtes und verleiht ihm mittelalterlichen Charme:
Tine Klein: Schweinkram an der Säule vom Bauamt
Dinge die Dir vernachlässigungswürdig normal vorkommen, können etwas Besonderes sein! Als ich nach Italien zog, hing da überall Wäsche, das kannte ich nicht. Also was ist eigentlich bei uns normal?
Sehr liebe ich auch die Frage: Was habe ich übersehen? Oft bin ich auf der Suche nach den wundervollen Orten des zweiten Blicks.
Diese beiden Engelchen waren so etwas, was ich einfach übersehen hatte!
Grafische Reportage heißt für mich, ich zeige den räumlichen Bezug, leider streikt dabei nicht selten der Scanner, deshalb seht ihr dies nicht so oft.
Ich persönlich schaue mich dort wo ich eine Graphische Reportage mache erst mal um. Ein richtiges System habe ich nicht, aber ein paar Tricks:
Der Blick nach oben! Ich zeichne gerne Dinge nach denen sich Fußgänger umschauen um zu wissen wo sie sind. Als erstes Skizziere ich meistens meinen Orientierungspunkt:
In dem Kiez in Zürich, wo ich heute meistens arbeite ist das die Urania, die Kuppel der Sternwarte.
Zauberhafte Ideen für grafische Reportagen:
- Der Blick von Oben oder die Straßenkarte, das liebe ich, denn so entdeckt man wie die Stadt gewachsen ist!
- Erzähl mir deine Geschichte: Was ist das Liebste was du hier hast?
- Zeig mir was Normales
- Zeig mir was Ungewöhnliches
- Was ist das geschichtsträchtigste Haus in der Umgebung? Oder wer ist eigentlich die Statue? Gibt es einen Brunnen? Ist hier mal was Außergewöhnliches passiert?
- Was ist hier eigentlich das Älteste?
- Und was hat sich gerade verändert, also das neueste?
- Wo finden wir etwas zauberhaftes Kleines?
- Zeig mir den schönsten Blick
- Zeichne mir die Leute, was machen die so auf der Straße? Gibt es Hobbies?
- Baustil: Welche Fenster, Türen oder Ornamente gibt es?
- Tiere erobern immer das Herz. Welche gibt es hier?
- Zeig mir das Wasser.
Aber im Grunde brauchen wir solche Listen nicht! Was über das eigene Leben lernen! Machen wir doch die Augen auf!
Liebe Grüße ins Wochenende
Tine
Habt ihr eine eigene grafische Reportage? Dann schickt sie mir. Ich sammele Eure Werke und zeige sie dann! Ich selbst kenne nur ein spanisches Buch, kennt jemand ein deutsches oder englisches Buch?
Hast du Lust mehr zu lesen:
Der Blick ist das Ahh und das Ohhh
Hier noch eine kleine Reportage der Schweizerin Maria aus aus Berlin:
Die Geschichte dazu, denn Geschichten erzählen ist das wichtigste:
Maria war im Kino : „Noch im Film – dem Film 2+2 = 22 THE ALPHABET von Heinz Emigholz – notierte ich mir den Satz aus dem Film “Ungestaltetes Aufeinanderprallen architektonischer Absichten” (war eigentlich als Kommentar zu Gebäuden und Strassenzügen in Georgien gesprochen) in mein Leuchtturmnotitzbüchlein.
Auf dem Nachhauseweg bemerkte ich diese blauen Leitungsrohre, die den normalen Strassenzug ganz verändert aussehen liess. Also setzte ich mich auf eine Kante dieser Rohre und skizzierte den Strassenausschnitt und versah ihn mit Gedanken zum eben gesehen Film.“
Tine: Eine neue Erfahrung ist ein neuer Blick
Liebe Tine, ich kenne deinen Kiez schon seit meiner Jugend. Aber so prickelnd voller Romantik habe ich ihn noch nie gesehen. Eine Welt zum Verlieben…
Guten morgen Tine.
Das ist ja eine tolle Idee. Ich wohne ja in einem sehr kleinen Dorf in Norddeutschland, da denke ich oft hier gibt es nichts zeichenwertes. Mit Deiner Liste werde ich mich nach dem Urlaub mal auf den Weg machen und mein Dorf erforschen. Vielen Dank für diesen Denkanstoß.
Liebe Grüße aus dem verregneten Norden Deutschlands.
Bine