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Licht sehen und Licht malen:
Bist du blind? Ich sehe dich schon schmunzeln – nein, die wenigsten Blinden lesen Blogartikel. Das meine ich aber nicht!
Jeder Mensch hat erstaunlich viele Tomaten auf den Augen.
Erst wer malen lernt, merkt, dass man erstaunlich wenig sieht. Die Sehfähigkeit des Menschen entwickelt sich erst langsam mit dem Malen.
Maler sind im Vorteil, denn im Alltag sieht der Mensch vermeintlich wenig.
Tomaten auf den Augen:
Es ist fast lustig, was der Mensch im Alltag nicht sieht.
Im Supermarkt finde ich ab und zu Dinge nicht, obwohl ich direkt davor stehe.
Ich muss wohl erst mit der Nase dran stupsen, um sie zu sehen.
Es gibt Versuchsaufbauten zum Thema Sehen, die fast erschreckend sind, weil der Mensch so blind ist. In dem Buch Der Affe mitten unter uns wird beschrieben, dass Menschen bei einem spannenden Thema nicht merken, wenn mitten im Vortrag der Sprecher durch einen anderen Menschen ausgetauscht wird – nicht einmal, wenn die Hautfarbe des Redners wechselt.
Da muss man kurz durchatmen, oder?
Die Menschheit lebt im Blindflug. Und genau das macht uns das Malen so schwer.
Licht malen heißt es erst mal sehen!
Und das ist nicht so einfach. Denn wir haben vorgefertigte Meinungen in unserem Kopf.
Ein weißes Boot sehen wir weiß, obwohl es durch Schatten und Reflexionen des Wassers blaugrau ist.
Tatsächlich ist das Boot nicht zwingend hell!
Eines der Boote ist tatsächlich hell – das vordere jedoch nicht. Trotzdem drängt uns das Gehirn oft dazu, Dinge, die eigentlich weiß sind, automatisch auch hell zu malen. Dabei ist der Gegenstand in Wirklichkeit durch Schatten und Lichtverhältnisse oft deutlich dunkler.
Licht sehen ist richtig schwer – nicht, weil es unsichtbar ist, sondern weil uns das Gehirn dazwischenfunkt!
Als Maler muss man bewusst den Sehmodus anstellen oder sich zwingen, etwas anderes zu malen als das, was man glaubt zu sehen!
Und auch dann ist es sehr schwer, das Licht ins Bild zu holen. Oft ist man sehr enttäuscht, weil ein strahlend heller und schöner Tag gemalt nur müde aussieht.
Doch es gibt Tricks, wie man das Licht auf das Blatt holt!
Heute möchte ich dir ein einfaches Spiel vorschlagen.
Zuerst die Einführung und das Know-how zum Licht malen:
Wenn pralle Sonne auf ein schwarzes Dach scheint, dann reflektiert sie. Das Dach ist nicht mehr schwarz.
Das Dach in unserem Kopf ist und bleibt jedoch schwarz.
Unser Wissen um Dinge ist für den Sehprozess eine Nebelbombe.
Die Ausgangsposition für unser heutiges Spiel ist die Frage:
Was ist hell? Licht malen heißt weglassen.
Dieses Mal versuchen wir aber nicht, den Tonwert abzuschätzen. Der Tonwert hieße, abzuschätzen, wie hell etwas ist. Und wie wir festgestellt haben, können wir das nicht.
Dieses Mal machen wir es wie Donald Trump: Wir behaupten einfach, es ist hell!
Wir bestimmen: Alles, was in der prallen Sonne ist, ist hell oder bleibt weiß.
Stärke deine Willenskraft! Denn es wird unendlich schwer sein, Dinge, die eigentlich schwarz oder dunkel sein sollten, weiß zu lassen.
Licht malen heißt weglassen.
Du wirst dein Gehirn überlisten müssen – doch es wird sich lohnen!
Plötzlich werden dann ganz schlichte, langweilige Motive zum Hingucker! Weil sie strahlen.
Licht malen, heißt es nicht zu malen – wir lassen das Papier weiß!
Und wenn wir dafür schamlos lügen!
Das Licht bleibt weiß.
Mit diesem einfachen Trick schnappt man sich das Licht.
Du wirst sehen, es lohnt sich.
Tipp eins: Mache zuerst eine Grauskizze und dann stürze dich mutig ins Aquarell.
Erst dann merkst du, was weiß bleiben muss.
Schau mal, hier ist das Bild bei der Berghütte – da habe ich konsequent alles, was im Licht war, weiß gelassen.
Liebe Grüße ins Wochenende,
Tine
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