Weiß macht einen riesigen Unterschied
Nahe Castel Novo in den italienischen Bergen
Hallo liebe Leser und Schüler, heute möchte ich über einen klassischen Workshop-leitersatz sprechen, der immer mal wieder mit 85 Dezibel im Befehlston durch den Raum fliegt:
Stooooooopppp!!! Aufhören!!! Nicht alles zumalen!
Wenn dieser Satz fliegt, dann haben Mallehrer nicht ihre dominanten Neigungen entdeckt, sondern sie versuchen das Bild des Schülers zu retten.
Was soll das eigentlich heißen: Mal nicht das Bild zu?
Bilder werden zauberhaft, eindrucksvoll und räumlich, wenn sie Licht und Schatten enthalten. Immer dann, wenn sie mindestens 3 Stufen des Lichts, also hell, mittel und dunkel haben, werden die Bilder interessant und abwechslungsreich.
Jetzt passiert gleich in der ersten Phase des Malens folgendes:
Die Helligkeit und das Licht sehen aus wie ein Loch.
Das Loch scheint nicht richtig zu sein und es entsteht ein regelrechter Drang all diese Löcher zu schließen
Deshalb überpinseln viele unerfahrenen Maler das gesamte Licht.
Die Folge ist, dass das Bild ohne Einsatz von weißer Farbe gar nicht mehr gut werden kann. Schade den gerade das Papierweiss ist leuchtend und passt sich am besten in das Bild ein.
Weiße Löcher ziehen den Pinsel an wie schwarze Löcher.
Möchtest Du also ein gutes Bild? Es bleibt Dir nicht anderes übrig als das Weiß zu schützen.
Das Weiß retten… aber wo?
Die Tatsache das ein strahlend weißer Fleck im Bild erst einmal blöd aussieht bleibt.
Viele Schüler hadern noch kurz vor dem Schluss mit diesen harten weißen Flecken und ruinieren erst dann das Bild
Der weiße Fleck ist so unangenehm, weil er ein Nichts ist.
Tatsächlich ist es auch so, dass nicht jeder weißer Fleck gut ist. Es gibt auch die störenden weißen Flecken, die tatsächlich das nichts sind und diese bleiben unangenehm für das Auge. Bleibt die Frage: Was muss weiß bleiben und welches Nichts muss weg.
Das Nichts gestalten!
In dieser Phase des skizzieren mit Aquarellfarbe ist das Bild weder Fisch noch Fleisch.
Weiße, ausgefranste Katen ziehen unangenehme Aufmerksamkeit
Bei der Nummer 1 habe ich mal mit weißem Stift hereingekritzelt, was ich bei meinen Schülern ganz oft finde. Die Schüler haben Angst dass die Farben ineinander laufen, deshalb entstehen zwischen zwei Motivteilen ungewollte und unregelmäßige weiße Flächen. Diese krakeligen weißen Linien sind ungenutztes Papier, weil man etwas Sicherheit braucht, damit die Farbe nicht ineinander läuft.
Ausgefranste Flächen bringen Unruhe und sind nur dort gut wo sie einen Sinn haben.
Diese weißen Flächen sind schlicht einem Verarbeitungsfehler geschuldet, wer mit Komplementärfarben arbeitet, muss die Farben bevor er weiter arbeitet trocknen lassen, sonst vergraut das Bild. Eine gezackte weiße Linie mitten im Bild ist keine Lösung. Die beste Lösung ist das Bild einfach ein 2 Minuten trocknen zu lassen und dann weiterzuarbeiten.
Solche unsinnigen weißen Krakel-Linien müssen weg, denn sie haben nichts mit dem Bild zu tun.
Hier gilt es Ungewollte Augenmagnete zu beseitigen.
Weiss braucht Struktur
Nummer 2 ist das gute Weiß, was wir auf jeden Fall stützen müssen. Dieses Weiß hat im Bild seinen Sinn, denn es zeigt die Flächen die das Licht reflektieren.
Malst du das zu, geht das Licht aus!
Leider sieht man dieses Phänomen in dieser Phase des Bildes überhaupt nicht und deshalb möchte man diese Flächen magisch zu malen, dabei fehlen aber nur ein paar Strukturen und schon erkennt das Auge was diese leere, vielleicht weiße Fläche ist.
Ein häufiger Fall sind weiße Hauswände, die sind für das Auge überhaupt nicht erkenntlich, wenn sie ausfransen. Der Übergang zwischen technischer und natürlicher Umwelt muss klar und deutlich herausgearbeitet werden.
Eine sehr einfache Möglichkeit bietet in der Skizze die sogenannte Negativmalerei, man geht mit einer Farbe bis an die Kante zum Weiß heran und beseitigt das Ausgefranste.
Selbst wenn die Hauswand eine deutlich erkennbare Form hat, ist es manchmal sehr sinnvoll das optische Bröckeln zu beseitigen, denn das bringt Ruhe ins Bild. Klare Kanten heißt aber nicht, das man das Licht übermalen darf.
Da fehlt noch was! und dieser Impuls lässt uns zum Pinsel greifen: Aber tatsächlich fehlt nur noch die Prise Salz!
In der unangenehm großen weißen Fläche fehlten nur ein paar Fenster. Jetzt sieht man ganz genau was der weiße Fleck ist.
Es gilt die Devise: Finger weg! Lieber zuviel weiß als zu wenig.
Malt man alle Häuser in der gleichen Farbe entsteht eine monotone Steinwüste.
Vordergrund macht Bild gesund
Vielleicht ist dir aufgefallen, dass sich auch der Vordergrund stark verändert hat. Der Vordergrund eines Bildes hat oft das gleiche Problem wie die weißen Flächen. Das Gefühl das es zu weiß ist und dass es einfach noch zu leer ist, führt dazu das unnötig mit Farbe übermalt wird. Es entstehen einfarbige, große Flächen, die ausschauen wie Landebahnen.
Diese großen und leeren Farbflächen dominieren oft das gesamte Bild.
Häufiger fehlen nur ganz kleine Hinweise mit dem Pinsel.
Eine Andeutung was denn da ist, das Auge will geleitet werden. Schon ein paar Grashalme machen klar, hier ist etwas. Wenn man die Helligkeit und das Licht eines Bildes erhalten möchte, sind Strukturen im Vordergrund die weit bessere Lösung als eine flächige dunkle Farbe.
Struktur verleiht Identität
Tatsächlich wirken die weißen Löcher gar nicht mehr so krass, wenn man ihnen keine Form verleiht.
Die beste Lösung ist, dass man sich fragt:“ Was soll ich hier eigentlich sehen?“
Mann muss dem Auge zumindest einen Anhaltspunkt geben, was es sehen soll. Undefinierte Flächen könne ganz wundervoll durch kleine Strukturen definiert werden, z.B. Mauersteine und Schatten. Diese Informationen über die Oberfläche machen nicht nur aus den weißen Flächen einen Gegenstand.
Fazit: Langsam herantasten ist eine viel bessere Lösung als grobes zumalen. Einfach mal im Kopf behalten, dass man beim Malen die Möglichkeit hat ein Bild in mehreren Schichten zu malen.
Liebe Grüße ins Wochenende
Tine
Wenn es doch mal passiert: Abdecken mit Acrylmarkern.