Kritzeln fällt mir schwer, ich musste es mir hart erarbeiten einfach drauflos zu kritzeln. Ich hoffe ihr habt einen großen Bildschirm, denn dann seht ihr das sich um mich herum lauter Raben niedergelassen haben, die Ruhe macht den Zeichner eins mit der Natur. Das ist das pure Glück und das muss man sich erlauben.
Kulturen und Arbeitsverhalten
Der deutschsprachige Raum ist meine Heimat. Ich lebe, liebe und arbeite hier, dennoch ergreift mich immer wieder das Fernweh. Ich bin keine Topfpflanze, meine Wurzeln treibe ich quer durch viele Kulturen. Dennoch merke ich ganz deutlich, wie verwurzelt ich hier bin. Gerade wenn ich im Ausland bin, dann merke ich so richtig wie sehr mich der deutschsprachige Raum geprägt hat.
Diese Art, es als die Pflicht zu empfinden, alles zu geben, super enttäuscht zu sein, wenn etwas nicht klappt und vor allen Dingen etwas auf Biegen und Brechen zu wollen, das ist schon, sagen wir mal, super deutsch-sprachig. Jetzt werden die Schweizer nicken und sagen: Ja, das ist super Deutsch. Aber auch die Schweizer haben dieses Verhalten und treiben das Pflichtbewusstsein auf die Spitze. Man findet dieses Verhalten bei meinen Schülern im gesamten deutschsprachigen Raum.
Pflichtbewusstsein
Da kannst du uns alle in einen Sack stecken und draufhauen, da triffst du keinen Unschuldigen.
Die Philippinen waren eine Zeit lang mein Zuhause, wie die Menschen dort arbeiten, hat mich oft verrückt gemacht. Eine Gasflasche ablassen mitten in der Küche, ohne ein Fenster aufzumachen und dabei eine Kippe auf dem Zahn.
Das ist nun wirklich ein wenig sorglos
Noch verrückter hat mich das ganz normale Alltagsleben in solchen Ländern gemacht, wenn man mal wieder ungeplant eine Stunde braucht um zwei Brötchen zu kaufen, weil die Verkäufer das Celine Dion Special im Radio hören und nun leider mitsingen müssen. Natürlich sind dabei das Wichtigste die kleinen Tanzeinlagen, deshalb hat natürlich keiner der Verkäufer Zeit sich um zwei blöde Brötchen zu kümmern. Ich kann dir garantieren nach der fünften Tanzeinlagen, bei der die Verkäuferin jedes Mal vergisst, was du denn einkaufen wolltest, bist du so genervt das du die Verkäuferin in das Hinterteil beißen könntest. Wie schade, denn die Stimmung im Bäckerladen ist ja super.
Dann merkst du: “ Hilfe, ich bin typisch deutsch!“
Sorglosigkeit
Doch die Sorglosigkeit gibt mir Frieden. Mein Leben in anderen Kulturen hat mich soviel gelehrt über die Kunst, aber auch über Respekt.
Denn die anderen erreichen auch ihre Ziele, nur eben ganz anders. Die Sorglosigkeit lässt mich ganz anders Zeichnen. Sorglosigkeit macht mich ganz weich, doch das ist so schwer für Menschen aus dem deutschsprachigem Raum.
Ergebnisorientiert
Mangelndes Pflichtbewusstsein regt mich in dritte Welt Ländern immer wieder auf, dennoch fasziniert mich immer wieder, dass auch sehr schwere Dinge mit Leichtigkeit getan werden und dazu gehört eben auch die Sorglosigkeit, die mich manchmal in den Wahnsinn treiben kann.
Oftmals sind die Menschen in diesen Ländern unglaublich lernfähig und kreativ.
Wir in Europa machen alles zu einem Produkt.
Wir sind total Ergebnis orientiert
Wenn wir etwas malen, dann muss es auch vorzeigbar sein. Ich merke, dass meine Schüler sich durch dieses Verhalten oft selber enttäuschen. Die meisten Bilder in Europa gehen nicht kaputt, weil der Schüler es nicht konnte, sondern weil der Schüler einfach zu viel gemacht hat.
Wir haben alles und wir können alles, das ist ein gewaltiger Druck.
Denn alles muss von Anfang an großartig werden, ich fange zwar gerade erst an mit dem Zeichnen lernen, aber die Bilder müssen toll werden. Der Leistungsdruck steckt uns in den Knochen. Blöderweise muss man Dinge einfach tun, erst durch das tun, bildet sich die Motorik, die ein guter Künstler braucht um sich ausdrücken zu können.
Quäl dich!?
Zur Ordnung rufen muss ich mich immer wieder, denn einerseits weiß ich, dass man sich wirklich anstrengen muss um bestimmte Techniken zu erlernen. Und aufgrund meiner Erziehung liegt mir dieses Muster:
Quäl Dich, wenn du etwas erreichen willst
im Blut.
Andererseits erreicht man in der Kunst überhaupt nichts mit Technik. Ja, man muss die können. Man muss sie sogar so können, dass sie ins Bauchgefühl übergeht.
Und deshalb treibe ich meine Schüler an, ja ohne Schweiß kein Preis
Andererseits erreicht man in der Kunst nichts nur mit Technik, das Bauchgefühl gehört dazu. Das “gewisse Etwas“ entsteht aber aus der Seele. Und gerade für Laien ist es wichtig zu wissen, dass Kunst einfach mehr ist als die Beherrschung einer Technik. Und nun noch einmal fett:
Kunst ist mehr als das Beherrschen einer Technik
Zeit der Entspannung und der Seele
Wer zeichnen lernen will, der muss immer abwechseln. Wie Ying und Yang halten sich Arbeit und Vergnügen die Waage.
Deshalb ist es sehr wichtig, dass man nicht zu Hause sitzt und immer wieder die gleichen Fehler einübt, es ist wichtig all die Dinge zu tun, die der Seele gut tun.
Das Making of des Bildes:
Da ich ein grauenhafter Morgentrottel bin, kocht mir morgens mein Liebster den Kaffee. Er sagt, „das ist einfacher als die Küche zu renovieren“, denn ich bin morgens ungefähr so brillant und schnell wie eine Nacktschnecke.
Grade dieser Geisteszustand hilft mir die Welt relaxt zu entdecken, ich bin noch zu matschig um mich mit Ehrgeiz zu quälen.
Was du in diesem Blog siehst, sind zwei Früh-Morgens-Zeichnungen.
Mit einem großen Becher Kaffee, halte ich das Gesicht in die Sonne und fange an zu zeichnen.
Was dann passiert ist, dass sich die Motive selber suchen, das passiert weil ich die Zügel los lasse. Am Erstaunlichsten ist es, dass einen plötzlich Tiere als Teil der Natur wahrnehmen. Die Ruhe, die mich dann durchströmt, befreit mich von meinem Leistungsdruck. Ich sitze dort und beobachte die Natur, oder die Stadt. Etwas sehr entscheidendes verändert sich, man taucht ein in die Szenerie, man wird Teil des Ganzen. Schaut mal in das schwarze Bild, dort landen die Raben um mich herum.
Wer los lässt, der erlebt etwas Zauberhaftes, das Tanzen mit den Vögeln
Ich vermute das macht auch den Reiz solcher Tätigkeiten wie Angeln oder Wandern aus…loslassen verändert den Menschen.
Liebe Grüße
Tine
p.S.:
Zeichnen lernen heißt loslassen, wir sehen Zeichnen, Malen, überhaupt die Kunst als Produkt, dabei ist es eine Geisteshaltung.
Festhalten und Loslassen – wunderbar die Vögel – kaum festgehalten sind sie wieder weg und doch kommen sie wieder. Danke
Hallo Tine!
Ich finde es toll, wie du immer wieder den Kern der Sache triffst und das auch noch so humorvoll rüberbringen kannst!
Ich hoffe, ich darf mir ganz viel von dir abgucken 🙂
liebe Grüsse
Liebe Tine,
ich hätte wirklich gerne alle Deine Blogbeiträge mal gesammelt als Buch.
Immer sehr inspirierend! Ich denke oft an den Workshop in Allensbach!
Herzliche Grüße
Tanja