Kunst betrachten öffnet Menschen.
Tine Klein: Kunst macht uns grösser
Diese Erfahrung hatte ich vor 14 Tagen mit Oscar Kokoschka, es gab 3 Bilder, ein Schöpfungszyklus in purem Licht. Die Bilder schienen mich aufzusaugen. In meinem Kopf begann sich alles zu drehen, es löste sich ein Knoten, danach hatte ich die Lösung für etwas an dem ich schon ganz lange geknobelt habe. Habe ich mit einem toten Maler gesprochen? Ja und Nein, esoterisch ist es auf jeden Fall nicht. Es ist eine Hirnfunktion und dies nutzen viele Menschen, es ist Kommunikation.
Es ist ein Gespräch…ganz ohne Worte
Viele Menschen lernen malen, weil sie wissen, dass das Ergebnis viel mehr ist als nur ein Bild. Wir fühlen einfach das uns Kunst gut tut. Es ist so klasse, wenn positive Gefühle beim Malen entstehen. Die schönen Auswirkungen sieht man auf dieser Postkarte, die ich diese Woche aus Shanghai bekam:
Jenny aus Shanghai macht mein Herz offen
Das was da in unserem Kopf entsteht, kann Menschen ganz ohne Worte verbinden. Als ich unterwegs war, lernte ich zwei malende Chinesinnen kennen. Wir malten zusammen und trotz einer riesigen Sprachbarriere schweißte uns die Zufriedenheit, die freundliche Heiterkeit des Malens zusammen. Und wenn ich diese kleinen Postkarten betrachte, dann kommt das Entzücken zurück.
Warum erzeugt Kunst gute Gefühle?
Der Kunst wird viel positives zugeschrieben, dazu gehören unter anderem das man negative Gedanken in positive Gedanken verwandeln kann, sich auf das Schöne in der Welt konzentriert, sich besser konzentrieren kann, viel kreativer ist und das man viel besser sieht und analytischer denkt.
Die Kunst ist einer der Weg in die Einzigartigkeit der kreativen und Erfinder, so sagt man
Na, das klingt doch zu schön um wahr zu sein! Das Versprechen vom Übermenschen! So etwas zieht uns doch alle wie ein Magnet an. Doch jeder vernünftige Mensch fragt sich jetzt, ist da wirklich was dran? Und wie zum Teufel kann ich das ganze bei mir selbst auslösen?
Wobei mir persönlich schon die Heiterkeit und die Berührtheit die Kunst bei mir auslöst völlig reichen würde, aber es wundert ja schon, das man auch mit einem toten Maler kommunizieren kann.
Was passiert beim Kunst machen und wie geht das?
Wir reden in diesem Blog die ganze Zeit darüber, wie es ist Kunst zu machen und Malen zu lernen. Aber was passiert dabei eigentlich?
So ganz genau geklärt ist es noch nicht, es gibt zwar einige Studien die beobachten was beim Kunst betrachten passiert. Ja sogar einige Studien, die beobachten was beim Kunst machen passiert, dennoch ist es nicht so ganz geklärt, denn jede Studie setzt an einem anderen Punkt an.
Im aktuellen Stand der Wissenschaft scheint es so zu sein, dass Kunst wie ein Spiegel wirkt, d. h. Kunst stellt nicht nur die Verbindung von außen nach innen her, sondern vor allem arbeitet man mit seinen innerlichen Ressourcen.
Das ist Verrückt, eigentlich betrachtet man das Aussen, doch aktiviert wird das Innen
Selbst das Zeichnen von alltäglichen Kleinigkeiten löst etwas Großes in uns aus:
Jenny zeichnet den Alltag in Shanghai
Ich selber kenne diesen Zustand ganz genau, ich mache Kunst und am Anfang ist es noch mechanisch: Ich tue erstmal, was man einfach so machen muss, es geht um Technik. Doch dann plötzlich komme ich in einen Zustand der für mich ist wie ein Rausch. Fühlt sich genauso gut an, wie ein bisschen betrunken sein, der kleine Unterschied zu Drogen ist jedoch, dass sich in diesem Zustand unglaublich leistungsfähig bin.
Wie von Zauberhand lösen sich alle Probleme, meine Welt ist nur noch voller Lösungen. Ich fühle mich völlig ganz.
Tatsächlich habe ich in diesem Moment das Gefühl, dass mein Gehirn plötzlich alle Türen aufgemacht hat, alles arbeitet in mir zusammen. Hand, Augen und mein Gefühl sind eins.
Seit Jahren möchte ich meinen Schülern dieses Gefühl geben!
Bitte schreibt mir doch einmal ob ihr so etwas auch kennt.
Kunst machen und Meditieren sind identisch?
Natürlich kennen wir alle die Tage, an denen wir versuchen Kunst zu machen und nichts klappt. Und dann beginnt das große Radieren. In diesem Moment ist man völlig unsicher, man merkt auch eine innere Unzufriedenheit und man kann beobachten, wenn man sich jetzt zu stark ärgert, dann wird das nichts mehr! Kennst du das?
Doch es gibt auch den anderen Zustand, hier fühle ich mich offen, zufrieden und brillant. Vielleicht ein bisschen Größenwahnsinnig, für alles bereit und alles klappt.
Dieser Geisteszustand, den nenne ich flow und dafür bin ich bereit die Anfangsschwierigkeiten in Kauf zunehmen. Alles fließt, wenn mich dann jemand berührt oder erschreckt, dann ist es wie ein Absturz aus großer Höhe oder ein Autounfall. Es ist als würden mir alle Verbindungskabel aus dem Gehirn gerissen.
DMN Default Mode Network
Aha! Bei so einer Wortschöpfung versteht man natürlich nicht mehr als vorher. Dennoch war das Lesen über das DMN ein echtes Aha-Erlebnis. Dieses DMN Zentrum macht jetzt etwas merkwürdiges, normalerweise ist es nur an, wenn ein Mensch im Ruhezustand ist. Man denkt nach und schmiedet Pläne. Betrachtet man allerdings Kunst, so konnte nachgewiesen werden dass genau dieses Gehirnszentrum aktiviert wird . Die Kunst aktiviert also nicht nur den visuellen Kanal des Menschen, sondern sie öffnet die Wege im Gehirn von Innen nach Innen. Hier könnte eine Erklärung liegen.
Sprich, Kunst ist eine der wenigen Gelegenheiten, wo man mal mit sich selbst sprechen kann.
Ich habe also nicht mit Oskar Kokoschka gesprochen, Oskar hat mir ein Tor in mich geöffnet. DANKE! Trotzdem eine wundervolle Erfahrung.
Sind wir da der heilsamen Wirkung der Kunst auf der Spur? Kunst betrachten, befreit uns also für einen Moment von den äußeren Zwängen unserer Umgebung und ich glaube dieser Faktor macht süchtig.
Dürfen wir jetzt nun festhalten, Frau Tine Klein bedröhnt sich mit der Kunst.
Kunst eröffnet den Zugang zu uns selbst
Ich stelle jetzt einmal die These auf, dass der gleiche Effekt, den die Studie beim betrachten von Kunst nachgewiesen hat, ebenfalls entsteht, wenn man Kunst macht. Ich vermute sogar, das es der Kern jeder Kreativität ist, dass was Erfinder machen, Problemlöser, Künstler und Wissenschaftler. Diesen Effekt habe ich schon beobachtet, als ich in der Universität an der Innovationsforschung arbeitete.
Der Weg nach Innen ist die Sperrspitze der Innovation
All diese Menschen finden einen Raum der Ruhe, der übrigens gar nicht ruhig sein muss, sondern einfach nur entspannt. In diesem Raum können Sie die Trennungen in ihrem Gehirn einreißen und einfach loslegen.
Kunst wirkt am besten wie ein Medikament auf leeren Magen…
Frei von Stressimpulsen
Irgendwo habe ich den Satz oben gelesen, er ist so wahr, oft habe ich bei meinen Schülern beobachtet: Motivierte Schüler mit positivem Stress lernen super, gestresste Schüler die sich mit Biegen und Brechen zwingen wollen, lernen hingegen schlecht, sehr schlecht sogar.
Menschen, die etwas Neues erschaffen, haben immer einen entspannten Zugang zu sich selbst gefunden
Wenn du dich selbst unter Stress setzt, dann schlägst du all diese Türen im Gehirn zu.
Kreativität scheint sich nur im Freiraum zu entfalten.
Letzte Woche hatte ich eine Schülerin im Kurs, die begann den Kurs mit den Worten, eigentlich habe ich keine Lust auf einen Farbkurs, aber ich zwinge mich mal dazu.
Solchen Schülern kann man leider nur die reine Theorie beibringen. Das genussvolle Verbinden von Sehen, Hand-Augen-Koordination, Technik und Persönlichkeit bleibt solchen Schülern leider total verborgen. Sie haben es schwer, dabei könnte es doch so einfach sein.
Könnte man eine Tablette entwickeln, die Menschen ganz ohne negative Gefühle an das Lernen heran bringen würde, so bin ich mir ziemlich sicher dass wir alle zu übermenschlichen Leistungen fähig wären.
Ein Maler lernt am besten wenn er frei von Erwartungen ist
Man kann sich nicht zwingen gut zu malen
Halten wir einmal fest: In Malkursen geht es im wesentlichen um Technik. Diese Technik taugt aber nichts, wenn wir sie nicht mit unseren inneren Potenzialen verbinden können.
Theorie lernen ist total wichtig , und noch viel wichtiger ist, dass man es dann frei von Zwängen einfach mit Spaß macht.
Die Technik muss also eine Verbindung mit dem Menschen eingehen, sonst taugt sie nichts und das ist der Effekt der dir so unendlich gut tut.
Erwartungen
Wenn man Kunst schlecht lernen kann, dann kann das mitunter daran liegen, dass man seine eigenen Erwartungen nicht in den Griff bekommt.
Denn je strenger man sich zwingt, desto deutlicher hält man sich im Würgegriff
Diesen Prozess habe ich schon 1000 mal bei meinen Schülern und mir beobachtet.
Die Parallelen zum Meditieren sind wirklich erstaunlich, man fühlt sich wie ein Depp wenn man beginnt, sobald man es versucht, juckt es am Hinterteil und man möchte sich kratzen, ein Auge zuckt und die Fliege im Raum wird zum Jumbojet. Das alles sind Anzeichen von Stress, in der Malerei fangen wir dann an zu radieren, zu korrigieren, zu übermalen und dann benutzt man den Papierkorb. Dabei hilft es einfach nur fraglos anzufangen, auch wenn es schlecht läuft, vergiss es. Wird der Kopf in ungestresste Bahnen gelegt, dann springt ohne Vorwarnung etwas an, was dich größer macht als im Normalzustand. Vielleicht ist es das DMN und dann läuft es wie am Schnürchen.
Die einfachsten Tipps die man geben kann:
Habe Lust an dem was du machst und hüte dich vor dem Meckern.
Wenn uns diese Studien sagen, dass uns Kunst einen Freiraum schafft in den wir Ruhe finden können und mit uns selbst kommunizieren, dann ist doch ganz klar was man tun muss um Malen zu lernen:
Schaffe deine Hindernisse aus dem Weg, leg dir schon mal alles bereit, benutze Material was du magst und sorge auch dafür dass alles andere irgendwie nett ist.Vor allen Dingen suchte Motive die dich berühren. Lade dich selbst ein ein Gespräch mit dir zu haben, mache es dir selbst so nett wie einem lieben Besucher.
Kunst machen ist ein Flirt mit Dir selbst
oder
ein Gruß aus einer anderen Seele
Meine Freundin Annie schickt mir diese wunderschöne selbst gemalte Karte aus dem Winter von Shanghai
… und ich kann Sie sehen, ich kann ihn riechen und schmecken, denn der liebe Gruß aktiviert meine Erinnerungen und Erfahrungen.
Ob ich jetzt nun selbst Kunst mache oder die Kunst von anderen betrachte, es macht mein Herz froh und darum geht es doch oder?
Liebe Grüße ins Wochenende Tine
Liebeserklärung an Oskar Kokoschka -> Kennt ihr Ihn alle ? Hier ein paar Hintergrundinfos:
https://www.nzz.ch/feuilleton/kokoschka-war-europaeer-emigrant-humanist-retrospektive-im-kunsthaus-zuerich-ld.1444810
Noch mehr Infos zum Thema die Kunst in mir:
https://detektor.fm/wissen/forschungsquartett-wie-nimmt-unser-gehirn-kunst-wahr
https://en.wikipedia.org/wiki/Default_mode_network
Dieser Beitrag war ganz ohne Kunst von Tine, die findest du auf Instagramm:
Das ist ein schöner Ausdruck von Dir: „Kunst machen ist ein Flirt mit dir selbst“! Genauso empfinde ich es auch. Habe den ganzen Artikel verschlungen und kann alles nur unterstreichen. Leichtigkeit, Freude und Heiterkeit, das alles soll die Kunst begleiten und im besten Fall an deren Anfang stehen. Beim Erlernen der Techniken darf man ruhig ins Schwitzen kommen und dabei soll man auch nicht allzu bequem sein. Aber dann muss man wirklich lernen, allen Zwang abfallen zu lassen. Und lernen, uns ganz vertrauensvoll in den FLOW fallen zu lassen.Ich empfehle immer, vor dem Malen ein bisschen Yoga zu machen oder zu tanzen oder zu meditieren, damit man sich ja nicht verkrampft. So wie du schreibst, ähneln sich meditieren und malen – > das Innen kommuniziert mit dem Innen – und nährt es mit wunderbaren Gewissheiten.Ich denke, es tut der Kunst gut, sich „seelisch fit“ zu halten. Denn: alles, was du kreierst ist Ausdruck deines inneren seelischen Kerns, der unverwundbar in dir ruht. Wie die realen Dinge, ob Bett, Kasten oder Suppentopf, ist aber auch die Seele davon bedroht, vom Staub des Alltäglichen überzogen und stumpf zu werden. Immer wieder müssen wir also den Staub von der Seele blasen, damit sie wieder leuchten und schimmern kann. Dabei hilft Meditation sehr.
Jedenfalls danke für deine Gedanken, das Lesen hat mich sehr gefreut und dazu inspiriert, auch wieder mal einen Artikel über den Spirit in der Kunst und dem kreativen Schaffen zu schreiben.
Alles Liebe, Dodo
Großartiger Artikel, vielen Dank!!!
Liebe Tine, ich lese schon seit längerem Deinen Blog mit Freude! diesmal möchte ich Dir gerne mitteilen, dass Dein Text zum Thema „Erwartungen an sich selbst“ es genau auf den Punkt bringt!
es hat bei mir einige Jahre gedauert, bis ich „loslassen“ konnte!
vielen Dank für Deinen immer sehr interessanten Texte!!
Daggi aus ME