Tine Klein ein Spaziergang in Tarasp: Danke an Carolin und Denes für diese tolle Erfahrung
Wasser gehört zum Aquarell wie dein Name an der Haustür, und Wasserränder entstehen im Aquarell schneller, als du gucken kannst.
Ob das allerdings Liebe oder Hass auslöst, sei mal dahin gestellt. Wasserränder gehören zum Aquarell. Je nach Technik kann man sich aussuchen, ob man sie will oder nicht.
Aber seien wir mal ehrlich, den meisten von uns passieren sie einfach aus Versehen, und dann sind sie so beliebt wie eine Schweinshaxe, die aus Versehen im veganen Restaurant bestellt wurde. Das Einzige, was sie dann auslösen, sind betroffene Gesichter.
Verhasste Dinge werden ganz wunderbar, wenn man gelernt hat, mit ihnen Katz und Maus zu spielen. Was einem am Anfang noch herzhaft aufregt, das ruft später ein müdes Lächeln hervor.
Als unser Hund das erste Mal die Kühe vom Nachbarn zusammen getrieben hat, hat es reihenweise Milchshakes im Euter gegeben, die Kühe sind gerannt und haben sich aufgeregt. Wenig später hat keine der Hübschen noch ein Auge gehoben, wenn unser Schäferhund kam, dann hieß es: Ach, der schon wieder!
Deshalb möchte ich euch beibringen, die Wasserränder zu managen wie die Kühe unseren Macho-Köter.
Wer ist der Übeltäter?
Wasserränder entstehen durch Wasser. konkreter gesagt entstehen Wasserränder immer dann, wenn es überschüssiges Wasser gibt.
Das Wasser fließt in die Pigmente und schiebt sie weg, so entstehen die berüchtigten Wasserränder oder starke Farbverläufe.
Schlechtes Papier erzeugt Wasserränder
Dabei gibt es mehrere Möglichkeiten, wie Wasserränder entstehen. Sehr oft entstehen Wasserränder durch zu dünnes Papier. Dieses Problem betrifft besonders die Menschen, die im Skizzenbuch arbeiten. Denn Skizzenbücher sind oft mit viel zu dünnem Papier für feuchte Techniken gebunden. Das dünne Papier wellt sich, wenn das Seitenspiel kommt. In den Tälern entstehenden Pfützen, und in Pfützen entstehen Wasserränder.
Der nächste Grund ist billiges, heißgepresstes Aquarellpapier, hier bleibt das Wasser als Lache auf der Oberfläche.
Schlechte Angewohnheiten mit dem Pinsel
Der häufigere Grund, warum Wasserränder entstehen, ist die Pinseltechnik. Sobald Farbe auf das Papier kommt, beginnt sie zu trocknen, wenn ich nun an dieser Farbe mit einem sehr feuchten Pinsel weiterarbeite, dann entstehen Wasserränder.
Was du jetzt sicher begriffen hast, auslaufendes Wasser ist das Problem.
Die häufigsten Probleme, mit denen man Wasserränder auslöst, sind:
• zu dünnes Papier mit schlechter Qualität bildet Pfützen
• Pinsel, die zu viel Wasser aufnehmen
• ständiges Aufnehmen von neuem Wasser beim Mischen.
Wasserränder, wie steuert man das Wasser?
Einerseits kann man aus der Not eine Tugend machen, man befeuchtet das ganze Blatt und lässt die Farben einfach weich ineinander schwimmen. Aber spätestens im nächsten Schritt, wenn man etwas konkret malen möchte, dann muss man das Problem mit den Wasserrändern in den Griff bekommen.
Wir haben alle Angst vor verschmutzten Farben, und deshalb tauchen wir den Pinsel ständig ins Wasser. Deshalb kommen Unmengen von neuem Wasser auf das Papier.
Der ultimative Tipp ist, den Pinsel nach der Wasseraufnahme auszuschütteln.
Dieses Verhalten muss dir in Fleisch und Blut übergehen. Immer wenn ich nach einer langen Outdoor-Saison wieder ins Atelier komme, mutiere ich zum Dreckschweinchen und schlage mindestens ein oder zweimal den Pinsel herzhaft aus, und dann starre ich betroffen auf die versaute Wand.
Weniger elegant ist die Wasserkontrolle des Pinsels mit dem Lappen, der saugt das Wasser aus dem Pinsel. Diese Methode ist deutlich zivilisationstauglicher, denn man wird seltener gelyncht, weil man Mann und Maus mit Farbe besprenkelt.
Tipp: Wasserränder entstehen nicht, wenn ein sehr feuchter Pinsel in bereits leicht angetrocknete Pigmente gerät, deshalb noch mal die folgenden Tipps zur Pinselarbeit.
Tipps:
• zügig arbeiten, keine Farben antrocknen lassen
• nur mit mäßig feuchtem Pinsel arbeiten
• nicht jedes Mal, wenn man Farbe aufnimmt, muss der Pinsel ausgespült werden.
Wasser und Farbränder -Special Effects!
Ein Meister wird man nicht dadurch, dass man versucht zu beweisen, dass man großartig malen kann. Wasserränder können ein Aquarell sehr schnell verderben, und deshalb wird das Vermeiden von Wasserrändern regelrecht zwanghaft. Oft ist das so ein Spielchen. Wer keine Wasserränder macht, ist also ein Meister?
Wenn man es einmal gelernt hat, ist man so stolz darauf, dass man aus den Augen verliert, was man alles Tolles mit den Wasserrändern machen kann.
Das Leben wird leichter, wenn man sich fragt, wo man die Zügel denn lockerlassen kann, denn jeden Zufall zu vermeiden, würde bedeuten, dass man jederzeit kontrolliert.
Sehr einfach wird das Leben nach dem Motto:
„Meine Macken sind Special Effects“
Das Eigenwillig ist das Besondere!
Man kann Wasserränder oder starke Farbverläufe sehr einfach in Aquarelle integrieren. Das gelingt jedoch nur, wenn man sich einen lockeren Malstil angewöhnt. Sind die Farbverläufe wie mit einem Lineal gezogen, dann wird jeder Wasserrand aussehen wie ein Fremdkörper. Das sieht man hier, harte Kanten und blühende Wasserränder, das verträgt sich nicht gut:
Wer jedoch locker malt, kann den Wasserrand zum Stilmittel machen.
Deshalb sollte man sich auch fragen: “ Wo könnte es mir denn nützen, dass Farbe und Wasser zusammen Ränder macht?“
Ein Meister kontrolliert das Pferd ja nicht nur, er reitet es.
Hier muss man sich klarmachen, dass man nicht alles kontrollieren kann und nicht kontrollieren will. Viele Menschen versuchen, all die kleinen Macken auszubügeln. Lockerlassen ist so schwer, weil die ersten Ergebnisse chaotisch aussehen, dann lässt man es.
Das Einzige, was dann passiert, ist, dass man von jedem möglichen Fehler wegrennt. Und dadurch werden Bilder immer steifer.
Viel einfacher ist es zu begreifen, wo man loslassen kann.
Die Farbe darf starke Effekte machen, dort wo die Menschen hinschauen sollen.
Ein kalkulierter Fehler dort, wo die Menschen hinschauen sollen, sieht wunderbar aus.
Jedoch gibt es eine Bedingung: Die Farbe darf zwar hemmungslos auslaufen, aber die Grundform muss gewahrt bleiben.
Lockerlassen muss man lernen, dann entsteht zwar auch Ungewolltes, jedoch auch Spektakuläres.
Fehler und Sieg gehören also zusammen.
Mach dir klar: In der ersten Phase sieht das lockere Malen scheußlich aus, erst wenn man in der zweiten Phase die Zufallsformen unterstützt, wird es aussagekräftig.
Wasserränder -Anwendungsmöglichkeiten:
In einer Geschichte muss man nicht alles erzählen. Bestimmte Anteile in Motiven kann man sozusagen im Sand verlaufen lassen. Darauf habe ich euch in einem der letzten Artikel über harte und weiche Kanten aufmerksam gemacht. In diesem Motiv seht ihr, wie ich unwichtigere Bestandteile des Motives einfach auslaufen lasse. Dabei entstehen besonders an den unteren Kanten, wo das Motiv sehr nass ist, sehr bewusst Wasserränder und auch Farbkanten. An diesen Stellen funktioniert das Aneinanderreihen von Flecken ganz wunderbar. Warum?
Die Wasserkante erzeugt Assoziationen.
Runde Kanten wirken wie Bäume, Vegetation oder Hügel. Eckige Kanten wirken wie irgendwelche Dinge, die in der Stadt herumstehen. Wässerige Farbverläufe wirken wie etwas Nasses.
Sind die Gegenstände kein besonderer Bestandteile des Motives, kann sich der Betrachter doch selbst denken, was er sehen möchte.
Das Bild dieser Woche besteht eigentlich nur aus Wasserflecken. Deshalb möchte ich euch noch einen Satz zur Anregung geben:
Wasserränder sind das Spiel mit der Fantasie des Betrachters.
Du musst mit dem glücklichen Zufall Hand in Hand arbeiten.
Ich wünsche euch ein ganz wunderbares Wochenende
P.S.: Das Glück ist nicht der schlechteste Arbeitskollege.
Zum lockerem Umgang mit Wasser weiterlesen bei Tine:
https://blog.herz-der-kunst.ch/schuettung-oder-nass-in-nass-technik/
Zuerst einmal Danke für diesen super Blog und die sowohl unterhaltsamen, als auch sehr aufschlussreichen Beiträge!
Eine Frage habe ich, bzw. ich verstehe den folgenden Tipp nicht, er scheint den folgenden Ratschlägen zu widersprechen:
“Tipp: Wasserränder entstehen nicht, wenn ein sehr feuchter Pinsel in bereits leicht angetrocknete Pigmente gerät, deshalb noch mal die folgenden Tipps zur Pinselarbeit.”
Ist das nicht im Gegensatz zu den Tipps, nicht mit zu feuchtem Pinsel auf nicht zu trockenem Papier zu malen?
Upps, da hab ich bullshit geschrieben, trockener Pinsel, feuchtes Papier