Wo geht´s hier eigentlich zum Atlantik? Wie mein Skizzenbuch mir die Welt erklärt!
Es ist sehr früh and kalt, graues erstes Licht quält sich müde über den Horizont. Eine dunkle Limousine steht vor dem Flughafen. Der Fahrer ein netter älterer Herr in Anzug und schicker Brille hievt meinen Rucksack in in den Kofferraum. Ich bin überrascht, über den Anzug und das chromglänzende Ungetüm. Mein Mann sagt entschuldigend: Sie ist Malerin, sie schleppt Farben, Skizzenbuch, Stifte und Pinsel rum. Der Mann lacht und sagt: „Besser als der Typ 20 kg Beautycase!“ Mein Mann sagt: „Eher 20 Kilo Farbe, dann bist du froh, wenn die Security nicht direkt den Rucksack sprengt! Die beiden lachen, ich bin müde.“
Der Faher guckt auf mich und sagt:
Sie wird die Stadt lieben! – Alle Maler lieben diese Stadt!
Das dunkle Elektro-Auto fängt surrend an zu rollen. Der Fahrer, der unser Großvater sein könnte, schießt mit seiner dunklen Limousine durch eine Stadt, in der der Verkehr zusammengebrochen ist, er hüpft, wie eine Rakete von Schlagloch zu Schlagloch der Nebenstraßen, beschimpft gekonnt die anderen Fahrer und singt dabei ein Loblied auf seine Stadt und guckt nie auf die Straße, sondern in den Rückspiegel zu mir.
Doch meine Augen und Ohren scheinen nicht zusammenzuarbeiten!
Mir stellen sich die Nackenhaare auf. Die funkelnde Limousine rast durch Müll, Bettler und Hundekot. Das graue Licht macht diese Stadt alt und unnahbar.
Die Stadt und ich, wir machen uns gerade bekannt und wir sind nicht nett zueinander. Ich starre mit den Augen einer Stadtplanerin aus dem Auto in die strebende Nacht.
„Man muss ein bisschen nett sein zu den Menschen, die in einem leben!“ sage ich zu der Stadt! Funktioniert bei dir überhaupt irgend etwas? Ich glaube, ich kann dich nicht leiden!
Sie sagt: Ich bin ein Dinosaurier und ich lebe immer noch, wenn du schon weg bist!
Und dann schießt das Auto über eine Kuppe, die Sonne küsst, die Tröpchen in der Luft und überirdisches warmes Licht erstrahlt. Der Anblick ist so wunderschön, dass es weh tut. Wolken schweben über dem Wasser und es ist nicht klar, wo diese Stadt steht, im Himmel, auf der Erde oder im Wasser.
Aus dem Radio erklingt eine Frauenstimme zauberhaft und doch voll Schmerz.
Diese Stadt ist wie ein Liebhaber, den man zum Teufel schicken sollte, doch wenn man sie anguckt, fängt es an leidenschaftlich an zu kribbeln.
Ist diese Stadt ein Unfall, ein Anfall oder die reine Verzückung? Ich weiß es nicht!
Ich befürchte, wir werden es nicht leicht miteinander haben. Ich bin in Lissabon.
Skizzenbuch, Malen und Zeichnen was bringt das eigentlich?
Wieso schleppe ich eigentlich unanständig viel Kunstmaterial mit in den Urlaub?
Zumal nach Lissabon! Wo man wohl ehr Alpenwanderstiefel, aufgrund der üblen Straßen, braucht!
Die schlichte Antwort ist Stressabbau. Kunstmaterial im Koffer ist für mich unverzichtbar, denn das Zeichnen und Malen der Umgebung beruhigt meinen Geist. Es gibt mir Ruhe und Zufriedenheit.
Das Skizzenbuch führt mich zur inneren Ruhe.
Die Beobachtung ist für mich wie eine Meditation.
Das Gefühl ist schwer zu beschreiben, vielleicht der Moment wo man eine geringe Menge Alkohol getrunken hat, zufrieden ist und sich über nichts mehr aufregt.
Selbst eine absolut fremde, chaotische oder sogar laute Umgebung wirkt auf mich nicht abstoßend, ich bin eins mit ihr.
Mein Geist fokussiert sich auf das hier und jetzt.
Meine Seele beruhigt sich, ich nehme nun meine Umgebung sehr aufmerksam wahr. Aber mein Kopf hört auf Meinungen und Bewertungen zu produzieren. Mein Gefühlskarussell beruhigt sich, während ich die Umgebung beobachte und so sortiere, dass ich sie malen oder Zeichnen kann.
Achtsamkeit mit Skizzenbuch:
Malen und Zeichen erfordert eine hohe Achtsamkeit für die Umgebung. Damit ich etwas ins Skizzenbuch bringen kann muss ich es wirklich sehen! Anders als wenn ich mit dem Handy vorbeirenne, muss ich meine Umgebung regelrecht inhalieren.
Dabei erfahre ich viel über die Menschen die dort Leben. Ich habe begriffen, von wo die Sonne scheint, ich weiß, woher der Wind weht, und ich sehe die Menschen kommen und gehen. Und ich habe schon, wie ein Jagdhund die guten Pasteis de Nata erschnüffelt. Das sind Eierküchlein mit Zimt. Lecker!!!
Eine Zeichnung und ich habe ich die Umgebung viel tiefer begriffen, als wenn ich vorbeirenne.
Dabei speichern sich gute Erinnerungen tief in meinem Gehirn ab!
Man fixiert sich lange und tief auf Gutes!
Orientierung durch Achtsamkeit!
Wer das Skizzenbuch benutzt, verbessert seine Beobachtungsgabe! Man schaut sich die Stadt genau an und sortiert sie, man erkennt Achsen und Verbindungen. Und hält bestimmte Details und Häuser in Erinnerung.
Lissabon ist eine Stadt mit wunderbaren Aussichtspunkten.
Während ich die Stadt von oben anschaue, halte ich ihre Merkpunkte und deren Aufreihung auf ihren Hauptachsen fest. Dabei genieße ich das Leben. Mal ist Käse und Wein dabei oder ein anderes Mal duftender Kaffee und leckeres Gebäck.
Wir genießen die Ausblicke in ruhiger Konzentration, danach trage ich den Ausblick im Skizzenbuch, aber vor allen Dingen im Herz.
Das hat neben absoluter Zufriedenheit auch andere Folgen. Durch das Malen im Skizzenbuch kann ich mich ganz ohne Karte in einer völlig fremden Stadt orientieren, denn ich habe mir die Merkpunkte als schöne Erinnerungen ins Herz gespeichert. Und so lasse ich mich selig in der Stadt umhertreiben. Ohne darüber nachzudenken, wo ich ankomme:
Mit dem Skizzenbuch ist der Weg das Ziel!
Sozialer Verbindungen und Glück!
Das blöde am Reisen ist, das man seine Lieben zuhause lässt. Das macht neue Städte immer ein bisschen ungemütlich. So kenne ich Niemanden der weiß, wie man Touristenfrass vermeidet und wo es das coolste Kunstmaterial gibt, steht auch nicht gerade in Mainstream Reiseführern.
Kreative sind allerdings eine erstaunlich ähnliche Community!
Kreative malen und zeichnen nicht nur, sie kochen gerne, reisen gerne und hören gerne Musik.
In dem Moment, wo ich mein Skizzenbuch, den Farbkasten und den Pinsel auf den Tisch lege, werde ich zu Magneten für alle Kreativen im Umfeld!
Oft ist man überrascht wie viele Menschen Kunst machen!
Letzte Woche habe ich Chaos ausgelöst, weil Kellner und Barbesitzer gerne malten. Die Bar lief nur noch auf Notbetrieb, weil das Personal das Bild nicht verpassen wollte.
Während meines Hafenbildes bildete sich ein Klumpen Menschen, der fröhlich über alles schwätzte, was auch mich interessiert.
Nach dem Bild war folgendes passiert:
Wir kannten gute einheimische Restaurants, die Wert auf regionale Ware legen, ich kannte die 3 besten Kunstgeschäfte der Stadt und wurde in die Keys eingeladen, wo Einheimische zusammen musizieren.
Insgesamt ist also ein Skizzenbuch zu benutzen, der beste Reiseführer der Welt!
Mein Skizzenbuch angelt Menschen mit schönen Gedanken und Interessen! Es produziert schöne Gedanken und lässt mich wie einen Vogel durch die Stadt schweben was macht Deines?
Liebe Grüße ins Wochenende Tine
Ist dir Fachwissen etwas wert?
Es ist immer schön, deine Beiträge zu lesen. Allerdings – ich fliege nicht mehr. Es wird dabei zu viel CO2 freigesetzt (Lissabon hin und zurück = etwa soviel wie 1 Jahr autofahren pro Fluggast). Ich wünsche mir, dass die Regierungen die Flugsubventionen streichen und die CO2-Emissionen stark besteuern, damit weniger geflogen wird. Zum Glück haben wir die Malerei, das gleicht für mich den Verzicht auf Fernreisen ein wenig aus.