Es gibt guten Respekt! und Idiotischen!
Heute möchte ich über Respektlosigkeit mit euch reden. Das ist ein gutes Mittel zum eigenen Stil. Es gibt guten Respekt, den Respekt heißt ja nur, dass man jemand wertschätzt und berücksichtigt. Dieser Respekt sorgt dafür das man schnell und gut lernt.
Keine Sorge, das wird jetzt keine staubtrockene Moralbelehrung!
Obwohl es generell es schon wichtig ist jeder Kunst einen gewissen Respekt entgegen zu bringen, auch wenn man sie selbst überhaupt nicht mag, ist Achtung ganz wichtig, denn jede Kunst ist Ausdruck von Seelen.
Merkwürdige wird es wenn zu großer Respekt ins Spiel kommt.
Ich höre in jedem 3. Malkurs: „Ich möchte malen wie „Meister“ Alvaro Castanget.“
Versteht mich nicht falsch, ich finde Alvaro Castagnet Klasse, ich finde nur nicht das jeder so malen sollte. Es gibt einen Haufen Menschen, die glauben es sei besser so zu malen wie ein Anderer, oder noch schlimmer Lehrer die ihren Schülern Stempel aufdrücken!
Entwickelt Respekt für euch selbst! Den eigenen Stil erkennt man erst sehr spät, weil man selbst nicht genug Abstand zum eigenen Werk hat.
Es gibt extrem hinderlichen Respekt der den Kopf vernagelt!
Wer sich in der Kunstszene auskennt, erkennt oft sehr schnell ob ein Zeichner in Zürich, Montreal oder Malaysia ausgebildet wurde, denn die Lehrer hinterlassen tiefe Stempel in ihren Schülern.
Ist es ein Stempel oder eine Verletzung?
Natürlich sind dies alles gute Zeichner, aber die Lehrer haben so viel von ihrer eigenen Art zu Zeichnen hinterlassen und so viel vom talentierten Schüler unterdrückt, dass ich manchmal heulen könnte. Ich wünsche all diesen Zeichnern Mut und Respektlosigkeit.
Kunst ist kein Kreuzzug, es gibt 1000 tolle Wege!
Mir ist vor einiger Zeit etwas Schockierendes passiert und ich möchte mit Euch drüber sprechen, damit ihr schneller und besser lernt:
Ich komme aus der Werkstadt und wir haben Kupferplatten in der Schmiede bearbeitet, nebenan ist eine Beiz(Kneipe) in der sich Drucker und Künstler treffen. Mir klebt noch Kohlenstaub im Gesicht als ich mich verschwitzt mit meinem Bierchen neben meine Kollegin fallen lasse. Meine liebe Kollegin grinst wie ne Katze, die gerade den Kühlschrank geplündert hat…irgendwas ist faul.
Neben uns sitzt eine junge Frau, die gerade interessiert den Kopf in mein Skizzenbuch steckt und referiert, dass ich offensichtlich auch eine Schülerin von Tine Klein sei und schon ganz gut! Sie kenne Tine Klein persönlich und man müsse noch dies und das hinzufügen um den echten Tine Klein…Style zu erzeugen…
Dann folgt ein ganzer Haufen vollkommen starrer und harter Regeln und Gesetze was man alles tun muss um ein Tine Klein Jünger zu sein. Mir fällt das Essen aus dem Gesicht und meine Freundin macht sich vor Vergnügen in die Hose!
Ein Plädoyer für die Respektlosigkeit
Hier mal liebe Grüße nach Zürich: Claudia …Tine Klein hat neben Dir gesessen und Dir verzweifelt versucht zu erklären, das Kunst kein Kreuzzug ist….ich kann nicht mal ein Schwert halten und ich habe auch keine siedendes Öl dabei…..Moment! Eine Reisefriteuse zum Abstrafen von Verkehrsidioten mit siedendem Öl im Züricher Baustellen Verkehrswahnsinn ist eine erwägenswerte Idee. Kreuzzug ist vielleicht doch nicht so doof.
Meine Lehrer sagten: „Benutze niemals grelle Farben.“
Kann ich aber nicht, weil ich ein Power-Paket bin.
Meine Lehrer sagten: „Benutze immer edles Kunstmaterial.“
Kann ich aber nicht, weil ich mit allem Kunst mache was mir in die Hände fällt!
Portrait von Anna Ishtar gemalt auf Pappe mit Bierflaschenettiketten und einem riesigem Zensurstempel zum unkenntlich machen von Akten.
Zum Lernen ist ein Vorschlaghammer ganz hilfreich
Richtig lernt man nur, wenn man Regeln anwenden kann und sie auch über Board wirft.
Ein guter Leher stopft dich voll mit Wissen. Er packt dir einen Rucksack voll mit Dingen von denen er vermutet, dass du sie irgendwann im Leben mal brauchst. Wenn er im Winter bemerkt das ein Schal gut ist, dann gilt dies nicht für jede Situation. Er erwartet nicht das Du einen Wollschal bei 35 Grad trägst!
Aber in der Kunst scheint das nicht so klar zu sein. Manchmal wird das starre Anwenden von Regeln auch als ein eigener Stil bejubelt.
Es geht darum Wissen anzuwenden: Lehrer sind wie Kühlschränke, und du holst dir raus was für Dich lecker ist!
Ob du mit Tomatensoße Pizza oder Salat machst ist egal. Lern zu kochen mit dem was im Kühlschrank ist! Wenn du mal Tomatenrezepte googlest, dann wirst du auf Anhieb eine halbe Millionen Rezepte finden. 534.000 um genau zu sein. Wir machen dich mit der Tomate bekannt und dann kannst du deine eigenen Rezepte erfinden, Malen heißt nachdenken! Wenn ich dir ne Dose Tomaten gebe, sollst du nicht die Konservendose mit futtern!
Wir brauchen Dich!
Nimm uns bitte nicht deine eigenen tollen Ideen weg weil du glaubst jemand anders sei immer besser als Du!
Liebevolle Respektlosigkeit ist eine Voraussetzung für eigenen Stil!
Ganz Liebe Grüße nach Zürich von einem flüchtendem Vorbild
Tine
Liebe Claudia, sei nicht böse das ich mich nicht ge-outed habe, Bei Vorbildfunktionen werde ich hysterisch.
Zum Thema passt ein Artikelserie zum Thema Muse oder Kopieren: https://blog-herz-der-kunst.ch/tine-klein-spricht-mit-felix-scheinberger-teil-1/zum Kopieren
Liebe Tine, hab ganz tief empfundenen, sehr herzlichen Dank für diesen Stups. Zum Lachen und zum Weinen Deine Geschichte. Ich begreife jetzt besser, warum ich mich bei manchen Zeichendozenten so unwohl fühle und bei anderen ganz wunderbar, ganz bei mir. Danke! Herzliche Grüße, Elvira
Hahaaaa… 🙂 Wunderbar. Ein herrlicher Artikel, und sooo wahr. Immer wieder erfrischend, deine Texte.
Da stimme
ich dir voll zu. Auf Persönlichkeit und Individualität kommt es an. Zu malen wie…da kann dein Herz, dein Kopf nicht wirklich dabei sein.
Du sprichst mir aus der Seele! Habe herzlich über die Kneipen-Szene gelacht und hatte sie förmlich vor Augen. Nach meinem letzten Workshop hatte ich am Ende ein Bild in der Hand, von dem jeder der mich kennt Stein und Bein geschworen hätte, dass das nicht von mir ist. Das „vorgegebene“ Motiv und der zeitlich enge Ablauf ließen wenig Raum zum Ausbrechen. Nun steht dieses Bild bei mir im Zimmer (es ist noch nicht ganz fertig) und ich habe einen regelrechten Widerwillen mich da noch mal ran zu setzen. Das bin einfach nicht ich. Für das nächste Wochenende (2tägiger Workshop) bin ich jetzt mental vorbereitet….
Ich bin mir selbst oft nicht so sicher. ich habe gar nichts dagegen wenn meine Schüler mich mal kopieren, sie kommen ja wegen der Technik und natürlich lernt man auch gut durch vormachen und nachmachen. Dagegen habe ich gar nichts, sonst dürfte ich nicht als Workshopinstruktor arbeiten. Doch es bleibt die Frage: Wie hole ich aus meinen Lieben das Beste herraus? Ich will ihnen die Stärke geben Sie selbst zu sein.
Lieber Gruß
Tine