Schraffur! Alles andere als Langweilig!

Schraffieren,  eine Technik mit langer Tradition.

Dieser Blog ist für Mario Leinbacher. Erinnerst du dich an unser Gespräch in Manchester?

Die Meinungen zu der Linie sind so wunderbar unterschiedlich wie die Sterne im Weltall.

Heute lasse ich euch mal in mein privates Skizzenbuch schauen, anders als erwartet bin ich kein Farb-Terrorist. In meinen schnellen privaten Zeichnungen schraffiere ich mit Begeisterung und feinem Strich. Schraffieren gehört zu dem traditionellen Wissen unserer Zunft, jeder sollte es beherrschen, weil man damit Licht, Schatten und Räumlichkeit in Zeichnungen bringt.

Heute möchte ich euch das Thema etwas ungewöhnlich über das Schraffieren von Gesichtern näher bringen.

Was ist eine Schraffur?

Bei Wikipedia liest man diese Definition:

Eine Schraffur (von italienisch sgraffiare, „kratzen“, vergleiche Sgraffito) ist die Gesamtheit vieler feiner, gerader, paralleler Linien, die in Zeichnungen, Plänen, Karten oder Illustrationen eine Fläche herausheben.

Ja, so toll wie die Informationen aus dem Netz sind, traue ihnen niemals 100 – prozentig. Als ich diese Definition las, hörte man 0,3 Sekunden später einen heftigen Rums, das war, als mein Kopf auf die Tischplatte aufschlug.

Rembrandt Selbstporträt 1630 Quelle : https://de.wikipedia.org/wiki/Rembrandt_van_Rijn#/media/Datei:Rembrandt_aux_yeux_hagards.jpg

Rembrandt wäre der Silbergriffel erschreckt aus der Pfote gefallen!

Diese Definition taugt nicht für das künstlerische Zeichnen, denn dann hat man eine Menge absolut toller Möglichkeiten des Schraffierens ausgeschlossen. Es ist enorm wichtig! Denn beim Schraffieren müssen Linien weder fein noch gerade sein! Guck mal bei Rembrandt! Dort gibt es jede Menge gekrümmter paralleler Linien. Wichtig,  die Krümmung erzählt etwas über das Motiv, das erzeugt Mimik und Gefühl!

Definition von Tine Klein:

Schraffuren sind Serien und Bündel von Linien,  häufig parallel oder nach einem gemeinsamen Ordnungsmuster ausgerichtet. Zeichnungen erhalten dadurch Schattierungen, Tiefenwirkung, und Ausdrucksstärke.

Wilde Schraffur

Ich liebe die wilde Schraffur! Und wie ihr das an Rembrandt seht, ist die Idee gar nicht so neu. Schaut mal, wie die Schraffur in krummen Linien der Form folgt, wunderbar!
 
„Weiter lese ich in einem Handbuch für Lehrer zur Mappenvorbereitung: Die wilde Schraffur ist zwar eine schnelle Technik, jedoch führt die wilde Schraffur zu einem ungleichmäßigen Flächenbild, sodass die Gesamtwirkung immer ungleichmäßig und damit wenig qualitätsvoll ist,  also unprofessionell. Wie immer ist der schnellste Weg nicht der beste!“
Liebe Schulbuchverlage, bitte testet Autoren, die Wörter wie “ immer“ zu häufig in den Mund nehmen, doch bitte auf geistige Zurechnungsfähigkeit. Wörter wie „Immer“ gehen gerne mit übermäßiger geistige Borniertheit, im Volksmund  „Dämlichkeit“ genannt, Hand in Hand.
 
Wir wollen unserer geistigen Elite doch bitte nicht schon im Teenageralter ein Brett vor den Kopf nageln. Schauen Sie sich mal Giacometties oder Picassos Schraffuren an, von gerade und gleichmäßig ist in diesen Bildern keine Rede! Gerade Schraffuren wirken sauber und enorm professionell,  sie sind deshalb hervorragend für Bauzeichnungen oder bestimmte Stilrichtungen der Kunst geeignet, jedoch:

Die wilde Schraffur ist ebenfalls toll!  Gerade in der Kunst darf man Gegensätzliches schätzen.

Ein wilder, geradezu bösartiger Strich trägt Emotionen: Giacometti hatte Depressionen, diese Gefühle lasse ich auch beim Schraffieren in meinen Stift fließen.
 
Beachte bitte, die Schraffuren sind weder fein noch parallel, sondern dick,  schwarz und heftig:
 
Ich weiß, ihr liebt diesen Blog wegen seiner bunten Fröhlichkeit, aber ich möchte euch ein paar Grafiken zum Thema Depression zeigen, um zu zeigen, was ein Strich im Extremen kann.
 
Über solche Bilder kann man denken, was man will, aber ein emotionsloses Porträt würde Giacometti sicherlich nicht entsprechen.

Zugegebenermaßen  sind diese beiden Porträts am Rande dessen, was eine Schraffur ist.  Aber ihr werdet in beiden Bildern eine Menge paralleler Linien finden.
 
Ja! Zumindest das, was Tine parallel nennt.
 
Aber überlege einmal selbst, wie würdest du einen Menschen mit einem inneren Sturm darstellen? Das Ringen, das Kämpfen? Geht das mit zarter, ordentlicher Linie?

 


Die wilde Schraffur ist toll!

Man kann mit Schraffuren weit mehr machen,  als nur Helle und dunkle Flächen anzulegen, deren Linienbündel parallel sind.
 
Schraffuren sind Linienbündel, die weitgehend parallel sind,  aber auch durchaus gekrümmt oder unregelmäßig sein können. Sie können überlappen und ineinanderfließen.
 
Anders als der Autor zur Mappenvorbereitung bin ich nicht auf Hexenjagd:

 

Es gibt verschiedene Arten von Schraffuren, und es ist sinnvoll zu wissen, wie man sie einsetzt, denn jede hat ihren Sinn.


Gerade, parallele Schraffuren


Die gerade Schraffur: sauber, gerade, technisch. Besonders gut geeignet für glatte Oberflächen: Glas, Metall, Beton und Urbanes. Gerade weil  sich ein Richtungswechsel von horizontal zu vertikal zeigen prima zeigen lässt..

Mit zarten Linien entsteht in meinem Skizzenbuch auf 10 cm eine ganze Stadt:

Deshalb ist die gerade Schraffur beim Zeichnen in der Stadt geradezu unverzichtbar. Überall dort, wo man eine klare,  gerade Form braucht, kann man ganz ruhig schraffieren.

Aber auch beim Porträtieren wähle ich diese Schraffur, wenn es zum Menschen passt.

Der ordentliche Strich für einen „Ordentlichen-Alte- Dame-Haarschnitt““ aus meinem privaten Skizzenbuch.

Die unsichtbare Schraffur:

Die ruhige Schraffur ist überall dort sinnvoll, wo es nicht um starke Aussagen geht. Wenn ich in einer Zeichnung einen Schatten legen möchte, ohne dass dieser dem Bildinhalt Konkurrenz macht, dann lege die Schraffur ruhig und gleichmäßig. Hier versteckt sich die Schraffur in den Dunkelheiten der Zeichnung.

Mein Kollege Kiah Kiean befürchtet, seine Suppe ist zu heiß. Googelt ihn mal! Er macht zauberhafte Tusche-Bilder.

Merke: Gleichmäßige Schraffuren erregen weniger Aufsehen als wilde und freie Schraffuren. Starke,dunkle oder unregelmäßige Schraffuren ziehen die Blicke an wie Magneten.

Tine Klein malt ein Portrait zum Thema wilde Schraffur

Deshalb steht die Frage im Raum: Wie macht man das eigentlich mit der Schraffur?

Schraffuren verändern sich mit dem Motiv:

Anstatt einer Schraffur in der Malerei starre Regeln aufzuerlegen, würde ich lieber fragen, welche Schraffur ich brauche, um ein Motiv optimal darzustellen.

Es ist doch ganz logisch, dass man zum Beispiel natürliche Dinge mit viel wilderen, freieren oder wuchernden Linien darstellt als einen technischen Bau.

Ein altes Gesicht kann man kaum durch klare und gerade Schraffuren angemessen zeigen. Dieses Gesicht ist gebraucht.

Tine Klein malt ein Portrait eines alten Mannes mit Füllhalter und Schraffur Technik

Privates Skizzenbuch von Tine Klein:Ein alter Mann schläft mit offenen Augen.

Ein Schatten ist vielleicht nebensächlich, dann bekommt er eine ruhige Schraffur. Das sieht man hier, der Schatten besteht  nur aus geraden Linien:

Tine Klein malt ein Portrait eines alten Mannes mit Füllhalter und Schraffur Technik

So würde ich zum Beispiel einen sehr ordentlichen oder konservativen Menschen mit einer sauberen und ordentlichen Schraffur malen, chaotischere Typen bekämen bei mir eine chaotische Schraffur. Siehe oben, schau dir die alte Dame im Vergleich zum Säufer an.

Wie es geht, erläutere ich nächste Woche.

Nächste Woche Schraffieren lernen! Haltet euch bereit!

Viele von euch haben die Erfahrung gemacht, dass wildes und freies Schraffieren hässlich aussieht.

Mit etwas Glück zeige ich euch nächste Woche das erste Online Zeichen Tutorial, dann ist Mitmachen angesagt! Um mitzumachen braucht ihr nur einen feinen Stift und ein Blatt Papier.

WO auch immer ihr seid, bleibt gesund und fröhlich:

Tine Klein malt ein Portrait von Si Chan , Füllhalter und Schraffur Technik

Das ist meine liebe Kollegin Si Chan,  ein Wunder am Zeichenstift! Ich verlinke sie, schaut mal rein.

Nächste Woche: Schraffieren lernen!

Kaffekasse, ich habe ein Herz für Menschen ohne großes Einkommen!




 Im Moment habe ich kein Einkommen , seit Jahren arbeite ich für euch ehrenamtlich, denn hinter meinem Blog steckt keine Schleichwerbung. Ich wäre dankbar, wenn ihr was in die Kaffeekasse werft! Denn bis ich meinem Beruf wieder ausüben kann, wird es Wochen dauern.

Die wundervolle Si Chan, Künstlerin mit Bleistift:

https://www.facebook.com/si.chan.9?fref=search&__tn__=%2Cd%2CP-R&eid=ARD4Sr9QWlU-bM0OUv1974KsQ0uEHit7euEBcCjGlCJ64trp5WjFaW18Q22R40ADaJBWsD8E7w85UDRl