Bildsprache: Kurs des Jahrestreffen der deutschen Urban Sketchers

Bildsprache: Kurs des Jahrestreffen der deutschen Urban Sketcher


Ein Autor malt Bilder mit Worten. Ein Maler schreibt Geschichten mit Bildern.

Tine Klein

Zeichnen ist eine Bildsprache


Malen ist eine Sprache. Während ein Autor mit Wörtern arbeitet, arbeitet ein Zeichner oder ein Maler mit einer Bildsprache. In dieser Sprache erzählt man die Geschichten und die Seele eines Ortes. Wenn Zeichnen eine Sprache ist, dann fragt dich doch einmal selbst, ob du genau das zeichnest, was du auch über einen Ort erzählen würdest?

Die drei häufigsten Sprachstörungen mit Stift:

Das Buchhaltersyndrom


Die meisten Anfänger flüchten sich in die Buchhaltung. Sie vermuten, wenn man alles abzählen kann, dann entspricht die Zeichnung auch dem Ort. Buchhalter sind jedoch in den seltensten Fällen Bestsellerautoren. Würdest du bei deiner Urlaubserzählung bei jeder einzelnen Straße darauf hinweisen, wie viele Fenster sie hat?

Tipp: Reduzieren, dafür mehr Information

Wimmelbild


Ein anderes Problem ist mangelndes Informationsmanagement. Der Zeichner ist unsicher und möchte nichts falsch machen, deshalb zeichnet er alles mit gleicher Aufmerksamkeit. Dabei geht allerdings die Liebe verloren, alles kann sehr beliebig werden, eine Massenproduktion. Die Zeichner fühlen sich gut, weil sie glauben den Ort wirklich korrekt wiederzugeben. Dinge die in der Realität unbeachtet in der Ecke stehen, werden dabei genauso wichtig wie das Schönste des Ortes.
Das würde sich dann so anhören:
Eimer, Müll, Deckel, Klappmechanismus, Chrom, Orange, Inhalt 10 l, Halterung, fünf Schrauben!
Wer so im Alltag spricht hat eine Schraube locker.

Tipp: Prioritäten setzen, zeigen was du liebst und eine reduzierte Sprache für Unwichtiges entwickeln.

Bombenalarm Bild


Andere Zeichner wiederum lassen alle normalen Dinge des Alltags komplett weg, einfach nicht hübsch genug. In diesen Bildern entsteht dann der Eindruck einer Stadt nach einer schrecklichen Katastrophe. Die Bewohner sind geflüchtet und haben alles was nicht Niet- und Nagelfest ist mitgenommen.

Lösung: Das Leben in all seinen Facetten andeuten.  Ein bisschen vom Leben gehört in jedes Bild

 

Bildsprache und Kommunikation


Das Geheimnis ist: Wer toll Malen oder Zeichnen will, muss ganz schnell lernen wieder normal zu sprechen. Am besten sind Bilder, wenn in ihnen gleichzeitig charmant und doch informativ gesprochen wird. Ich möchte euch das hier mal an einem Beispiel zeigen, wie sich diese Sprachstörungen mit Stift auswirken:

Bildsprachen



Sobald man dem Ort einen Umriss gegeben hat,
darf man anfangen wie ein Schriftsteller zu erzählen.

Bildsprache und Aussage


Das was du zeichnest, erzählt auch die Geschichte.  Wer erzählt, der kommuniziert.


Hier hat ein Schüler von mir in einer Zeichnung 52 mal Fenster geschrien, das ist ein wenig wie ein Tourette-Syndrom mit Stift.

Jetzt mal ehrlich, würde sich nicht jeder bei einer Urlaubserzählung in dieser Art, bei der Betrachter nur alle Fenster aufzählt, veralbert vorkommen?

Kann weniger mehr sein?


Der beste Tipp beim Entwickeln einer Bildsprache ist: Lieber wenige und dafür aussagekräftige Informationen.

Wenn man etwas zeichnet, dann sollte man immer kommunizieren. In meiner Zeichnung habe ich viel weniger hinzugefügt, aber das was ich gemalt habe, hat eine Aussage.
In Spanien scheint die Sonne! Es gibt Schatten. Weil es so heiß ist, haben alle Fenster Lamellen. Wegen der Hitze sind die Fenster klein und tief. Der Putz an der Kirche hat gebröckelt und ich mag die Jungendstilverzierung. Man glaubt nun, dies sei mehr als in der Zeichnung oben, weil das Bild mehr aussagt, dies ist aber alles was hinzukam:

Schaut mal her, die Grundzeichnung wurde nur durch einige wenige Details ergänzt auf keinen Fall mit 52 Fenstern.
Wer hat mehr über den Ort erzählt? Der Punkt ist das zu lernen, du musst mit deinem Stift genauso sprechen, als wenn du etwas erzählen würdest. Eine Bildsprache entwickeln, heißt im Grunde ganz normal reden. Schau mal hin, es gibt hier wichtige und unwichtige Fenster.

 

Erinnern ist die Mutter des Abstrahierens


Wenn du deine Urlaubserzählung startest, dann erzählst du ja auch nur das, was du erinnerst und das was dich besonders beeindruckt hat.
Die erfolgreichsten Bilder entstehen, wenn man eine ganz klare Vorstellung davon hat, was man eigentlich zeigen möchte.

 

Deswegen teste durch Weggucken an was Du dich erinnerst!

Bei mir hat die Kunsthalle nur 5 Bögen, es sind 7! Die anderen sehe ich nicht.
Nur das, an was Du dich erinnerst, hat dich berührt und ist damit absolut wichtig! Den Rest kannst du behandeln, wie einen Statisten, du setzt es ein um das Hauptmotiv zu stützen.

Watzlawik: Der Zwang zur Sprache:


Nachdem du die Proportion hast, musst du anfangen Entscheidungen zu treffen. Wenn man sich um die Entscheidungen drückt, passiert etwas sehr Unangenehmes,
Der Haken an der Sache ist: Man kann nicht, nicht kommunizieren. (Siehe Theorem v. Watzlawik)
Keine Entscheidung heißt, du kommunizierst dem Betrachter, dass alles absolut gleich wichtig ist.
Wenn das passiert, ist es dumm gelaufen!
Malst du so, als wenn alles gleich wichtig wäre, dann verliert das wichtige seine Bedeutung
Die Stimmung darf nicht in einer Flut unwichtiger Details untergehen! Deshalb muss man eine Bildsprache entwickeln. Das Ziel dieses Workshops ist eine klare Message als Bildaussage zu erzielen!

Bildsprache oder Visual Vocabulary


Eine Bildsprache entwickeln heißt, festlegen was wichtig ist.
Der Zeichner betreibt Informationsmanagement, er gibt nur die wichtigen Informationen an seinen Betrachter weiter.
Das Schwierigste ist beim Entwickeln einer Bildsprache, nicht der Versuchung zu verfallen wieder alles ganz genau machen zu wollen, denn man will ja nicht die wichtigen Informationen unter einer Lawine begraben werden.

Faustregel: Das was wichtig ist oder das was du liebst wird betont, das Unwichtige wird vergessen

Durch dieses Informationsmanagement begreift der Betrachter mühelos welche Geschichte wir ihm erzählen wollen.
Die Darstellung eines Gegenstandes verändert sich grundlegend dadurch, ob er wichtig fürs Bild ist oder nicht.
Ist ein Fenster für das Bild unwichtig, dann darf es nahezu unsichtbar werden oder weggelassen. Man malt im Grunde Stenokürzel, die dem Betrachter alles mitteilen, jedoch nicht die Regie übernehmen. Das Wichtigste ist, dass man ganz klar Unterschiede zwischen Wichtigem und Unwichtigem zieht. Andeuten, weglassen und zitieren sind die Maßnahmen bei Unwichtigen. Bei Unwichtigem gilt Grundform, aber kein Schnickschnack. Ein Ziegelstein anzudeuten ist wunderbar, das reicht dem Betrachter, man muss nicht zehntausende malen.

 

Does and Don’ts


Für Unwichtiges gelten die folgenden No-Goes:
• dunkle Farben, denn diese sorgen für Dominanz
• Starke Strukturen
• Harte Ecken

Besser ist:
• Andeuten, zitieren und keine starken Kontraste

Bei wichtigen Details ist nahezu alles erlaubt. Hier dürfen der Stift und auch die Farbe echte Kapriolen schlagen. Besonders wirkungsvoll ist es diese Details stark auszuarbeiten, weil bei Wichtigem ist es sehr wichtig Kontraste an zu häufen:
• starke Strukturen
• Farbkontraste
• deutlich sichtbares
• Licht und Schatten
• mache es so sexy wie möglich, der Stift darf Kapriolen schlagen

Der wichtigste Tipp ist: Tue es mit Liebe!

Selbst auf dem kleinstem Raum ist Platz um eine Geschichte zu erzählen. Diese Zeichnung ist winzig, kleiner als ein Handteller, trotzdem ist Platz, so dass man genau die Identität des Ortes erkennen kann. Man kann den Baustil sehen, das Leben am Ort und die Pflasterung. Nimm dir den Raum, den du brauchst um das was du liebst zu zeigen. Habe den Mut dafür Unwichtiges auszulassen. Jedes Fenster ist anders.

Ganz herzliche Grüße Tine

Kunst zwischen Zeit und Zeitlos

Die Zeit hat in der Kunst eine tiefe Bedeutung und absolut gar keine.


tine Klein Straße an der Alhambra in Málaga, Malaga, urban sketch, Skizze

Kunst ermöglicht Zeitsprünge, wenn ich im Museum stehe und einen alten niederländischen Meister betrachte der eine Landschaft gemalt hat, die der in der ich geboren wurde so ähnlich ist und die Kinder in den Pfützen oder auf den Feldern spielen sehe, dann bleibt die Zeit stehen. So bin ich aufgewachsen, plötzlich hat Zeit keine Bedeutung.

Wenn ich auf Bildern aus dem Mittelalter Greise in meinem Alter sehe, dann bin ich dankbar für die Zeit. Heute bin ich eine junge Frau.

Schönheit ist zeitlos ?


Wie immer schwebt die Kunst zwischen den extremen Möglichkeiten. Zwischen völliger Zeitlosigkeit und dem Diktat der Zeit.

Die meisten Zeichner und Maler bevorzugen die Schönheit als ihr Entwurfskonzept, weil sie dies für zeitlos halten. Wir sind Menschen unserer Zeit und so zeitlos ist das gar nicht.

Letztlich zeigen wir ja doch nur was man in unserer Zeit als schön und angesagt empfindet. Wenn ich vor einem arischen Kerl aus Marmor, muskelbepackt und mit grimmiger Miene, stehe, dann finde ich das nicht schön, der macht mir Angst und sagt mir nicht mehr als ein irrer Grieche, der mit Sperr und Lendenschurz brüllend auf Troya zustürmte, und doch ist dies die Kunst unserer Grossväter und das 1000 jährige Reich scheint tausend Jahre her zu sein.

Zeit und Stil


Heute möchte ich euch mal anregen über die Zeit in euren Bildern nachzudenken.

Im eigenen Stil steckt immer ziemlich viel Zeit, denn man hat immer:

Das macht man so der eigenen Generation im Kopf stecken

Mein Grossvater war Bauhaus Architekt und trotzdem hat er mach mal befremdliche Dinge gemalt, zum Beispiel röhrende Hirsche vor einer Alois Trenker Kulisse. Besonders abschreckend finde ich das Menschenbild dieser Zeit.

Mein Großvater war mit einem Bildhauer befreundet, der eine Bronze aus den 40er Jahren hatte:

Ich kommentierte:

Opa! Der Arier ist total K…e, Opa

Also merk Dir, mach nicht jede Mode mit!

Nach dem Austausch der Kraftwörter möchte ich dies mal so stehen lassen, denn besser  kann man es nicht zusammenfassen.

Der Strom der Zeit ist schön


Ich  finde nicht das man Gedankengut aus der Kunst weglassen sollte, dann wird Kunst zwar zeitlos aber auch ausagelos.

Kunst hatte seit jeher die Funktion, dass Menschen ihre Gedanken formulieren, deshalb darf man in Deutschland auch einen Künstlernamen tragen um im Privatleben unerkannt zu bleiben. Dieser Schutz ist in vielen Ländern auch heute noch überlebenswichtig für Künstler, denn Kunst übertragt Gedanken und auch die Revolution.

Heute geht meine Workshopgruppe zum Reichstag in Berlin, ein Gebäude mit reichlich Geschichte. Demokratischer, Revolution, Umsturz, Putsch und Faschismus, die Künstler waren stets dabei.

Wie stellt man solch ein Gebäude da? Ohne Zeit? Wohl kaum!

Bei solchen Gebäuden finde ich es enorm wichtig zu zeigen, wo wir uns im Strom der Zeit befinden….Lachende Jugendliche und Touristen sind ein Statement gegen ein Haus das aussieht wie ein Bollwerk und eine teils heftig antidemokratische Geschichte hat.

>Danke, das ich heute leben darf!

Und das möchte ich in meiner Skizze auch zeigen.

Zeige die Zeit


Überlege Dir, wie du die Zeit zeigen kannst.

Ein paar Tipps, Zeitgeist zeigt sich besonders gut in Autos.  Rundscheinwerfer sind 50er und 60er Jahre, es folgen in den 80ern eckige Scheinwerfer und heute haben sie nicht selten die Form eines Tropfens.

tine Klein , Malaga, Málaga, Mustang, Straße an der Alhambra, Zeit, Zeitlos, urban sketch, Skizze, Watercolor

Genau das ist der Effekt im gezeigten Bild. Das Auto stammt aus den 60ern, ich liebe diesen alten Mustang. Das Haus stammt aus dem Jugendstil. Man kann also den Zeitpunkt der Skizze nicht mehr erkennen, sie schwebt im zeitlosen Raum. Das ist bei Orten ohne geschichtliche Bedeutung völlig in Ordnung. Beim Reichstag wäre es für mich nicht genug.

Autos werde ich vor dem Reichstag nicht finden, damit bleiben die Menschen um die Zeit zu zeigen.

Wenn du deine Menschen zeichnest, achte auf die typische Mode oder das typische Verhalten der Menschen an einem Ort.

Was werde ich wohl finden?

Wahrscheinlich eine Horde Menschen mit Smartphones, ich vermute es werden 1000 Menschen das Gebäude gleichzeitig mit dem Smartphone knipsen.

Leider kann ich euch nicht zeigen, was es ergab. Wir machen die Zeichnung erst heute!

Wie hast du denn den Reichstag gemalt? Zeig uns deine Skizze

Liebe Grüße Tine

Eine Entschuldigung: Ich bin im Sommer auf Reise, ich weiß nie, ob das Internet in den Hotels reicht um die Bilder einzuspielen. Diesmal war es ein Netzausfall in Berlin, ein Bagger der Telekom.

P.S.: Auch für die graphische Reportage ist die Zeit wichtig

 

Farbe ist Erfahrung

Hallo ihr Lieben,

ich habe oft Panik, dass ich all die guten Dinge, die es gibt, einfach nicht schaffe.
Ich habe zum Beispiel in einer Abhandlung über Farbe etwas über eine mittelalterliche Stadt gelesen. Gibt es die noch? Ich google und mir fallen die Augen aus dem Kopf. Weltkulturerbe und das mit Recht, also Skizzenbuch in die Tasche und nix wie hin.


Quedlinburg


Ich bin in in Quedlinburg, hier ist es wunderschön! Eine Stadt voller oranger Häuser, was bei mir akute Verliebtheit in diese 1000 Jahre alte Stadt auslöst. So wunderbar, dass  ich überlege hier nächstes Jahr einen Malkurs anzubieten.

Das Schöne festhalten


Rotiniert fange ich an zu malen und nichts klappt, es liegt an der Hitze. Mein schwarzer Metallkasten wirkt wie ein kleiner indischer Solarkocher, er lässt die Farbe verrauchen.
Bei fast 40 Grad hocke ich im Schatten und habe keine Lust mich zu bewegen, das größte mentale Problem ist der ständige Drang sich das Malwasser über den Kopf zu kippen.

Aquarell vom heißen Blechstein


Herrlich Spontan, ja, aber leider nicht heute, meine Pigmente verhalten sich wie Bleienten bei der Hitze.

Meine Pigmente und ich sind uns einig, Bewegung ist bei der Hitze unmöglich. Das nichts so richtig klappt, hat einen Grund: Pigmente wollen baden!
Pigmente haben sehr unterschiedliche Gewichte, fehlt das Wasser ist das Mischverhalten der einzelnen Farben völlig anders.
Herrlich spontan!

Das A und O sind beim Aquarell die Trockenzeit und Pigmentstärke, deshalb mus ich mich heute so verhalten, als wenn ich die Farben nicht kenne.

Ein bisschen Laborarbeit bei 40 Grad


Mir ist klar, heute muss ich doppelt soviel Wasser nehmen wie sonst, sonst wird das Aquarell zur Wüste.

Ein Farbsetup testen


Hauptfarben des Bilds sind Ultramarin feinst, Bergblau, Lasurorage und indisch Gelb,
ich teste durch wie sie sich untereinnder verhalten.

Weiß ich nicht wie die Farbe trocknet, bin ich Spielball der Farbe

Natürlich könnte ich im Kasten mischen, aber der ist heiß und angerührte Farbe wirkt im Kasten stumpfer als die die erst auf dem Blatt gemischt wird, denn diese Farbe haben die Freiheit sich zu splitten. Dafür muss man sie aber schwimmen lassen.

Auf dem Blatt mischen warum?


Farbe die arbeiten darf sieht anders aus. Falls es Dir nicht klar ist mach den folgenden Test:

Mische  einmal Dunkelblau und Zitronengelb im Kasten, es wird grün…tropfe Zitronengelb in nasses Dunkelblau ohne darin herum zurühren, es passiert folgendes: das schwere Gelb drückt das Blau weg, es entstehen 3 Farben. Ganz wichtig, lass die Farbe selbst arbeiten, auch wenn es schwer fällt, lass die Farbe in Ruhe. Das Papier sollte nicht plan aufliegen.

Oben neben dem Bild siehst du wie ich genau das teste, das ist sonst nicht sichtbar. Ich teste strategisch wie sich die Farbe verhält. Farbe verändert beim Trocknen stark ihren Farbton und auch ihren Tonwert.
Hier seht ihr, wie ich langsam aber sicher Informationen über die Farbe gewinne. Für euch ist das ein Glücksfall, denn diese Dinge habe ich normalerweise einfach im Kopf abgespeichert,

Spontanität ist das gespeicherte Wissen, darüber wie sich Mischungen verhalten und wie sie trocknen.

Für deine wichtigsten Lieblingsfarben solltest die Mischverhalten im Kopf haben,
ich bin neidisch geworden, die Pigmente dürfen schwimmen, das mache ich jetzt auch,
denn nur dieses Wissen unterscheidet Spontanität von einem Umfall.

Bei der Hitze mache ich nun das Gleiche wie die Pigmente, schwimmen gehen1!

 

Liebe grüsse Tine

Der eigene Stil und fremde Einflüsse

Der eigene Stil ist intuitiv


Der eigene Stil ist etwas wundervolles, wenn es gut läuft, dann denkt man darüber gar nicht nach. Man macht es einfach und das Ergebnis ist im besten Falle wunderschön.

Hast du schon mal angefangen über Tanzschritte nachzudenken?

Wenn ja, dann weißt du ja dass man dabei total aus dem Takt kommt und in Sekundenschnelle aussieht wie ein Depp.

So ähnlich geht es mir wenn 100 neue Einflüsse auf mich einprasseln!

In diesem Beitrag bin ich viel dunkler als sonst, weil ich mit einem Freund unterwegs war der gerne nur in Schattentönen malt. Gut, aber nicht meins da, steckt mir zuviel einer fremden Person drin.

Jetzt muss ich mal eine Frage stellen:

Warum will ich eigentlich malen wie ein Anderer?

Die Antwort ist relativ einfach, ich will lernen, ich will immer lernen. Eigentlich ist lernen ja das Spannendste und deshalb mache ich Kunst, weil ich immer wieder hinsehen will!

 

Besonders krass ist mir dies in Porto aufgefallen, hier habe ich mal wieder mit vielen meiner Freunde gezeichnet, die alle selbst einen ganz tollen Stil haben. Das Ergebnis war oft ziemlich verrückt. Meine Freunde sahen aus wie ich und ich ein bisschen wie meine Freunde. Der Stilmix ist lustig und tut auch mal ganz gut um was Neues zu lernen.

Um etwas Neues zu lernen, muss man spielerisch sein und sich öffnen. Allzu oft gerät man dabei ins Grübeln und dabei entsteht dann eine wilde Mischung aus alt und neu, gekonnt oder passiert.

Wilder Stilmix


Es entsteht ein wilder Stilmix der einfach Spaß machen oder eher eine Verwandtschaft mit einem Unfall hat.

Besonders klar wurde mir dies aber erst mal nicht beim Malen, denn das herumgelatschtem mit fremden Einflüssen macht Spass. Dennoch produziere ich während des Symposiums grundsätzlich erst einmal merkwürdige Skizzen.
Klar wurde mir der Zusammenhang als einer der portugiesischen Touristenkähne direkt vor unserem WG Fenster anlegte. Beladen war der Kahn mit lauter Koreanern, die volltrunken aus einer Mischung aus Sake, Vodka und Portwein glückselig den deutschen 50er Jahre Hit „Griechischer Wein“ auf Koreanisch schmetterten.
Betroffen starrten wir von unserem Balkon und brauchten eine traumatische Schrecksekunde bis wir begriffen, warum uns das koreanische Liedgut so bekannt vorkam. Wieso man jetzt gerade „Griechischer Wein“ auf einem portugiesischem Portweinschiff brüllt, war uns nicht auf Anhieb klar.

Grundsätzlich ist jeder Stil erlaubt


Grundsätzlich ist in der Kunst natürlich alles erlaubt, auch besoffene Koreaner die in Portugal die Vodka saufen und „Griechischer Wein“ schmettern, wenn es halt Spass macht, ist es ja prima.

Aber nur Wenigen von uns ist beim Zeichnen klar, das sie beim hemmungslosem Kopieren und Stilrichtungen malen genau das gleiche machen, wie die feucht fröhlichen Koreaner. Es macht Spass, aber mir war schlagartig klar, wir können uns für die wilde Mischung gemeinsam mit den Koreanern für den „Bad Taste“ Kulturpreis nominieren lassen.

Dennoch wild mal die Ideen anderer auszuprobieren macht mir echt Spaß, vergessen wir also mal alle bedenken! Mitschmettern macht Spaß und es geht nicht immer um Kulturpreise.

Mal so wie du selbst !


Das ist klar, aber leichter gesagt als getan, wenn so viele neue auf Einflüsse unterwegs sind.

Dabei stellt sich doch für jeden Einzelnen von uns die Frage, warum will ich eigentlich  ausprobieren den die Anderen machen?

An dem Beispiel der weinseligen Koreaner wird schnell klar, nicht jeder Einfluss macht künstlerisch gesehen Sinn.
Sich zu verweigern macht aber auch keinen Sinn, denn wer sich nicht umguckt lernt auch nichts Neues! Und jetzt sitze ich in der Zwickmühle, wie viele Künstler man will seinen eigenen Stil um jeden Preis schützen, aber sich auch nicht von seinem eigenen Stil fesseln und knebeln lassen.

 

Erst mitmachen, dann verdauen


Als Kunstworkshopleiter liebe ich es mal in die Schülerrolle zu schlüpfen und dabei merke ich immer wieder lernen ist harte Arbeit, denn die eigentliche Arbeit ist das Verdauen der neuen Einflüsse.
Ähnlich wie bei einer Fremdsprache ist es sinnvoll aus den Vokabeln eigene Sätze bauen zu können, anstatt wie in nutzlosen Reiseführern einzelne Sätze auswendig zu lernen.
Oft sind meine Lernerfahrungen nicht auf Anhieb von Erfolg gekrönt, ich stocke, muss inne halten um das Erlernte so zu transformieren, dass es zu mir passt. Ich fühle mich erst einmal wirklich dumm, weil nichts mehr klappt.
Ich sitze zum Beispiel in einem Workshop über Blickführung und stelle fest, dass es in dem Workshop um exakte Linienführung geht.

Sehr, sehr langsame Linienführung!

Kurz gesagt, interessiert mich nicht. Ich fühle mich ähnlich fehl am Platz wie neben meinem koreanischen Vodkaboot. Ich gehe innerlich heftig in Opposition. Wichtig ist in solchen Situationen, dass man trotzdem mitmacht, denn die Erfahrung etwas gegen den eigenen Strich zu tun ist großartig, weil man etwas über sich selbst erfährt. Diese Erkenntnis ist der Nährboden der eigenen Kunst.

Manchmal ist Malen Therapie


Diese 3 Stunden Malunterricht sind also eine sehr billige Therapiesitzung. Ich weiss nun sehr genau, dass Freiheit mein Thema ist. Nicht Strichführung, sondern freie Blickführung sind mein Thema. Wichtig dass man an solchen Punkten nicht anfängt zu meckern, mehr bringt einen voran wenn man gegen Vorschläge entwickelt. Der Workshop ist für mich etwas wie ein Katalysator für meine eigenen Gedanken. Am Ende des Kurses habe ich den Inhalt für mich verdaut, ich will etwas anderes und genau dies fange ich nun an umzusetzen.….also Thema verdaut und Nährstoffe draus gesogen, auch wenn es schwer fiel. Danke an den Lehrer, dass er mir seine Gedanken gezeigt hat, es hat mir geholfen meine zu entwickeln.

 

Viele würden denken: „Blöder Workshop“, das ist aber nicht so, jeder Same keimt in jedem Boden. Zu wissen was ich nicht will, schiebt mich oft schneller voran als schon vorgefertigtes Wissen.

Opposition gegen Schönheit?


Schwieriger finde ich es Opposition zu entwickeln, wenn ich Dinge sehr mag. Meine klassische Malausbildung führt dazu, dass ich alte Meister bewundere.Ich liebe diese Ruhe und klassische Schönheit. Wenn ich nun mit Freunden male, die klassischer sind als ich, dann bin ich immer wieder versucht ein bisschen den alten Meister raushängen zu lassen.

Tine Klein , Porto, uskporto2018, Stil, oporto,Brücke

Hier male ich erst mal wie Schneewittchen. Das Bild ist am Anfang so brav, dass ich richtig Anlauf nehmen muss um es noch etwas wilder zu machen. Erst dann wurde es meins.

Ich finde es gefährlich, wenn die Technik mit mir reiten geht. Ich will reiten, ich will mich aber nicht von der Technik reiten lassen. Die Bilder gleiten ins Kunsthandwerk ab, weil ich die klassischen Maltechniken einfach wie am Fließband abspule. Wenn es ein bisschen wilder wird, dann macht es mir erst Spass.

Was ist denn deine Sprache?


Passt du auf, dass dir Niemand anderes eine Frisur verpasst die dich unkenntlich macht?
Hier ist es ein bisschen schwierig zu entscheiden, wie man wirklich ist und wo man hin will, denn bekanntlich will jede Frau mit Locken glatte Haare und so ist es auch in der Kunst.

Ich brauche Farbe und ein Augenzwinkern, dann ist es meins:

Tine Klein , Porto, uskporto2018, Stil, oporto,Tram,

Jetzt wird der ein oder andere sagen: “ Merke ich gar nicht, dass du da kämpfst, ist doch alles Deins!“
Generell ist es in der Kunst, wie bei den Koreanern auf dem Partyboot, sinnvoll ist nur so viel zu saufen, dass man sich noch an den eigenen Namen erinnert.Oder im Workshop nur das zu picken was für Dich gut ist. Nächste Woche geht es weiter im eigenen Stil.

Liebe Grüsse ins Wochenende,
Tine

Mehr zur großen Kunst der Skizzenbücher gibt es hier:

Reiseskizzen mit Turner

 

https://blog-herz-der-kunst.ch/reiseskizzem-mit-w-turner/