Letzes Jahr war bei mir so viel los, dass ich gar nicht dazu gekommen bin zu berichten. Eines der schönsten kleinen Events bei meinem Spaziergang mit Stift war das Slow-Up. Ein Slow-Up ist ein Event bei dem die Straßen gesperrt werden, damit sie frei sind für Fahrradfahrer und Rollschuhlfahrer.
Wir setzten uns mit Stühlen auf die Straße und trainierten das Zeichnen in Bewegung.
Man sind die schnell und zack sind sie weg!
Bewegungen zeichnen, macht einen am Anfang ratlos. Es ist doch schon auf dem Foto schwer genug!
Hier hocken wir wie die Hühner auf der Leiter und warten auf unsere rollenden Opfer.
Das war ein wundervolles und buntes Treiben, jedoch ist es für den Zeichner der absolute Horror, denn auf einem Slow-Up hält niemand still.
Der beste Tipp ist sich nicht von dem Getümmel unter Druck setzen zu lassen
Also erst einmal gemütlich hinsetzen, sich das Treiben ansehen und dann herauszufinden was hier eigentlich die typische Bewegung ist. Wenn viele Menschen das Gleiche tun, dann machen auch alle immer mal wieder die gleichen typischen Bewegungen.
Gut zu wissen, alle machen irgendwie das Gleiche!
Das Erste ist das man herausfindet, wie das Ganze ungefähr zusammenhängt.
Das Grundmuster finden
Fahrradfahrer machen immer wieder die gleiche Bewegung. Sie hängen mit einem Buckel auf ihrem Drahtesel und die Beine strampeln sich unten ab.
Die Bewegungen ähneln sich immer wieder Buckel, ein gestecktes Bein und ein langes Bein.
Da die Bewegung unglaublich schnell ist, darf man sich einfach nicht treffen lassen. Der beste Tipp ist nicht nur eine Person zu malen, sondern das Gemalte ganz in Ruhe aus mehreren Personen zusammenzusetzen.
Super geeignet dafür ist gestisches Zeichnen. Um sich klarzumachen wieso eine Person auf dem Fahrrad aussieht, malt man sie einfach in der Luft, während man die Fahrradfahrer beobachtet. Dadurch dass man praktisch in der Luft eine Geste malt, wird einem ziemlich schnell klar was die Grundform ist. Die Grundform eines Fahrradfahrers ist einfach ein Haken. Der Buckel mit dem langen Bein, dazu kommt noch ein angewinkeltes Bein.
Die Geste vereinfacht die Sache!
Macht man sich dies klar, ist die Sache gar nicht mehr so brutal schwer.
Hat man erst mal begriffen, dass man eine Bewegung in einen einfachen Pinselschwung oder Strich umsetzen kann, dann kann man auf dieser einfachen Basis enorm lebendige Bilder oder Zeichnungen machen.
Vereinfachen ist das A und O
Oft hilft es sich das Leben so einfach wie möglich zu machen! Wenn man erst mal versucht, die Dinge von hinten zu malen. Schon hat man viel länger Zeit sich das Ganze anzusehen.
Tine Klein: Opi auf dem Fahrrad
Auch hier sieht man das Grundmuster, das gestreckte und das abgewinkelte Bein. Diese Vereinfachung und etwas mehr Zeit nimmt einem enorm den Stress.
Mutig vereinfachen ist das A und O des schnellen Zeichnen. Aus einem Reifenprofil wird einfach eine Zickzacklinie, aus einem angewinkelten Bein ein Dreieck. Vom Fahrrad sieht man nicht mehr als den Reifen und die Lenkergriffe.
Wenn man von hinten malt, hat man sich auch den Stress gespart die Fahrradkonstruktion von der Seite zu malen.
Gerade das Einfache sorgt dafür, dass man das Typische einfängt
Zu viele Details gehen bei dieser Art und Weise des Malens überhaupt nicht. Besonders notwendig ist es sich auf die wichtigsten Dinge zu spezialisieren.
Also kein Schnickschnack, sondern das Nötigste.
Nur Wer wagt, der gewinnt
Es gibt kein Weg daran vorbei, wer es nicht ausprobiert, wird es auch nicht lernen
Doch es gibt Hoffnung, beim Zeichnen von Bewegung hat man einen ganz enormen Vorteil, dieser Vorteil ist das Bewegung gerne mehrere Linien toleriert. Eine falsche Bewegung ist, anders als in einer normalen Zeichnung, nicht unbedingt ein Fehler sondern nur ein Anzeichen für die Bewegung. D. h. deine Versuche und auch kleinen Fehler sehen mitunter sogar extrem cool aus
Rennfahrer mit Navi, lustig bei der Seestrasse am Zürichsee, die 30 km lang völlig gerade ist
Schau noch mal in meine erste Zeichnung, das erste Hinterrad passte so wenig zum Fahrrad, dass ich das Blatt am liebsten weggeschmissen hätte.
Nicht beim ersten Fehler Skizzenbuch beißen
Suchende Linien sind beim Zeichnen von Bewegung kein Fehler, das Rad bewegt sich und die Linie bewegt sich und so werden deine vermeintlichen Fehler oftmals zum Design!
Wie man mit Schüchternheit umgeht
Obwohl ich es gewohnt bin vor Menschen zu malen, kriege ich immer noch Hitzewellen, wenn die Menschen so nah ran kommen. Wenn ich dann Fehler mache, bekomme ich Angst und natürlich geht das erst recht meinen Schülern so.
(diese Fahrradfarbe hat mich inspiriert siehe oben)
Aber wenn man das Gespräch aufnimmt, dann merkt man 99,9 Prozent der Menschen sind positiv, sie kommen weil sie es toll finden, das wir malen. Sie wollen mitmachen.
Einfach machen ist das Rezept, erst dann wird man bestärkt
Bewegung -Material und Technik
Schaut mal, dieser junge Mann hängt auf seinem Rennrad wie Sancho Panza auf seinem Esel.
Tine Klein: Drahtesel und Sancho Panza in Zürich auf der Seestraße
Aber wie kann es sein, dass ich Ihnen so kurzer Zeit malen kann.
Die schlichte Wahrheit ist: „Ich kann es nicht!“
Auf der Strecke kommen hunderte von Fahrradfahrern, wenn ich einmal etwas Typisches gesehen habe, dann schärft sich mein Auge dafür. Ich lege mich auf die Lauer bis der nächste Radfahrer kommt.
Den Malprozess zerlegen
- Zuerst male ich in Ruhe den Lenker und die Fahrradlampe, dann warte ich bis der nächste Rennradfahrer kommt.
- Jetzt habe ich schon im Kopf welche Pose ich malen will, dann male ich nur die absolute Grundform in einem dicken Block, oft sogar wie oben ganz grob nur in Farbe.
- Jeder folgende Fahrradfahrer steuert nun einen kleinen Teil zu Motiv bei. Bewusst schaue ich auf Details zum Beispiel die Hände.
- Wenn etwas ganz besonders schön war, dann versuche ich es im Kopf zu behalten. Ich schließe zwei dreimal die Augen, und versuche mir das Bild intensiv einzublenden. Diese Etappendetails wie zum Beispiel das Gesicht oder die Brille ergänze ich dann ganz in Ruhe aus dem Kopf.
Das Wesentliche aber ist die Haltung und dies habe ich oft schon beim ersten Fahrradfahrer festgehalten.
Die Technik auf gefärbten Papier
Beim Skizzieren von Bewegung ist der Papierverbrauch hoch. Am Einfachsten fällt es, wenn man mit Mut ans Werk geht. Dabei muss man sich einfach zugestehen, dass man Fehler macht.
Viel Material braucht man nicht. Hier habe ich mit Aquarellfarben, meinem Füllhalter, einem Bunstift und weißer Tusche gearbeitet.
Was man allerdings braucht ist viel Papier, denn Abfall und Schwund gehören dazu. Wenn ich jetzt, wie bei mir, jede Menge gelungene Skizzen seht, dann macht euch klar jeder macht Fehler, auch ich produziere jede Menge Schrott.
Zum schnellen Zeichnen sind in der Regel sehr glatte Papiere geeignet.
Das Papier was ich hier benutzt habe ist Paint On Multitechniques, es wurde auf dem Deutschen-Urban- Sketcher -Meeting von Boesner Glinde, Hamburg-Kiel gesponsort, vielen lieben Dank dafür, denn das hilft uns Kunstmaterial zu erkunden.
Ich selber hatte bis dahin nur selten auf getönten Papier gearbeitet, ich war sehr positiv überrascht, weil das Papier mit 250 g/Quadratmeter sehr dick ist und deshalb ist es sehr fehlertolerant. Man kann auch noch mal drüber malen.
Was ich diesmal mit der weißen Tusche reichlich gemacht habe, dass das Papier so robust war hat gute Ergebnisse ermöglicht.
Da Fehler beim schnellen zeichnen unvermeidlich sind, habe ich mit weißer Tusche gearbeitet, so konnte ich allzu auffällige Fehler abdecken. Durch die Dicke des Papiers hat sich dann auch nichts gewellt.
Dieses Papier ist auf jeden Fall großartig für das Zeichnen und Malen geeignet.
Wichtig ist aber, dass man sich die Angst vor dem Material zerstören nimmt, der Fehlversuch gehört dazu. Einige Schüler arbeiten auch gerne auf Suddelpapier, das ist der Schweizerische Ausdruck für Schmierpapier, denn das macht frei im Kopf.
Ein Bekannter von mir arbeitet auf zerknitterten Butterbrotpapier, das macht ihn frei. Ich bevorzuge Multimedia-Papier, denn mein Malstil ist sehr robust.
Eine Schülerin malt auf Probeblättern, die Angst das gute Papier zu verderben ist weg!
Es geht nicht ums Kunstwerk, sondern um das Erfahrungen sammeln
Die Schülerin oben hat es goldrichtig gemacht, sie hat sich Papierproben genommen und macht jetzt ihre Erfahrungen damit. Sie weiß hinterher, welches Papier sie mag und welches nicht. Wobei natürlich Echt-Bütten-Suddelpapier von Hahnenmühle die totale Luxusvariante ist 😉 All das was man aus Erfolgen und Fehlern lernt, das ist das schönste Kunstmaterial der Welt.
Denn das schönste Kunstmaterial bist Du!
Du wirst mit all diesen Erfahrungen besser und deine Bilder schöner!
Liebe Grüße ins Wochenende
Tine
Das A und O zur Vereinfachung ist die Abstraktion hier kannst du weiter lesen