Die Freiheit für die Perspektive!

In eigener Sache:

Mein Perspektiv-Kurs im Frühjahr 2025  bei Boesner CH war überfüllt. Entschuldigung an die, die keine Plätze bekommen haben. Die gute Nachricht: Wir haben Zusatzkurse eingestellt. Es gibt wieder Plätze.

Manchmal ist das Einzige, was man braucht, eine neue Perspektive.

Tine Klein Frankreich Skizzenbuch Perspektive an der Seine, Paris

Tine Klein Frankreich Skizzenbuch Perspektive an der Seine, Paris

Perspektive ist lockerer als man denkt.

Doch ganz ohne Regeln geht es allerdings nicht.

Der erste Trick, um in der Perspektive freier zu werden, ist, sich die grundlegenden Regeln anzueignen.

Nur wer sattelfest ist, kann frei zeichnen!

Wenn du die Regeln gut kennst, merkst du bald, wo man sie ein wenig biegen kann.

Heute geht es darum, wie du spielerisch mit Perspektive umgehen kannst und dabei trotzdem überzeugende Zeichnungen machst.

Locker in der Perspektive – eine Frage der Erfahrung!

Perspektive ist beim Zeichnen bei weitem nicht so heiß, wie sie gekocht wird. Doch Lockerheit mit Perspektive lernen die meisten Zeichner erst nach Jahren.

Daher bitte Vorsicht bei Menschen, die sagen: „Perspektive in zwei Tagen lernen – garantiert!“ – Fassungslos die Augen nach oben dreh!

Wer perspektivische Regeln bricht, muss Erfahrung haben.

Wenn ein Laie Perspektivregeln bricht, dann sieht dies in der Regel stümperhaft aus.

Wenn ein Künstler Perspektivregeln bricht, dann sieht das mitunter besser aus, als wenn die Perspektive vollkommen stimmt.

Welche Regeln man brechen darf und welche nicht, das ist eine Frage der Erfahrung und auch eine Frage des Sehens.

Am Anfang ist dein Sehorgan so schlecht trainiert, dass du die Winkel einer Perspektive gar nicht korrekt erkennen kannst. Du musst lernen, die Perspektive zu sehen, aber die gute Nachricht ist, deine Betrachter sind auch nicht wirklich geschult im Sehen von Perspektive.

Aus der Reihe tanzen – die Linienführung bewusst brechen

Wenn man einen Fluchtpunkt auf dem Blatt hat und ihn exakt mit einem Lineal anvisiert, dann folgen die Linien ihm gestochen scharf, und der Betrachter kann ihnen genau folgen.

Das ist ein Problem, denn so werden kleinste Fehler deutlich sichtbar!

Erfahrene Zeichner wissen, wie viel Lockerheit möglich ist, ohne dass das Bild die Perspektive verliert.

Freihandzeichnen erlaubt kleine Ungenauigkeiten – sie gelten oft nicht als Fehler, sondern bringen Lebendigkeit in die Zeichnung.

Erfahrene Zeichner lassen Perspektivlinien leicht „verspringen“. Sie visieren zwar den Fluchtpunkt an, zeichnen jedoch frei.

Tine Klein Bahnhof Barcelona Aquarell Perspektive

Tine Klein, Barcelona der Zug ist zu spät

Dadurch hüpfen die Fluchtlinien leicht, was der Betrachter toleriert und als dynamisch empfindet. Das Auge wird nicht durch die kleinen Abweichungen gestört, empfindet aber die Lockerheit des Striches schön.

An diesem Punkt stößt man das erste Mal auf das Paradox, dass eine leicht falsche Perspektive besser aussehen kann als eine gestochen scharfe.

Freihand anvisieren

Übung ist hier das A und O! Mach regelmäßig kleine, einfache perspektivische Skizzen. Zeichne dir Fluchtpunkte ein und visiere sie frei an. So trainierst du die Hand-Augen-Koordination und bekommst ein Gefühl für das Spiel mit der Perspektive. Erfahrene Zeichner haben den Vorteil, dass sie diese Bewegungen fast automatisch machen – aber auch die haben geübt.

Bevor du zeichnest, führe die Hand in Richtung Fluchtpunkt. Bewege deine Hand mit dem Stift hin und her, damit sich dein motorisches Gedächtnis merkt, wie der Winkel der Fluchtlinie sein sollte.

Hier kann ich nur sagen: Übung macht den Meister*in…

Peile den Fluchtpunkt locker an, stimmig muss nur die Hauptrichtung sein.

Gesundes Chaos: Etwas Unordnung in die Perspektive bringen

Füge sanfte Ungenauigkeiten ein. Lasse zum Beispiel die Linie eines Dachfirsts leicht durchhängen.

 

Auch wenn die Linie eigentlich gerade wäre, kann eine solche Abweichung der Zeichnung Lockerheit geben, ohne dass der Betrachter den genauen Fluchtpunkt erkennen kann. Diese kleinen „Schwingungen“ geben Dynamik und machen Fehler in der Perspektive fast unsichtbar. Sieht man links unten.

Tipp: Experimentiere mit diesen Krümmungen. Dein Stich wird lebendiger wirken.

 

 

Großes Format – leichteres Zeichnen

Fluchtpunkte, die außerhalb des Bildes liegen, sind oft schwer zu handhaben.

Ein Trick: Arbeite auf einer Plexiglas-Zeichenplatte und markiere Fluchtpunkte außerhalb deines Papiers mit einem wasserlöslichen Stift. So kannst du den Fluchtpunkt direkt anvisieren, und dein Auge hat einen klaren Bezugspunkt.

Das macht dir das Leben beim Zeichnen viel einfacher.

Nach der Zeichnung kannst du die Platte abwischen. Wer keine Plexiglasplatte hat, kann einfach ein etwas größeres Papierformat nutzen, um genügend Platz für die Fluchtpunkte zu haben.

Übung – Der Perspektivbrecher

Fluchtpunkte sind nicht in Stein gemeißelt!

Wenn wir uns bewegen, erzeugen wir ständig neue Fluchtpunkte. Der Standort des Auges erzeugt den Fluchtpunkt. Bewegst du also deinen Kopf, verändern sich die Fluchtpunkte im Motiv.

Das macht das Freihandzeichnen am wahren Objekt so kompliziert.

Hier die gute Nachricht: Fluchtpunkte auf der Augenhöhe (Horizontlinie) lassen sich bei Bedarf ein wenig verschieben. Dies klingt merkwürdig, denn durch das Verschieben verändert sich die Perspektive. Doch beim normalen Blick auf die Welt drehen wir unseren Kopf, und die Perspektive verändert sich ebenfalls. Für erfahrene Zeichner ist das eine gute Möglichkeit, den Fluchtpunkt etwas anzupassen, ohne dass es auffällt.

D. h. ein erfahrener Zeichner kann den Fluchtpunkt ein wenig herumschubsen.

Tipp: Mache mehrere kleine Skizzen und verschiebe den Fluchtpunkt bewusst. So lernst du, wie weit du in deiner Freiheit gehen kannst, bevor es unnatürlich wirkt.

Perspektive -Wann wird’s heikel?

Die Perspektive entsteht durch das Auge des Betrachters, daher ist die Horizontlinie, also die Augenhöhe des Betrachters, der zentrale Punkt.

Extrem unglaubwürdig wird es, wenn Fluchtpunkte plötzlich nicht auf einer einheitlichen Augenhöhe liegen.

Das wäre, als ob ein Auge auf 1,70 Meter Höhe und das andere auf Bodenhöhe wäre. Wenn zwei Augenhöhen in einem Bild auftauchen, wirkt die Perspektive sofort unglaubwürdig.

Der Betrachter steigt auch aus, wenn sich Linien das Regelsystem total über den Haufen werfen.

Immer dann, wenn sich Fluchtlinien, die nahe beieinander liegen, in deutlich unterschiedliche Richtungen bewegen, merkt der Betrachter sofort:

Hier stimmt was nicht.

Dieser Eindruck entsteht oft, wenn der Zeichner vergessen hat, wo sein Fluchtpunkt ist.

Wichtig: Nicht die Ungenauigkeit ist das Problem, sondern das Unwissen!

Lockerheit ist gut – doch wahllos verzerrte Linien, die die Naturgesetze ignorieren, erzeugen einen chaotischen Eindruck.

Liebe Grüße
Tine

Mein Tipp: Viele kleine Skizzen lehren dich mehr, als große, komplizierte frustrierende Zeichnungen.

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Interiors – Perspektive vereinfachen

Alles eine Frage der Perspektive!

Tine Klein Perspektive im Hafen Uetikon

Tine Klein: Altweibersommer im Hafen von Uetikon

Häuser stehen doch ganz fest auf dem Boden und wieso ist es dann so schwer sie zu zeichnen, es sind doch einfach Kisten!

Letzte Woche schrieb mir Kathrin dies: Ich habe manchmal das Gefühl, die Häuser halten sich nicht immer dran – sie stehen ja nicht in Reih und Glied, sondern Kreuz und quer…


Wenn die Häuser zappeln


Wenn du mal wieder das Gefühl hat du bist wirr im Kopf und die Häuser wollen mal wieder nicht still stehen, dann bist du nicht zwingend betrunken…..sondern einfach nur ein guter Beobachter.

Tatsächlich stehen Häuser nicht still wenn wir sie zeichnen. Schon leichte Bewegungen beim Messen und Beobachten verändern alles. Eigentlich müssten wir ja gewarnt sein! Denn es heißt ja: Betrachte die Dinge doch mal aus einer anderen Perspektive…Ein Perspektivwechsel würde dir gut tun…..


Nichts ist so veränderlich wie eine Perspektive


Fluchtpunkt und Kopfbewegung 1

So schaut die Kirche aus wenn ich ganz normal  stehe und jetzt bin ich ein braves Mädchen und mache mal einen Knicks.

Fluchtpunkt und Kopfbewegung 2

Mein Kopf ist jetzt auf der Höhe der Holzlehnen. Seht ihr wie krass 30 cm Bewegung im Bild alles verändert haben?

Deshalb ist es kein Wunder wenn Du Perspektive nicht auf Anhieb siehst.

Die obere Kante der Bänke lief im ersten Foto steil nach oben, nun sind sie alle auf einer Linie!

 


Warum tanzen Häuser rum?


Perspektive Horizontlinie muss Augenhöhe heißen von Tine Klein

In Fachbüchern wird die Linie die auf der sich alle Fluchtpunkte entstehen Horizontlinie genannt und dies ist total irreführend, weil es uns  nicht klar macht, dass wir das Zentrum der Perspektive sind.

Die Linie müsste Augenlinie heißen!

Bei normaler Sichtweise fluchten alle Linien auf die Höhe  deine Augen zu!  Und damit bilden sich bei normalem Blick alle Fluchtpunkte auf der Höhe deiner Augen.

Im Foto kannst du das genau sehen. Mein Fotoapparat steht genau auf der Brüstung in der 2 Etage und das Haus fluchtet genau auf die Höhe meiner Augen. (Auf der Horizontlinie)

Das heißt, bewegst Du deinen Kopf, dann spielst du mit den Winkeln, du bewegst die  Winkel im Bild. Wenn du dabei zeichnest, sieht dein Haus aus,  als wäre es von  Dick und Doof zusammen gezimmert worden.

Arno Hartmann drückt das wie folgt aus:


Perspektive sehen ist nur etwas für Einäugige Leichen….


Als Arno diesen Spruch im Auto brachte, musste ich mitten in der Rush-hour- von München vor Lachen Schlangenlinien fahren! Und hab mich zur echten Verkehrsgefährdung entwickelt.

Da hat er mich voll erwischt! Ertappt guck….Ich bin ein Zappelphilipp und habe immer mindestens einen heftigen Fehler in meinen Zeichnungen, weil ich mich zusehr bewegt habe.

Erklärung: willst du Perspektiven ganz genau Zeichnen und sie evtl. sogar messen, dann musst du dich an Arno’s Anleitung halten und so still sitzen wie eine Leiche, dabei ist es extrem hilfreich, wenn man ein Auge verloren hat.


Messen von Perspektiven, so geht es ohne sich das Auge auszustechen


Tine Klein perspektive messen lernen

Tine misst die Gebäude im Hafen von Uetikon

Ich mach es so:

Ich suche mir eine Körperhaltung, die ich beim Messen immer wieder exakt einnehmen kann. Wichtig ist das ich mich anlehnen kann um den Körper immer wieder in der gleichen Position zu fixieren. Ich lege meinen Kopf auf die rechte Schulter und strecke meinen rechten Arm zum Messen völlig durch und dann kneife ich ein Auge zu.


Und schon bin ich die von Arno geforderte einäugige Leiche!


Durch diese komische Körperhaltung erreiche ich folgendes:

Ich schalte alle Fehlerquellen beim Messen aus:

  1. Die Haltung hindert mich am zappeln, das heißt die Winkel verändern sich nicht mehr, deshalb kann ich sie nun einfach auf mein Blatt übernehmen.
  2. Meine Hand ist selbst immer auf der Höhe meiner Augen und ich schalte damit perspetkivische Fehler aus.
  3. Mein Arm ist immer gestreckt, dadurch schalte ich aus, das die gemessene Strecke mal kleiner und mal größer wirkt, jede Messung ist dann gleich.
  4. Durch das zugekniffene Auge gibt es kein Steriosehen mehr.

(Anmerkung von der Redaktion: Dabei ist es enorm wichtig souverän zu gucken, sonst wirkt man wie ein Idiot XD)


Ich zwinge die Häuser still zu stehen!


Ich übernehme mit wenigen Strichen die Winkel und hole sie aus der Realität  1:1 auf mein Blatt. Perspektive ruhig sichtbar machen ist der Schlüssel zum Erfolg. Sichtbar mache ich mir die Winkel mit dem Stift, dadurch kann ich in  wenigen Sekunden die groben Umrisse auf das Blatt übertragen.

Hafen Uetikon schwarz weiß

Wie ihr seht besteht das Haus nur aus wenigen Grundlinien. Ich zeichne wirklich nur die obere Kante und die untere Kante. Mehr Informationen brauche ich für Perspektive nicht, da die Winkel den Fluchtpunkt zeigen.

Es ist simpel und davor braucht man keine Angst haben. Und so sieht es in Farbe und etwas Schnickschnack aus. ..mit etwas Übung könnt ihr es natürlich auch.

 

Hafen in Uetikon dunkel

Reizüberflutung und Angst verhindern das man Perspektiven ohne Mühe zeichnet

Ich mache mir gar keinen Stress und natürlich sitze ich nicht die ganze Zeit mit einem Pinn im Rücken rum, aber falls ich unsicher werde, kann ich diese Körperhaltung wieder einnehmen und nachschauen wo ich das Problem habe.

Da man am Anfang noch nicht gut sehen kann, brauchst du regelmäßig Praxis, gehe es ruhig und ganz simpel an, dies ist das wirksame Geheimrezept sich nicht in  1000 Details zu verlieren.

Ganz herzliche Grüße ins Wochenende

Tine

Genießt den die Sonne auf der Haut und  die Farben des Indianersommers.

Reben

Und wie üblich, wenn es euch gefällt, teilt mich.