Heute gehts um Bildentwurf. Ich sitze in einem spanischen Workshop und höre zu wie mein Freund Joaquim seine Schüler unterrichtet. Aufgeregt gestikuliert er mit seinem Wasserglas, während ich fasziniert auf den Sturm im Glas starre. Er donnert mit einer Leidenschaft, die nur Spanier und Latinos zustande bringen:
La Concepción es fundamental!
Nun hämmert diese Naturgewalt von Mann mit dem Knöchel auf den Tisch! Der letzte Schüler ist nun aufgeschreckt!
La Concepción es fundamental!
Brüllt er ein zweites Mal, als könne er diesen Leitsatz, der so viel heißt wie,
Der Bildentwurf ist, die absolute Grundlage deines Bildes!
in die Köpfe seiner Klasse einhämmern. Falls nun nicht jeder hellwach ist, ist er offenbar bereit sein Wasser für eine Dusche einzusetzen.
Bildentwurf:
Leider führt der Bildentwurf ein Schattendasein. Denn viele Schüler denken, mit dem was sie sehen sei schon alles klar! Joaquim schreit und gestikuliert leidenschaftlich, kurzzeitig muss ich mir ein Lachen verkneifen, weil er mich so sehr an Louis de Funès erinnert. Ein kleiner liebenswürdiger Diktator.
Joaquim predigt nun in Hollywood -Manier die Grundlagen des Bildentwurfs. Schattenboxen a lá Don Quichote inklusive.
Er hat völlig recht, viele Bilder gehen am fehlenden Bildentwurf zugrunde!
Augen haben eine Funktionsweise.
Das Auge hat in der Realität viel mehr Möglichkeiten sich zu orientieren als auf dem kleinen Blatt. Möchte man ein Sujet aufs Papier bringen, dann muss man die reale Umwelt brutal verkleinern. Dabei verliert das Auge viele Informationen, es wird schwer die Situation zu begreifen.
Auch wenn der Betrachter, durchaus begreift was man gemalt hat, geht dennoch die Schönheit der Umgebung im Chaos der Striche flöten.
Ein Ort hat seine Schönheit dadurch verloren, dass man nur noch viele Einzelteile sieht aber nicht mehr das Gesamte.
Deshalb ist es kein Luxus, Gedanken an den Bildentwurf zu verschwenden.
Man kommt als Maler- oder Zeichnerin nicht drumherum, die Funktionsweise des Auges zu unterstützen.
Bildentwurf in chaotischen Motiven:
Normalerweise löst man das Problem, indem man ein Bildzentrum legt, d. h. man hat im Bild einen Punkt, den man besonders interessant gestaltet.
Der Betrachter hat es dann sehr einfach, denn er weiß, worum es im Bild geht.
Diese Art des Entwurfes ist praktisch, leider gibt es viele Motive, die viel zu chaotisch und vielschichtig sind, um in ihnen ein Bildzentrum festzulegen könnte. Bei diesen Motiven geht es nicht um ein einzelnes interessantes Detail, sondern um die gesamte Kulisse.
In dieser Kulisse können sich viele interessante Dinge verstecken. Im Grunde handelt es sich, wie bei den Kinderbüchern um ein Wimmel-Bild.
Das Motiv ist chaotisch und trotzdem ist es schön.
Unsere Aufgabe ist es, herauszufinden, wie wir, dies zeigen können.
Ich kenne kein einziges Buch, in dem dieses Problem befriedigend beschrieben wird. Doch eines kann man sicher sagen:
Die Schönheit im Chaos braucht Ordnung.
Bildentwurf von chaotischen Motiven, herausfinden was zählt.
Das beste Mittel ist sich das Motiv genau anzuschauen. Danach malt man das Motiv ohne aufs Motiv zusehen. So findet man heraus was man wirklich wahrgenommen hat. Das ist wichtig, denn
wir sehen viele Dinge, ohne sie wirklich zusehen.
Mach Dir klar, dass du diese Dinge nicht wirklich gesehen hast. Und all das was du nicht gesehen hast, brauchst du in einem Bild nicht.
Betone das was du wahrgenommen hast und nicht was deine Augen gesehen haben!
Bildentwurf eine angenehme Ordnung im Chaos finden.
Oft reicht der goldene Schnitt nicht aus um ein Motiv zu gliedern. (Ein Link dazu hänge ich unten an). Die einfachste und beste Möglichkeit ist das man im Motiv verschiedene geometrische Formen oder Linien findet, die das Auge im Motiv leitet.
Ich muss also künstlich dafür sorgen, dass das Auge meines Betrachters eine Orientierung hat.
Hierfür ist es am besten, wenn man ins Motiv schaut und sich dort die Inspiration für die Gliederung holt.
Eine klare Kommunikation ist wichtig für den Betrachter.
Man sucht und findet ein Ordnungsprinzip und das zieht man durch. Damit kann man viele chaotische und kleine Motive zusammenfassen. Denn das kleine Dingen stellt man Anhand der Leitlinien auf. Alles wird einfacher sichtbar durch ein Ordnungssystem, weil das Auge daran entlang gleiten kann.
Geometrie beruhigt das Auge,
weil es einen Weg hat, auf dem es die Informationen aufnehmen kann. Man findet also ohne Konfusion dies wichtigen und schönen Dinge in einem Bild, obwohl es vor Gegenständen es nur so wimmelt.
Museen werden nach dem gleichen Prinzip gestaltet, man baut dem Besucher einen Rundgang entlang dessen er informiert wird.
Und auch Du hast die Möglichkeit dieses Gestaltungsprinzip in deinen Bildern umzusetzen.
Guck dir dieses an? Wie würdest du es umsetzen?
Ein Weg für das Auge!
Man braucht sich dabei nichts zu erkünsteln. Motive enthalten die Lösungen für den Bildentwurf ganz von selbst.
Stell dir folgende Fragen:
- Gibt es Verbindungen zwischen den einzelnen wichtigen Bildanteilen?
Diese Verbindung gibt es in der Stadt meistens, denn wichtige Punkte einer Stadt sind durch ihre Adern, die Straßen verbunden. Verbindungen können aber alles Mögliche sein, zum Beispiel Farben, die sich wiederholen und so einen Weg schaffen, wie die Brotkrumen bei Hänsel und Gretel.
- Gibt es eine geometrische Form, im Bereich wichtige Bildanteile sortieren kann?
Auch diese geometrischen Formen, findet man in vielen Motiven auf ganz natürliche Art und Weise. Ein Hafen zum Beispiel immer eine prägnante geometrische Form. Auch eine Bucht ist nicht selten kreisförmig. Wenn man diese natürlichen Formen in seinem Bild stärkt und herausarbeitet, entstehen wie von selbst, ein Weg für das Auge. Geometrische Formen findet man, in sehr unterschiedlichen Motivanteilen. Auch das Dreieck eines Berges, kann dafür sorgen, dass ein Motiv gegliedert wird.
Niemand kann dir ganz genau sagen, wo das Ordnungssystem in deinem Motiv liegt. Du musst beobachten, erfühlen und manchmal musst du es ersticken und erlügen!
Wege für das Auge sind das nächste Stichwort. Natürlich sind Straßen, wie oben schon erwähnt, ganz wichtige Verbindungslinien. Aber es gibt weitere Verbindungslinien, zum Beispiel die Perspektive. Ähnlich wie farbliche Wege durch ein Bild, sind Perspektivlinien etwas fast Abstraktes. Trotzdem fühlen sie sich gut an, denn sie sind Leitplanken für das Auge!
- Der Fluchtpunkt und die Entfernung sind ein ganz natürliches Ordnungssystem.
Man kann ein Ort durch perspektivische Linien, aber auch von dem Wechsel von klein nach Sehr gut sortieren. Mit perspektivischen Linien kann man ganz wunderbar auf Dinge zeigen, die man betonen möchte.
Mein Bildentwurf:
Ich stehe auf eine Aussichtsplattform hoch über Barcelona, unter mir erstreckt sich die Stadt. Tausende von Häusern, Bäumen, Schiffen, Autos und Passanten. Unter mir wimmelt es. Gott? wie bekomme ich die ganze Stadt auf 30 cm Papier? Nun versuche ich die Verbindungslinien zu finden. Am schönsten finde ich die historischen Häuser am Hafen. Dort verläuft die Stadtautobahn. Diese benutze ich, um tief in mein Bild zu führen. Die Autobahn ist meine Perlenschnur, hier fädele ich die Schönheiten wie kleine Perlen auf.
Die Richtung unterstütze ich noch durch die Häuser im Vordergrund, diese reduziere ich zu Leitplanken für das Auge.
Sei beruhigt, dein Motiv findet immer selbst die Lösung.
Liebe Grüße ins Wochenende
Tine
Ich erhole mich so langsam von Covid, die Sonne tut gut und nun sammele ich frisches Wissen für euch. Vielen lieben Dank für die Spenden! Habe ich dir geholfen? Dann bin ich froh über eine Spende.
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