Haus hinter der Kartause Ittingen Tine Klein
Kein Genuss ist vorübergehend, denn das was er mit dem Menschen macht bleibt.
Und so bleiben mir die letzten Strahlen eines wunderbaren Sommers. Meine Bilder entstehen im Ansatz immer sehr schnell. Denn ich benutze Farbe nicht komplizierter als einen Stift. Im Prinzip entsteht alles in rasender Geschwindigkeit.
Eine der Dinge, die ich am Kunst machen mag, ist die Entschleunigung.
Wie passt das zusammen Entschleunigung und rasende Geschwindigkeit?
Genuss und Malen
Das wichtige am Malen ist der Genuss.
Malen an sich ist nur ein Handwerk. Den Pinsel schwingen macht nicht die Kunst. Die eigentliche Kunst ist das, was vorher im Kopf des Menschen passiert und deshalb ist dieser Blog eine Einladung zur Langsamkeit.
Es ist doch verrückt, eigentlich haben wir 1000 Dinge, die uns Zeit sparen. Ich sage dazu nur Spülmaschinen, Autos, Smartphones usw. und so fort. Man sollte meinen, dass das Leben nun viel entspannter ist als noch vor einigen Jahren. Doch manchmal ist das absolute Gegenteil der Fall.
Wir Beschleunigen
Beschleunigung ist Fluch und Segen.
Tatsächlich empfinde ich Beschleunigung als Fluch und Segen, auch wenn ich mich jetzt als prähistorischen Dinosaurier oute.
Ich habe meine erste Diplomarbeit noch vor dem Internet Zeitalter geschrieben. Damals musste ich mühselig auf Karteikarten oder in Datenbanken nach ausländischen Zeitungsartikeln suchen. Diese Zeitungsartikel waren dann, wenn sie in der Datenbank ankamen, bereits veraltet. Das Finden der Zeitungsartikel war irre aufwendig und es dauerte Monate bis sie, aus dem Ausland, in die Universität geschickt wurden.
Um es jetzt mal ganz laut zu sagen, ich liebe die Beschleunigung, insbesondere die Beschleunigung des Wissens.
Doch was mir etwas Sorgen bereitet, ist das es heute so gut, wie keine Wartezeiten mehr gibt. Die Folge ist dass das Leben schnell, effektiv und kaum noch Zeit zum Durchatmen da ist.
Malen ist die purste Entschleunigung.
Durchatmen, sich etwas in Ruhe angucken und etwas zu begreifen sind wichtige Grundlagen des Malens. Gutes Malen ist also die Mutter der Entschleunigung.
Das Malen ist so gut für den Menschen, weil es uns hilft im Moment zu leben.
Malen heißt sich auf die schöne Gegenwart zu konzentrieren.
Grundfragen, die großartige Bilder erzeugen sind:
- Wo bin ich?
- Was mache ich?
- Und wie fühle ich mich dabei?
Ganz ehrlich, das sind doch die Kernfragen, die die Seele sortieren. Malen ist der pure Genuss. Oft hilft das Malen einfach mal an die frische Luft zu kommen. Malen heißt oft auch meditieren, man kann die schöne Umgebung genießen, einfach mal entspannen.
Letztendlich ist die Entschleunigung und der Genuss, der man dabei empfindet, etwas was wirklich gut für die Seele ist.
Ein Spaziergang mit Pinsel
Meine Freundin Claudia kennen eifrige Leser ja vielleicht schon. Claudia und ich sehen uns nicht häufig, das geht auch gar nicht, weil wir beide in unseren Berufen super aktiv sind. Wenn wir uns aber treffen, dann meckern wir nicht über Beruf oder Familie, nein wir machen einfach was sehr Schönes.
Wir gehen ganz konsequent raus und erleben etwas Wundervolles.
Kartause Ittingen
Letzte Woche haben wir einen Sonntagsspaziergang in der Kartause Ittingen gemacht.
Das ist ein Platz mit einer wundervollen Energie. Zuerst war ich sehr traurig, weil wir auf eine graue Nebelwand zu fuhren, doch wer dem Glück eine Chance gibt, der wird belohnt.
30 Minuten später hatte der Himmel das strahlendste Blau, was man sich vorstellen kann.
Zu unseren Ausflügen gehört nicht nur das Malen. Klostereisbecher, Tasse Kaffee, ein schöner Spaziergang, rumschleichen auf Motivsuche, das schönste Malen und dann noch im Klosterlädchen einkaufen.
Genau das ist das Gute an der Kunst. Auch wenn vielleicht nicht jedes Bild wunderbar wird, der Maler wird dabei wunderbar. So ist es doch die Beobachtung und der Kontakt zum eigenen Inneren, was nach und nach den eigenen Stil formt.
Auf so einem kleinen Ausflug merke ich immer wieder, was ich zeigen will. Bei mir ist es oft das Licht, an dem Tag in Ittingen, bemerke ich, dass es die langen Schatten der Herbstsonne sind, die mich besonders ansprechen.
Schwer verliebt habe ich mich in den unglaublich blauen Himmel zusammen mit den schon orangen Bäumen.
Claudia und ich sitzen in den Blumenfeldern des Klosters. Ein bisschen blüht noch:
Es ist jetzt fast November und natürlich gibt es auf dem Blumenfeldern nicht mehr wirklich viel zu sehen. Das Verrückte ist, dass man bei dem Malen ganz deutlich merkt, dass wir beide ganz unterschiedliche Dinge sehen. Ich nehme das Lavendelfeld vor dem Haus im Hintergrund ganz deutlich war, als ich auf Claudia Bild schaue sehe ich, das es auch noch ein paar Rosen gab, die habe ich gar nicht bemerkt.
Jeder verarbeitet die Umwelt auf seine Weise.
Ganz ehrlich, im Wesentlichen kommt es doch auf den Genuss an. Das Bild, das gemalt wurde, ist nicht das Wertvolle.
Das Wertvolle ist der Genuss, den das Malen an so einem Tag spendete.
Ich bin übrigens bestimmt hundert mal dran vorbei gefahren.
Paradoxerweise macht die Ruhe, schnelle und gute Bilder. Sich Zeit lassen ist schön und effektiv.
Liebe Grüße
Tine
Eine weitere Einladung zur Musse findet ihr in der Zeit:
https://www.zeit.de/2012/50/Entschleunigung-Langsamkeit-Musse/seite-2
Ein älterer Artikel aus dem Blog: Warum wir malen
https://blog.herz-der-kunst.ch/warum-wir-malen/